England und der Fall "Baralong"
London,
5. Jan. (Priv.-Tel.)
Die englische Regierung veröffentlicht ein Weißbuch über die von
Deutschland gestellte Forderung, die Besatzung des Hilfskreuzers "Baralong",
der an der irländischen Küste ein deutsches Unterseeboot versenkt hatte,
in Anklagezustand zu versetzen. Sir Edward Grey erklärt, die gegen die
Besatzung des "Baralong" erhobenen Anschuldigungen seien nur
geringfügig im Vergleich zu den von den deutschen Offizieren gegen
Kombattanten und Nichtkombattanten zu Lande und zur See begangenen
Verbrechen. Die englische Regierung begnüge sich damit, die
Aufmerksamkeit der deutschen Regierung auf drei Vorfälle zu lenken, die
sich innerhalb derselben 24 Stunden zugetragen hätten, da die Versenkung
des deutschen Unterseebootes durch den "Baralong" erfolgt sei.
Sir Edward Grey erinnert an die Versenkung der "Arabic" und die
damit verbundenen Unglücksfälle, ferner an den Umstand, daß ein an der
dänischen Küste aufgelaufenes englisches Unterseeboot entgegen dem
Kriegsrecht von einem deutschen Torpedobootszerstörer angegriffen wurde,
und schließlich an den Angriff eines deutschen Unterseebootes auf den
Dampfer "Ruol", der keinerlei Widerstand entgegengesetzt hatte.
Sir Edward Grey erklärt sich bereit, diese drei Vorkommnisse zusammen mit
der "Baralong"-Affäre einem aus amerikanischen Seeoffizieren
bestehenden Schiedsgericht vorzulegen und sich dessen Urteil zu
unterwerfen. Dieses Gericht würde indessen zu einer Zurückweisung der
gegen die britischen Seeleute erhobenen Anschuldigungen der
Unmenschlichkeit gelangen müssen, weil diese unter gefahrvollen
Umständen bereits mehr als 1100 deutsche Seeleute gerettet hätten,
während die deutsche Marine keinen ähnlichen Akt der Menschlichkeit zu
verzeichnen habe.
Die
"Frankfurter Zeitung" bemerkt dazu:
"Diese Ausflucht des britischen Ministers ist nach mehreren
Richtungen hin sehr bemerkenswert. Zum ersten wird dadurch trotz dem
Versuche, die Frage zu umgehen, klar, daß die britische Regierung die
Ermordung deutscher Seeleute, die sich ergeben hatten, nicht zu bestreiten
vermag. Zum anderen aber er sieht man aus der Veröffentlichung, daß Grey
und die britische Regierung sich weigern, eine Bestrafung der Mörder
eintreten zu lassen, indem sie den Versuch machen, den von den
Unterseebooten geführten Seekrieg als gleichwertig mit diesem
abscheulichen Verbrechen hinzustellen. Um sich der Pflicht zu entziehen.
für ein unbestreitbares Verbrechen Sühne eintreten zu lassen, verleumdet
Grey die deutschen Seeleute. Demgegenüber muß aufs neue gesagt werden,
daß die Ehre der Befehlshaber und Mannschaften deutscher Unterseeboote,
die unter den schwersten körperlichen Entbehrungen und unter Verachtung
beständig drohender Todesgefahr ihre Pflicht tun, so hoch über allen
Zweifeln steht, daß der Angriff des Ministers, dessen verlogene Politik
diesen Krieg in erster Reihe mit verschuldet hat, sie nicht antasten kann.
Der Vorschlag, ein aus amerikanischen Seeoffizieren bestehendes
Schiedsgericht über den "Baralong"-Fall und über drei
gleichzeitig durch deutsche Schiffe angeblich begangene Verletzungen des
Völkerrechts aburteilen zu lassen, ist eine leere Komödie, umsomehr als
diesem sogenannten Schiedsgericht gleich auch das Urteil vorgeschrieben
wird, das es zu fällen hätte, nämlich Freisprechung der britischen
Seeleute, die sich so viele Verdienste um die Menschlichkeit erworben
hätten, während die deutsche Marine keinen ähnlichen Fall aufzuweisen
hätte. Das letztere ist von englischer Seite schon einmal behauptet, es
ist aber als erlogen bereits längst zurückgewiesen worden. Die deutschen
Seeleute nehmen es in der Erfüllung der Gebote der Menschlichkeit mit
denen jeder anderen Flotte, vor allen auch der britischen, auf. Ein "Baralong"-Fall
wäre in der deutschen Flotte nicht denkbar. Aber die Ausflüchte Greys
haben ja doch nur den Zweck zu erfüllen, daß England eine Bestrafung der
Mörder nicht eintreten lassen will. Es mag genügen, das vor aller Welt
festzustellen." 2) |