Townshends
Bericht über die Belagerung von Kut el Amara
General Townshend
London,
9. Mai.
Reuters Korrespondent bei den britischen Streitkräften in
Mesopotamien meldet folgende Einzelheiten über die Übergabe
von Kut el Amara. Die letzten Berichte, die von General Townshend am Morgen
des 29. April eintrafen, lauteten folgendermaßen:
1. Bericht: "Ich habe meine Kanonen zerstört. Der größte
Teil meiner Munition wurde unbrauchbar gemacht, und Offiziere haben sich
zu Halil begeben, um ihm zu sagen, daß ich bereit bin, mich zu ergeben,
daß ich Lebensmittel haben müsse, und daß ich mich nicht
lange würde halten können. Dies wurde Halil Pascha mitgeteilt,
und die Offiziersdeputation fuhr mit einer Barkasse aus, um Lebensmittel
von dem Schiff zu holen, das am 24. April ausgesandt wurde, um der Besatzung
von Kut Lebensmittel zu bringen."
2. Bericht: "Ich habe die weiße Flagge auf dem Fort und der
Stadt Kut gehißt, und die Wache wird von einem türkischen Regiment,
das unterwegs ist, bezogen werden. Ich werde binnen kurzem den Apparat
für drahtlose Telegraphie zerstören. Die Truppen begeben sich
heute nachmittag um 2 Uhr nach dem Lager bei Shamram.
General Halil hat unsere Parlamentäre empfangen. Er sagte, er wünsche,
daß die Besatzung gut mit Lebensmitteln versorgt werde, und daß
vor allem Townshend, von dem er mit der größten Bewunderung
sprach, es nach allen Entbehrungen so gut wie möglich haben solle.
Er nahm den Vorschlag, den britischen Gefangenen Lebensmittel zu schicken,
an und drückte sein Leidwesen darüber aus, daß die Vorräte
nicht größer seien.
Gestern haben wir zwei Leichterschiffe mit Lebensmitteln abgeschickt.
Gemäß der Vereinbarung, die Kriegsgefangenen auszuwechseln,
sind jetzt 777 unserer Kranken und Verwundeten in Schiffen nach unserem
Lager unterwegs, und die anderen 700 werden binnen kurzem erwartet. Ein
anderer Punkt, der von unseren Unterhändlern zur Sprache gebracht
worden war, war das Ersuchen, die bürgerliche Bevölkerung von
Kut, die durch vis major gezwungen war, dort zu bleiben, nicht zu strafen.
Halil Pascha sagte, daß er das nicht beabsichtige.
Die Behandlung der Bevölkerung würde von ihrem Verhalten abhängen.
Er könne sich zu nichts verpflichten, habe aber nicht die Absicht,
jemanden zu verfolgen oder hängen zu lassen.
Kut hat bis zur äußersten Grenze der Aushungerung ausgehalten.
Vom 16. April an war die Garnison auf eine Ration von 4 Unzen Mehl und
Pferdefleisch angewiesen.
Während des ersten Monats der Belagerung hat die Garnison um ihr
Leben gekämpft und fürchtete nur, daß die Munition zu
Ende gehen würde, ehe die Entsatzkolonne ankäme. Die Belagerten
erwarteten, daß die Verstärkungen, die in Basra zusammengezogen
wurden, imstande sein würden, die Türken zu vertreiben. Diese
ganze Zeit über erhielten die Soldaten volle Rationen. Sobald die
Entsatztruppen von Aligarbi anrückten, nahm der Druck, den der Feind
auf Kut ausübte ab, und von da an brauchte man nicht mehr zu befürchten,
daß die Munition ausgehen würde. Nach der Schlappe von Oran
entstand Besorgnis wegen der Lebensmittel. Die bürgerliche Bevölkerung
blieb in Kut. Diejenigen, die die Stadt beim Beginn der Einschließung
verlassen hatten, waren von den Türken aufgeknüpft oder erschossen
worden. Die Türken ließen wissen, daß sie jeden hinrichten
würden, der trachten würde, aus der Stadt zu entkommen. So kamen
zur Garnison noch 6000 Personen, die ernährt werden mußten.
Am 24. Januar wurden aber große Getreidevorräte meist in den
Kellern der Häuser entdeckt, requiriert und bezahlt, und hierauf
vermochte die Garnison drei Monate lang von etwas verminderten Rationen
zu leben, und die arabische Bevölkerung, die sich früher selbst
versorgt hatte, erhielt dieselben Rationen wie die britischen Soldaten
und die Sepoys."
Die Geschichte der Belagerung zerfällt also in zwei Abschnitte. In
dem ersten hat die Garnison sich mit großem Mut gegen die Angreifer
verteidigt, in dem zweiten entschlossen Hunger und Entbehrungen ausgehalten,
so daß das Verhalten der Garnison der ruhmreichsten britischen Überlieferungen
würdig ist. 1) |