Die
Märzschlachten 1916
Berlin,
10. April.
(Fortsetzung des Berichts vom 7.
April.)
II.
Die
Kämpfe an der Maas stehen im Mittelpunkt der gesamten kriegerischen
Operationen seit dem historischen 21. Februar. Alle anderen Kämpfe
bilden ihnen gegenüber teils Begleit-, teils Folgeerscheinungen.
An der gesamten Westfront machte sich vor und mit dem Einsetzen unserer
Offensive an der Maas eine gesteigerte Gefechtstätigkeit geltend.
Besonders ist der Sturm der Sachsen auf die Ville-aux-Bois-Stellung nordwestlich
Reims zu verzeichnen, welcher wichtige Artilleriebeobachtungspunkte und
in einer Breite von 1400 Meter auf 600 bis 800 Meter Tiefe auch die feindlichen
Infanteriestellungen in unsere Hand brachte. In der Champagne versuchten
die Franzosen, die am 27. Februar ihnen entrissene Navarinstellung wieder
in ihre Hand zu bringen; aber ihren hartnäckigen Bemühungen
blieb der Erfolg versagt. Ebensowenig gelang es freilich uns, die am 11.
Februar von den Franzosen genommenen Gräben östlich der Champagne
zurückzuerobern.
Auch an manchen Stellen der übrigen Westfront tobten Artillerie-
und Grabenkämpfe von wechselnder Stärke und Dauer.
Als bedeutsamste Folgeerscheinung der Kämpfe an der Maas verdient
aber hervorgehoben zu werden, daß von Armentieres bis Arras und
im letzten Drittel des März auch weiter südlich bis zur Somme
die französischen Truppen durch Engländer abgelöst worden
sind. Eine besondere Regsamkeit haben diese Ersatztruppen indessen nicht
entfaltet. Die Engländer haben auch nicht den leisesten Versuch gemacht,
auch ihrerseits angriffsweise ihre hartnäckigen französischen
Verbündeten zu entlasten.
III.
Um
so eifriger haben sich dafür die beiden anderen Bundesgenossen der
Franzosen, die Italiener und Russen, bemüht, die Maaskämpfer
durch energische Gegenstöße zu unterstützen. Ohne jeden
Erfolg.
Vor der deutschen Ostfront waren schon seit dem 10. März Truppenverschiebungen
erkannt worden, welche das Bevorstehen großer Angriffe an mehreren
Punkten ankündigten. Vom 13. März ab legte sich starkes Artilleriefeuer
auf einen großen Abschnitt unserer Verteidigungslinien und steigerte
sich stellenweise bis zum Trommelfeuer. Es ließ sich erkennen, daß
der Feind durch seine Drahthindernisse nächtlicherweile Gassen geschnitten
hatte und daß während des Artilleriefeuers bereitgestellte
Reserven in die Front einrückten. Am 18. März begannen die Angriffe.
Sieben größere Einbruchsstellen hatte der Feind sich zum Ziele
seiner Vorstöße gesetzt. In dem Abschnitt südlich Dünaburg
begann die feindliche Offensivtätigkeit. Die Gegend zwischen Narocz-
und Wieszniewsee, dann weiter nördlich die Gegend von Postawy und
endlich ein Streifen nördlich Widsy wurden von den Russen vom 18.
bis 22. März täglich mit großer Erbitterung angegriffen.
Aber nur an einer Stelle, beim Vorwerk Stachowcze südlich des Naroczsees,
kam es zu einer unbedeutenden Rückverlegung unserer Front in eine
neue Stellung, die dann ohne Wanken gehalten wurde. An allen anderen Punkten
scheiterte ein russischer Ansturm nach dem anderen unter furchtbaren Verlusten
für den Angreifer.
Aber auch nahe Dünaburg selbst stieß der Feind vor und an drei
weiteren Stellen in dem Abschnitt zwischen Dünaburg und Riga bei
Jakobstadt und weiter dünaabwärts bei Friedrichstadt - Lennewaden,
endlich in Gegend Kekkau und Olai. Auch hier mit gleichem blutigen Mißlingen.
Nach dem völligen Scheitern der Angriffe des 18. bis 22. März
führte der Feind frische Truppen heran und begann am 24. und 25.
März nach neuer und langer Artillerievorbereitung eine weitere Reihe
von Anstürmen auf allen früher berannten Punkten. Sie alle brachen
an den folgenden drei Tagen vom 24. bis zum 26. März blutig zusammen.
