Der Weltkrieg am 23. Juni 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

Von den Deutschen am 23. Juni 1916 gefangene Senegalesen vom frz. Kolonialregiment Nr. 57
Von den Deutschen am 23. Juni 1916 gefangene Senegalesen vom frz. Kolonialregiment Nr. 57

Der deutsche Heeresbericht:

Fortschreitender Angriff bei Luck

Französische Luftangriffe auf Karlsruhe, Müllheim und Trier

Großes Hauptquartier, 23. Juni.
Westlicher Kriegsschauplatz:

Östlich von Ypern wurde ein feindlicher Angriffsversuch vereitelt. 
Bei deutschen Patrouillenunternehmungen, so bei Lihons, Lassigny und bei dem Gehöfte Maisons de Champagne (nordwestlich von Massiges) wurden einige Dutzend Gefangene gemacht und mehrere Maschinengewehre erbeutet. 
Drei französische Angriffe gegen unsere westlich der Feste Vaux genommenen Gräben wurden abgewiesen. Wir haben hier am 21. Juni 24 Offiziere und 400 Mann gefangen genommen.
Gestern wurden Karlsruhe und Müllheim in Baden sowie Trier durch feindliche Flieger angegriffen. Wir haben eine Reihe von Opfern aus der bürgerlichen Bevölkerung zu beklagen; nennenswerter militärischer Schaden konnte in jenen Orten nicht angerichtet werden und ist nicht verursacht worden. Die Angreifer verloren vier Flugzeuge. Je eines mußte bei dem Rückfluge bei Nieder-Lauterbach und bei Lembach landen; unter den gefangenen Insassen befinden sich zwei Engländer. 
Die anderen beiden Flugzeuge wurden im Luftkampf erledigt. Dabei holte Leutnant Höhndorf den sechsten Gegner herunter. Außerdem wurden gestern feindliche Flieger in Gegend von Ypern, östlich von Hulluch (dieses als fünftes des Leutnants Mulzer), bei Lancon (südlich von Grandpre), bei Merxheim (östlich von Gebweiler), südwestlich von Sennheim abgeschossen, so daß unsere Gegner im ganzen neun Flugzeuge eingebüßt haben.
Unsere Fliegergeschwader haben die militärischen Anlagen von St. Pol, sowie feindliche Lager und Unterkünfte westlich und südlich von Verdun angegriffen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg: 
Bei einem kurzen Vorstoß bei Beresina (östlich von Bogdanow) fielen 45 Gefangene, 2 Maschinengewehre, 2 Revolverkanonen in unsere Hand.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern: 
Nordöstlich von Osaritschi gegen die Kanalstellung vorgehende schwächere feindliche Abteilungen wurden blutig abgewiesen.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen: 
Trotz mehrfacher feindlicher Gegenstöße blieben unsere Angriffe westlich und südwestlich von Luck im Fortschreiten. In der Front vorwärts der Linie Beresteczke-Brody wurden russische Vorstöße glatt abgeschlagen.
Von der Armee des Generals Grafen v. Bothmer nichts Neues.
Balkankriegsschauplatz: 
Keine wesentlichen Ereignisse.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Fliegerbombardement von Venedig

Wien, 23. Juni.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Im Czeremosz-Tale sind die Russen im Vorgehen auf Katy. Sonst in der Bukowina und in Ostgalizien keine Änderung der Lage. Gegen unsere Stellungen südöstlich und nördlich von Radziwillow führte der Feind gestern zahlreiche heftige Gegenangriffe. Er wurde überall abgewiesen. Die unter dem Befehl des Generals von Linsingen kämpfenden Streitkräfte drängten nordwestlich von Grochow und östlich von Lokaczy die Russen weiter zurück. Bei Lokaczy brachten unsere Truppen über 400 Gefangene und vier russische Maschinengewehre ein. 
Im Stochod-Styr-Abschnitt scheiterten mehrere starke Gegenangriffe des Feindes.
Italienischer Kriegsschauplatz: 
Gestern war das Artilleriefeuer im Nordabschnitte der Hochfläche von Doberdo stellenweise sehr lebhaft. Wiederholte feindliche Infanterieangriffe auf unsere Stellungen südöstlich des Mrzli Vrh wurden abgewiesen. 
Im Plöckenabschnitt begannen heute früh lebhafte Artilleriekämpfe. An der Dolomitenfront scheiterte ein neuerlicher Angriff der Italiener auf die Croda del Ancona. Das gleiche Schicksal hatten vereinzelte feindliche Vorstöße aus dem Raum von Primolano. 
Im Ortlergebiet besetzten unsere Truppen mehrere Hochgipfel an der Grenze.
Südöstlicher Kriegsschauplatz: 
An der unteren Vojusa Geplänkel. Lage unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Ereignisse zur See: 
Am 22. abends hat eine Gruppe von Seeflugzeugen feindliche Stellungen bei Monfalcone erfolgreich mit Bomben belegt. Am 23. früh hat ein Seeflugzeuggeschwader Venedig angegriffen. In den Forts Nicolo, Alberoni, in der Gasanstalt, besonders aber im Arsenal wurden mit schweren Bomben viele Treffer erzielt und starke Brände hervorgerufen. Die Flugzeuge wurden heftig, aber erfolglos beschossen und kehrten unversehrt zurück.

