Die
Kämpfe in Südtirol
Von
Walter Oertel, Kriegsberichterstatter

Erzherzog Eugen
Südtirol,
Standort, 3. Juni.
Der Stoß gegen Italien war beschlossen. In aller Stille wurden
die zu diesem Zweck bestimmten Truppenmassen unter Erzherzog Eugen in ihren Abschnitten bereitgestellt und vor
allem der Aufmarsch der starken
Artillerie in die Wege geleitet, welche den österreichisch-ungarischen
Truppen die Bahn zum Siege zu öffnen bestimmt war. Es wurden ferner
in unausgesetzter Arbeit große Mengen an Munition und technischem
Material, an Verpflegung und Ausrüstung herangeführt, um so
alles für einen großzügig angelegten Angriff Notwendige
in reichem Maße zur Hand zu haben.
Als der zu seinem Beginn bestimmte Tag heranrückte, machte das Wetter
einen Strich durch die Rechnung. Genaue Erkundungen ergaben, daß
die Schneehöhen im Gebirge noch derartige waren, daß der Infanterie
angriff dadurch gefährdet erschien.
Es wurde daher der Entschluß gefaßt, den Angriff zu vertagen,
worauf die Italiener weniger durch Truppenverschiebungen als durch emsigen
Ausbau ihrer Stellungen antworteten.
Allenthalben wurde von reger Sprengtätigkeit der Italiener, von Anlage
neuer Hindernislinien und Schützengräben berichtet. Selbstverständlich
wurde auch seitens der Österreicher und Ungarn diese unfreiwillige
Muße nicht ungenützt gelassen, sondern vor allem dazu verwendet,
die Angriffsartillerie noch weiterhin zu verstärken.
Endlich, gegen Mitte Mai, waren die Schneeverhältnisse derartige
geworden, daß man zum Angriff übergehen konnte, und so wurde
der 15. Mai hierfür festgesetzt.
An diesem Tage, einem herrlichen, klaren Frühlingsmorgen, eröffnete
um sechs Uhr die gesamte Artillerie ein mächtiges Feuer auf den Gegner.
Nun begann der Angriff. Eine Gruppe brach aus der Marsillistellung südlich
Kofreit vor mit dem Auftrage, sich der Zugna Torta zu bemächtigen, während einer anderen
Gruppe der Angriff auf das Nordufer des Laintales sowie die Wegnahme des
überaus schwierigen, tief eingeschnittenen Terragnolotales zugewiesen
war. Von hier aus sollte die Gruppe dann gegen die Hochfläche des
Col Santo vorgehen.
Der Infanterieangriff begann. In schneidigem Anlauf überrannten die
k. u. k. Truppen die Italiener in ihrer ersten, bei der Schießstätte
gelegenen Stellung, stießen kräftig nach und entrissen denselben
auch das Castell Dante, das diese zu einem
starken Stützpunkte ausgebaut hatten. Von hier aus trug diese Gruppe,
verstärkt durch Zuteilung anderer Verbände, den Angriff über
die " Steinlawine" benannte Geröllhalde vor und bemächtigte
sich des brennenden Ortes Lirrana.
In den folgenden Tagen wurde weiter im Etschtale vorgegangen. Abermals
wurden die Italiener geworfen und mußten nach kurzem, heftigem Kampfe
trotz wiederholter Gegenstöße auch die Orte Mori und Marco preisgeben.
Inzwischen waren andere Teile der k. u. k. Truppen gegen die Zugna Torta
vorgegangen, deren Spitze die Italiener stark befestigt hatten. Auch dieser
Angriff wurde erfolgreich durchgeführt. In heftigstem feindlichen
Feuer drangen die Truppen die Serpentinen aufwärts und erstürmten
den von den schweren Batterien fürchterlich zugedeckten Stützpunkt
auf der Berghöhe. Dann drangen die
Sieger auf dem Dammwege nach der Coni Zugna zu vor, bis eine schmale,
von steilen Felsabstürzen eingefaßte und von den Italienern
hartnäckig verteidigte Stelle dem weiteren Vordringen ein Ziel steckte.
Inzwischen war man auch gegen die Hochfläche von Moseferi vorgegangen,
die von den Italienern sehr stark ausgebaut worden war. Sie hatten hier
mehrfach terrassenförmig übereinander angelegte Verschanzungen,
die von den Alpini sehr zähe verteidigt wurden. Nachdem ein schweres
Feuer auf diese Stellungen gelebt worden war, stürmte die österreichisch-ungarische
Infanterie schneidig an, und in erbittertem Ringen gelang es, durch Fortnahme
der befestigten italienischen Orte Toldo und Moseferi auf dieser heißumstrittenen Hochfläche festen Fuß
zu fassen. Alle Versuche des hier fast durchweg aus Alpini bestehenden
Gegners, diese Orte zurückzuerobern, scheiterten unter schweren Verlusten.