Und in der Nacht vom 26. zum 27. März konnten wir sogar an zwei Stellen,
südlich des Naroczsees und südlich Widsy, zum Gegenangriff übergehen
und den Feind aus einigen für uns unbequemen Punkten seiner ursprünglichen
Front entfernen. Seitdem ist die russische Offensive "eingestellt"
- eine Maßregel, die mit der Rücksicht auf das eingetretene
Tauwetter recht kümmerlich begründet wird. In Wahrheit ist die
große Entlastungshandlung des östlichen Verbündeten völlig
ergebnislos und unter beispiellosen Verlusten zusammengebrochen.
IV.
Vergegenwärtigen
wir uns nun noch in aller Kürze, daß auch die italienischen
Angriffe an der zähen Kraft unserer Bundesgenossen zerschellt sind
und daß auch hier die Entlastungsoffensive sich in eine Defensive
verwandelt hat, bei welcher die Italiener sehr erhebliche Verluste an
Blut und Gelände erlitten haben; daß um Saloniki 300000 Mann
Ententetruppen festliegen, ohne bisher einen ernstlichen Vorstoß
gegen ihre Belagerung zu wagen; daß Valona eng eingeschlossen ist;
daß endlich auf der Kaukasusfront der anfangs erfolgreiche Vormarsch
zum Stocken gebracht werden konnte, so muß die Kriegslage am Schlusse
des bedeutungsschweren März als hocherfreulich bezeichnet werden.
Das Gesetz der Stunde diktieren wir. Die gewaltigen Angriffspläne
unserer Feinde sind in hoffnungslose Verwirrung geraten. Frankreichs Reserven
sind wahrscheinlich größtenteils an der Maas gefesselt und
teilweise schon zerrieben. Seine Hoffnungen auf wirksame Ablenkungshandlungen
seiner Verbündeten sind gescheitert; die Lage der Entscheidungskämpfe
gestaltet sich von Tag zu Tag bedenklicher für die Verteidigung.
Und während unsere Heere in Ost und West so Großes vollbracht
haben, hat auch die Heimat ihren Sieg erfochten. Der Erfolg der vierten
Kriegsanleihe läßt die kühnsten Erwartungen hinter sich.
Der Zeitpunkt ihrer Ausschreibung im Frühjahr, zu Beginn der Jahresarbeit
der Landwirtschaft, war an sich ungünstig; die Ankündigung neuer
Steuerlasten und mancherlei andere Umstände ermutigten unsere Feinde
in der Hoffnung, die Beteiligung des deutschen Publikums möchte um
ein beträchtliches hinter den früheren Kriegsleistungen unseres
Volkes zurückbleiben. Und trotzdem haben die Zeichnungen die elfte
Milliarde nahezu erreicht. Es kann nicht anders sein: unsere Feinde werden
erkennen müssen, daß auch auf geldlichem Gebiete Deutschland
nicht zu bezwingen ist.
So bleibt unseren Gegnern nur noch eine kümmerliche Hoffnung: der
Aushungerungskrieg, das erbärmlichste und unmenschlichste ihrer Kampfmittel.
Die Pariser Verhandlungen beweisen, daß die Feinde die löbliche
Absicht haben, uns noch mehr als bisher zu blockieren, uns noch gründlicher
als zuvor von aller Zufuhr abzuschließen. Auch dieser teuflische
Plan wird scheitern am harten Willen des deutschen Volkes. Immer mehr
vervollkommnen sich unsere Methoden der Verwaltung und Verteilung der
vorhandenen Lebensmittel. Und der nahe Frühling und Sommer wird unserer
vaterländischen Erde unter der sorglichen Pflegschaft der Daheimgebliebenen
reiche Schätze entlocken. Unser Volk wird durch Selbstbescheidung
und freudiges Ertragen mancher Entbehrung den Kampf der Brüder, die
am Feinde stehen, unterstützen, und auch unser Heer wird seine Ansprüche
gern ein wenig herabsetzen, um auch hierin der Heimat ein leuchtendes
Beispiel frohen Opfermutes zu geben.
Der französische Finanzminister Ribot glaubte neulich aussprechen
zu dürfen, daß es schon möglich sei, den Frieden von ferne
zu sehen. Auch wir sehen von ferne einen Frieden, aber es ist nicht der
Friede des Herrn Ribot. Um diesen unseren deutschen Frieden zu erkämpfen,
ist uns keine Schlacht zu lang und hart, kein Opfer zu schwer. |