Der Weltkrieg am 21. März 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Siegreicher Sturmangriff gegen den Wald von Avocourt -
Russische Angriffe auf der ganzen Nordfront abgewiesen

Großes Hauptquartier, 21. März.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Westlich der Maas erstürmten nach sorgfältiger Vorbereitung bayerische Regimenter und württembergische Landwehrbataillone die gesamten stark ausgebauten französischen Stellungen im und am Walde nordöstlich von Avocourt. Neben sehr erheblichen blutigen Verlusten büßte der Feind bisher 32 Offiziere, darunter 2 Regimentskommandeure, und über 2500 Mann an unverwundeten Gefangenen sowie viel noch nicht gezähltes Kriegsgerät ein. Gegenstöße, die er versuchte, brachten ihm keinen Vorteil, wohl aber weiteren schweren Schaden.
Östlich der Maas blieb das Gefechtsbild unverändert.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Russen dehnen ihre Angriffe auch auf den äußersten Nordflügel aus. Südlich von Riga wurden sie blutig abgewiesen, ebenso an der Dünafront und westlich von Jakobstadt stärkere feindliche Erkundungsabteilungen.
Gegen die deutsche Front nordwestlich von Postawy und zwischen Narocz- und Wiszniewsee richteten sie Tag und Nacht besonders starke, aber vergebliche Angriffe. Die Verluste des Feindes entsprechen dem Masseneinsatz an Leuten. Eine weit vorspringende schmale Ausbuchtung unserer Front hart südlich des Naroczsees wurde zur Vermeidung umfassenden Feuers einige 100 Meter auf die Höhen bei Blisniki zurückgenommen.
Balkankriegsschauplatz:
Abgesehen von unbedeutenden Patrouillenplänkeleien an der griechischen Grenze ist die Lage unverändert.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die russische Offensive