Von hier aus wurde weiter gegen das Terragnolotal vorgestoßen. Im
Sturm wurde Potrich und Valduja genommen, deren Besatzungen im Handgemenge
unterlagen. Jäger und Infanterie stießen bis zum Orte Piarra
durch, bemächtigten sich der Borcolapaßstraße, durchschritten
das Terragnolotal und erstürmten die jenseits desselben belegene
mächtige Höhe der Costabella. Inzwischen waren Teile eines Regiments
auf der Paßstraße nach Borcola vorgegangen, hatten die Italiener
bei Zorneri geworfen und waren bis dicht unterhalb des Borcolapasses vorgedrungen,
der dann durch die über den Monte Malinjo und die Borgoletta eingreifende
Gruppe genommen wurde, während andere Teile das Col Santo-Massiv
von zwei Seiten erstiegen und auch diese wichtige Höhe besetzten,
die einen Ausgangspunkt der weiteren Angriffe bildete. Die am Borcolapaß
vorgegangenen Heeresteile schoben sich dann südwärts auf Bettale
vor, bis sie an der gewaltigen, durch permanente Befestigungen verstärkten
Linie des Monte Alba, Monte Xomo und Forni Alti haltmachten.
Inzwischen war auch der Angriff von der Hochfläche von Vielgereuth
aus eingesetzt und ebenso weiter östlich der Angriff vorgetragen
worden. Der Armenterrarücken südlich des Suganertales wurde
genommen und damit auch an diesem Punkt das erste Loch in die feindlichen
Stellungen gerissen.
Von hier aus vorgehend, wurden die Italiener auf der Hochfläche von
Vielgereuth aus ihren Stellungen Soglio di Aspio, Coston, Costa d´Agra
Maronia geworfen und der wichtige Grenzrücken des Maggio nach scharfem
Kampfe von den mit unvergleichlichem Schneid vorgehenden österreichisch-ungarischen
Truppen genommen.
Diesem siegreichen Vorgehen folgte der durch italienische Gegenangriffe
nicht aufzuhaltende Stoß der Gruppe des Thronfolgers Erzherzog Karl
Franz Joseph gegen die permanente Befestigungslinie, der als Ergebnis
die fürchterlich zusammengeschossenen Werke Campomolon und Toraro in die Hände der Angreifer lieferte. Von hier aus
wurde der Vorstoß auf die östlich des Werkes Campomolon gelegenen
Tomezzaspitzen, den Passo desa Vena und den Monte Melignone ausgedehnt
und auch diese Punkte in Besitz genommen. Dann wurde der Angriff weiter
gegen den befestigten Raum von Arsiero vorgetragen, das Panzerwerk Casa
Ratti genommen und durch Eroberung des Werkes Cornolo an der durch das
Posinatal nach Arsiero führenden Straße auch diese letzte Sperre
aus dem Wege geräumt, bis endlich Arsiero durch die k. u. k. Vortruppen
besetzt werden konnte, womit ein neues, wichtiges Ziel dieses ersten Abschnittes
des Angriffs erreicht war. Das Grazer Korps war inzwischen scharf gegen
den Monte Meata angegangen, hatte diesen genommen und war durch das Gebiet
der Sieben Gemeinden beiderseits der Straße Lafraun-Asiago vorgegangen,
bis diese mit Befestigungen reich gespickte Gegend sich in seinem Besitze
befand, so daß nunmehr von Chiesa bis Asiago eine geschlossene Front
hergestellt war.
Es trat nun eine Kampfpause ein. Wenn auch die technischen Truppen und
die Arbeiterabteilungen, mit äußerster Kraft arbeitend, in
der Herrichtung der Straßen geradezu Bewundernswertes leisten, so
erforderte diese Tätigkeit doch eben Zeit und darum mußte man
sich gedulden, bis diese hervorragenden Truppen die Straßen gangbar
gemacht hatten.
Alles in allem betrachtet, konnte man dem ganzen Angriff nur höchsten
Beifall zollen. Der
erste Abschnitt hatte mit einem so raschen, glänzenden Erfolge der
österreichisch-ungarischen Waffen geschlossen, daß er auf Führung
wie Truppen ein strahlendes Licht warf. Dank dem tadellosen Zusammenarbeiten
von Infanterie und Artillerie waren die Verluste verhältnismäßig
außerordentlich gering, die der Italiener, die hier ihre besten
Truppen, vor allem Alpini, stehen hatten, dagegen sehr hoch gewesen. Das
Artilleriefeuer hatte mit geradezu verblüffender Genauigkeit gearbeitet
und der braven Infanterie in bester Weise den Weg zum Siege geöffnet.
Ich habe persönlich das Angriffsgelände gesehen, so schwierig,
wie ich es weder in Serbien noch in Albanien angetroffen hatte, und die
Steilhänge bewundert, die die brave Infanterie in schwerem feindlichen
Feuer emporgeklettert ist, um die Italiener, die geradezu meisterhaft
eingebaut waren, von den Gipfeln zu vertreiben.
Durch schwere blutige Verluste, durch Zehntausende von Gefangenen erschüttert,
um 300 Geschütze, zumeist schweren Kalibers, geschwächt, stand
das italienische Heer den Österreichern und Ungarn nun im zweiten
großen Kampfabschnitt gegenüber. Diese dagegen glühten
von Kampfbegier, waren gehoben durch die glänzenden Erfolge, sturmbereit
und tapfer. Der Geist der Truppen ist es, der zum Siege führt, und
der konnte gar nicht besser sein.
|