Flottenkommando. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 23. Juni. (W. B.) 
Bericht des Hauptquartiers: 

An der Irakfront ist die Lage unverändert. - Durch Angriffe unserer Truppen wurden die Russen, die sich im Engpasse von Paitak befanden, aus diesem in östlicher Richtung auf Kerend zurückgeworfen. Der Engpaß von Paitak liegt 80 Kilometer östlich von Kasr Schirin in einer bergigen Gegend. Wir haben festgestellt, daß in dem Treffen am 18. Juni, das nördlich Kerend zwischen persischen Kriegern und russischen Reitern stattfand, diese in Unordnung zurückgeworfen wurden - An der Kaukasusfront kein wichtiges Ereignis. - Im Zentrum schossen wir ein feindliches Flugzeug ab. Ein feindliches Kriegsschiff warf auf der
Höhe von Tenedos einige Geschosse auf die benachbarte Küste und zog sich darauf zurück. Ein anderes Kriegsschiff, das bei Phocaea und der Insel Keusten vorgehen wollte, suchte in der Richtung aus Mytilene die hohe See auf. - Von den anderen Fronten ist nichts Wichtiges zu melden.
2)

 

Ein deutsches Tauchboot in Cartagena

Bern, 23. Juni (W. B.) 
Laut Mailänder Blätter-Meldungen hatte das deutsche Unterseeboot "U 35", das am Mittwoch morgen im Hafen von Cartagena eintraf, 30 Mann Besatzung an Bord. Das Unterseeboot begrüßte die Stadt mit 21 Kanonenschüssen. Der spanische Panzerkreuzer "Cataluna" und die Küstenbatterien antworteten. Der Kommandant des Tauchbootes besuchte den Bürgermeister, den militärischen Gouverneur, den Kommandanten des Zeughauses, den Hafenkommandanten und die anderen Behörden und lud die Offiziere der Garnison und des Hafens zur Besichtigung des Unterseebootes ein. Am Nachmittag ging von Madrid ein Sonderzug mit dem Sekretär der deutschen Botschaft, vielen Mitgliedern der deutschen Kolonie und deren Damen nach Cartagena ab. Seit Dienstag kreuzten französische und englische Torpedoboote vor der Zone der Territorialgewässer und suchten nachts den Horizont mit Scheinwerfern ab, um das Unterseeboot abzufangen, das Donnerstag früh den Hafen verließ. Dem Anschein nach konnte es den Sperrgürtel der feindlichen Torpedoboote durchbrechen.
2)

 

Die Geheimsitzung der französischen Kammer

Paris, 23 Juni. (Priv.-Tel.) 
Die geheime Sitzung der französischen Kammer, die mehrere Tage in Anspruch nahm, ist gestern abend spät zu Ende gegangen. Vorher wurden schwierige Verhandlungen geführt, da die Regierung die von den Parteivorständen entworfene Tagesordnung nicht annehmen wollte Die Parteivorstände arbeiteten sodann eine neue Tagesordnung aus, die schließlich von der Regierung genehmigt wurde In der Kammer wurde sie darauf in öffentlicher Sitzung mit 440 gegen 80 Stimmen angenommen. Sie lautet: "Die Kammer erklärt sich als Ausdruck der nationalen Souveränität entschlossen, gemäß ihrer Pflicht fortzufahren, in enger Zusammenarbeit mit der Regierung der nationalen Verteidigung einen immer stärkeren Impuls zu geben. Sie wird sich strikte von jeder Intervention bei der Festsetzung der Leitung und der Ausführung der militärischen Operationen fernhalten. Sie wird darüber wachen, daß in Hinsicht auf diese Operationen die Vorbereitung der industriellen und militärischen Verteidigungswerke mit einer Sorgfalt, Tatkraft und Voraussicht geführt wird, die dem Heldenmut der Soldaten der Republik entsprechen. Mit der Festsetzung, daß die geheime Sitzung der Kammer erlaubte, sich wirksam über die Führung des Krieges aufzuklären, reserviert sie sich das Recht, wenn möglich wieder eine solche Geheimsitzung abzuhalten. Sie beschließt eine direkte Delegation einzusetzen und zu organisieren, die unter Beihilfe der Regierung eine direkte effektive Kontrolle an Ort und Stelle über alle die Dienstzweige ausüben wird, die die Vorsorge für die Bedürfnisse der Armee zur Aufgabe haben. Sie nimmt von den Änderungen, die bereits gemacht wurden, und von den Verpflichtungen, die die Regierung übernommen hat, Kenntnis. Sie schenkt der Regierung Vertrauen, daß sie unter Beihilfe der gemachten Erfahrungen fortfährt, ihre Autorität über alle Organe der nationalen Verteidigung auszuüben, und daß sie alle ihre Energie aufwendet, die Führung des Krieges zu befestigen. Die Kammer stellt mit Befriedigung die erzielten Resultate fest, die die Franzosen und ihre Alliierten dank dem engeren Zusammenwirken aller ihrer Anstrengungen davongetragen haben. Sie begrüßt mit Rührung den bewundernswerten Mut der Armee und der Flotte der Republik und proklamiert, daß sie ein noch erhöhtes Vertrauen in den Sieg des Rechtes und der Freiheit der Völker hat." 
Aus dem Wortlaut geht hervor, daß die Mehrheit der Kammer das Vertrauen in die Regierung an zwei demütigende Bedingungen geknüpft hat; die Kammer hat beschlossen, für die Überwachung der Kriegsvorbereitung einen ständigen Ausschuß einzusetzen, und die Regierung hat diese bisher von ihrer Presse sehr entschieden abgelehnten "Delegierten bei der Armee" annehmen müssen; die Kammer hat sich ferner auch vorbehalten, die Regierung in einer neuen Geheimsitzung zur Rede zu stellen, sobald sie es für notwendig halten wird.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Juni 1916

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TEXTQUELLEN:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen
Nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus
4. Band
Nationaler Verlag, Berlin SW 68
(1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1916)

 

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