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
Nach monatelanger Ruhe ist die Kampftätigkeit an unserer Front plötzlich zur höchsten Steigerung neu entfacht worden. Die Russen, die seit langem eine Offensive vorbereiteten, haben die deutschen Stellungen südlich von Dünaburg angegriffen. Ohne Zweifel hängen diese Angriffe mit den Operationen um Verdun zusammen, denn daß die französische Heeresleitung ein starkes Bedürfnis nach Entlastung empfindet, ist eigentlich selbstverständlich und läßt sich auch aus der Presse der Entente herauslesen. Zuerst kamen die Italiener den ohne Zweifel sehr dringlich gehaltenen Einladungen zur Hilfe nach, indem sie an ihrer Isonzofront die lang unterbrochene Angriffstätigkeit wieder aufnahmen. Die Russen brauchten immerhin einige Wochen, ehe sie sich zur Eröffnung der Offensive entschlossen.
Das Gebiet, in dem sie einsetzte, ist der Ostrand der baltischen Seenplatte, das von zahllosen großen und kleinen Seen und Sümpfen durchsetzte Land, das Litauen vom eigentlichen Rußland trennt. Die deutschen Stellungen sind dort erst am Ende der großen Offensive angelegt worden, im September und Oktober vorigen Jahres, als die Front eine der kürzesten Linie sehr nahekommende Gestalt angenommen hatte und damit für die Verteidigungszwecke außerordentlich geeignet wurde. Die deutsche Ostfront führt auf weiten Strecken durch Sumpfgelände, nirgends aber ist der natürliche Schutz so groß, die Schwierigkeiten für den Angreifer so überwältigend wie in dem Seengebiet, das zum Ausgangspunkt der neuen russischen Offensive geworden ist. Vielleicht rechnete die russische Heeresleitung damit, daß die Deutschen im Vertrauen auf diesen mächtigen natürlichen Schutz die künstlichen Verteidigungsanlagen, die natürlich unentbehrlich sind, vernachlässigt hätten. Wenn dies ihre
Rechnung wäre, so beruht sie natürlich auf ganz falschen Voraussetzungen Die ganze Front des Oberbefehlshabers im Osten, Generalfeldmarschalls von Hindenburg, steht in lückenloser Geschlossenheit, bereit, an jedem Punkt den Feind abzuwehren.
Die russischen Angriffe haben nach verhältnismäßig kurzer und nach dem Bericht unseres Kriegsberichterstatters wenig wirksamer Artillerievorbereitung mit dem Einsatz großer Infanteriemassen begonnen, die nach wie vor das Kennzeichen der russischen Sturmtaktik bilden. Die Verluste des Angreifers, der nicht den geringsten Vorteil geerntet hat, sind natürlich übergroß; zu der Zahl der Toten, die von deutscher Seite genau festgestellt werden konnte, kommt natürlich noch eine vielleicht größere Zahl Verwundeter, die von den Russen geborgen werden konnten. Die Verwundeten aber bedeuten für das russische Heer in weit höherem Grad als für das deutsche einen endgültigen Verlust, da nach amtlichen russischen Veröffentlichungen nur etwa ein Viertel von ihnen soweit hergestellt wird, daß sie wieder in die Front geschickt werden können. Vor dem Opfer großer Menschenmassen scheut aber die russische Taktik, die darin ganz dem russischen Nationalcharakter der "breiten Natur", des Aus-dem-vollen-Wirtschaften, entspricht, keineswegs zurück. Über den Kampfwert der in der neuen Offensive eingesetzten Truppen liegen noch keine ausreichenden Angaben vor, man darf aber annehmen, daß General Alexejew, der tatsächliche Oberbefehlshaber der russischen Armee, auch im Norden jene jungen und jüngsten, notdürftig ausgebildeten Mannschaften verwenden muß, die in den letzten Kämpfen in Ostgalizien und in der Bukowina zu Zehntausenden hingeopfert wurden.
Die Offensive der Russen ist selbstverständlich noch nicht zu Ende. Vielleicht greift sie sogar noch auf andere Abschnitte der gewaltigen Ostfront über. Mit festem Vertrauen blickt Deutschland nach Osten, wo sein tapferes Heer unter dem siegesgewohnten Feldherrn an der eisernen Grenze Wache hält, die der Krieg aufgeworfen hat. Schon jetzt ist ein großer, kaum abzuschätzender Gewinn erzielt: die Russen sind durch die Entwickelung der Dinge im Westen genötigt worden, vorzeitig die Offensive aufzunehmen, die ohne Zweifel für einen späteren Zeitpunkt bestimmt war, in dem sie gemeinsam mit allen anderen Alliierten hätte eröffnet werden sollen. Damit unterwirft sich die russische Heeresleitung trotz ihrer scheinbaren Initiative dem strategischen Gesetze, das die Deutschen vorschreiben. Aber nicht einmal der schrankenlose Opfermut der Russen wird imstande sein, die methodische, langsam und zielbewußt sich entwickelnde Arbeit unsrer Heere im Westen zu unterbrechen.
2)

 

Seegefecht an der flandrischen Küste

Berlin, 21. März.
Vor der flandrischen Küste fand am 20. März früh ein für uns erfolgreiches Gefecht zwischen drei deutschen Torpedobooten und einer Division von fünf englischen Zerstörern statt. Der Gegner brach das Gefecht ab, nachdem er mehrere Volltreffer erhalten hatte, und dampfte mit hoher Fahrt aus Sicht. Auf unserer Seite nur ganz belanglose Beschädigungen.

Der Chef des Admiralstabs der Marine. 1)

 

Die Fahrten der "Möwe"

Berlin, 21. März. (Priv.-Tel.)
Der Kommandant der "Möwe", Graf Dohna-Schlodien, hatte mit einem Vertreter des "Berliner Lokalanzeiger" eine längere Unterredung, der wir folgendes entnehmen: "Anfangs Januar schwamm die "Möwe" im Atlantik und befand sich noch in gutem Zustand, auch der Gesundheitszustand der Mannschaft war famos, sodaß sie beschloß, etwas Größeres zu unternehmen. Am Mittag des ersten Tages bemerkten wir vor uns Rauchwolken und gleich darauf seitwärts eine neue Rauchwolke. In kurzer Zeit befanden wir uns in der Mitte zwischen zwei englischen Dampfern. Wir setzten Flaggensignale: "Stoppen Sie sofort." und feuerten je einen scharfen Schuß vor den Bug beider Schiffe, worauf man drüben sehr unangenehm überrascht zu sein schien, denn es ging an Deck alles drüber und drunter. Während ich mich mit dem einen Dampfer beschäftigte und seine Besatzung herüberbringen ließ, benutzte das zweite Schiff dies, um zu entwischen.   Tatsächlich gelang es ihm in einer Regenbö zu verschwinden. Es wurde aber sofort von uns verfolgt, wieder eingeholt und gezwungen, sich zu ergeben. Also brachte der erste Tag zugleich zwei englische Dampfer mit sehr wertvollen Ladungen zur Strecke. Am nächsten Tage konnten wir sogar drei Dampfer versenken. Wir waren jetzt in der Nähe von Madeira, als die "Appam" signalisiert wurde. Das Schiff war mit Funkentelegraphie ausgestattet, die von unserer Anwesenheit Kunde geben konnte, und führte Passagiere. Es war also zu überlegen, ob sie genommen werden sollte. Wir signalisierten zu halten, und wieder mußte erst ein Warnungsschuß vor den Bug des Schiffes abgegeben werden, da sich der Kapitän nicht sofort zu halten bequemte. Als ich hinter dem Heck des Dampfers herumfuhr, sah ich eine Kanone, die englische Kriegsmarinematrosen soeben anschickten, auf uns zu richten, bis Gewehrfeuer sie verscheuchte. Die Panik war ebenfalls groß an Bord, wo sich viele Frauen befanden. Erst allmählich gelang es der herüber geschickten Prisen-Besatzung, Beruhigung zu schaffen. Ein besonders schöner Moment war die Befreiung der deutschen Kriegsgefangenen. Die armen Kerle trauten ihren Augen nicht, als die Kabinen plötzlich geöffnet und sie von deutschen Seeleuten an Bord geführt wurden. Ich ließ sie an Bord der "Möwe" schaffen und brachte ein Kaiserhoch aus, wie es wohl selten so glücklich angestimmt wurde. Auf der "Appam" befanden sich vier englische Offiziere und 30 Matrosen, die als Kriegsgefangene in den heimatlichen Hafen mitgenommen wurden. Wir fanden an Bord auch Goldbarren, sein säuberlich verpackt in kleinen Kisten, aus den Minen des Kaplandes und der Goldküste stammend, die jetzt unter meinen Schreibtisch wandern mussten. Die "Appam" schien uns als Personendampfer besonders geeignet, die verschiedenen Schiffsbesatzungen aufzunehmen. Inzwischen kam die "Mactavish", ein schnelles, stattliches Schiff, und nach einigem Hin- und Herfragen durch den drahtlosen Apparat ersuchte es auszukneifen, und schließlich entspann sich ein Feuergefecht in voller Fahrt, bis die "Möwe" den Widerstand brechen konnte. Alles weitere spielte sich wie üblich ab und wir gingen jetzt daran, die "Appam" mit über 500 Menschen nach Amerika zu senden, wo sie ja auch inzwischen unter dem Kommando des Leutnant Berg glücklich in Newport landete. Etwa einen Monat später kreuzten wir wieder in der gleichen Gegend und versenkten noch so viele Schiffe, wie wir nur erreichen konnten. Wie und wo wir später kreuzten, bleibt vorläufig Geheimnis der "Möwe"; jedenfalls wurde der Beweis erbracht, daß das Märchen von der Blockade Deutschlands nur in den Köpfen der Engländer spukt."
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Fliegerangriff auf Valona

Wien, 21. März.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Gefechtstätigkeit stellenweise erhöht, namentlich bei der Armee Pflanzer-Baltin.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die Lage ist im allgemeinen unverändert. Feindliche Angriffe auf die von uns gewonnenen Stellungen am Rombon und Mrzli Vrh wurden abgewiesen. Am Rombon brachte eine neuerliche Unternehmung 81 gefangene Italiener ein.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unsere Flieger erschienen nachts über Vlora (Valona) und bewarfen den Hafen und die Truppenlager erfolgreich mit Bomben. Sie kehrten trotz heftiger Beschießung unversehrt heim. Lage in Montenegro und Albanien unverändert ruhig.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Ispahan von den Russen genommen

Kopenhagen, 21. März.
Wie die Petersburger Telegraphen-Agentur meldet, haben die Russen am 19. März Ispahan eingenommen.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im März 1916

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 4
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung"

 

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