Die
Note der Alliierten an Griechenland
Paris,
24. Juni. (Priv.-Tel.)
Havas meldet aus Athen:
Die der griechischen Regierung durch die Gesandten der drei Schutzmächte
überreichte Note hat folgenden Wortlaut:
"Auf Weisung ihrer Regierungen haben die unterzeichneten
Gesandten Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands, die die
Garantiemächte Griechenlands vertreten, die Ehre, der griechischen
Regierung folgende Erklärung zu machen, die zur Kenntnis des
griechischen Volkes zu bringen sie ebenfalls Weisung erhalten haben.
Wie sie bereits feierlich und schriftlich erklärt haben, verlangen
die drei Garantiemächte Griechenlands von ihm nicht, daß es aus
seiner Neutralität heraustrete. Sie geben dafür einen glänzenden
Beweis, indem sie in erster Reihe das Verlangen der gesamten
Demobilisation der griechischen Armee stellen, um dem griechischen
Volke die Ruhe und den Frieden zu sichern. Aber sie haben zahlreiche
und berechtigte Gründe des Verdachtes gegen die griechische
Regierung, deren Haltung ihnen gegenüber nicht ihren wiederholten
Verpflichtungen, oder auch nur den Prinzipien der loyalen Neutralität
entspricht. So hat sie so häufig das Tun gewisser Ausländer begünstigt,
die oft daran gearbeitet haben, die öffentliche Meinung des
griechischen Volkes irrezuführen, indem sie das Vertrauen des
Landes täuschten und auf dem griechischen Gebiet feindliche
Organisationen schufen, die der Neutralität des Landes
zuwiderlaufen und darauf gerichtet waren, die Sicherheit der
Streitkräfte der Alliierten zu Lande und zur See zu gefährden Das
Eindringen bulgarischer Streitkräfte in Griechenland und die
Besetzung des Forts Rupel sowie anderer strategischer Punkte mit dem
heimlichen Einverständnis des griechischen Kabinetts bildet für
die Alliierten eine neue Drohung, die den drei Mächten die Verpflichtung
auferlegt, Garantien und sofortige Maßnahmen zu verlangen.
Andererseits wurde die griechische Verfassung unbeachtet gelassen,
die freie Ausübung des Wahlrechts verhindert. Die Kammer wurde in
weniger als einem Jahr zum zweiten Male aufgelöst gegen den klar
zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes, und die Wähler wurden
mitten in der Mobilisation zusammengerufen, sodaß die gegenwärtige
Kammer nur einen schwachen Teil des Wahlkollegiums darstellt. Das
ganze Land wurde einem Regime der polizeilichen Unterdrückung und
Tyrannei unterworfen und unbekümmert um die berechtigten
Einwendungen der Garantiemächte seinem Ruin entgegengeführt. Diese
haben nicht nur das Recht, sondern auch die gebieterische Pflicht,
gegen derartige Verletzungen der Freiheiten zu protestieren.
Die feindliche Haltung der griechischen Regierung gegenüber den Mächten,
die Griechenland vom fremden Joche befreit und seine Unabhängigkeit
gesichert haben, und die offenbare Verbindung des gegenwärtigen
Kabinetts mit ihrem Feinde sind für sie ebenfalls starke Gründe
dafür, mit Festigkeit zu handeln, indem sie sich aus die Rechte stützen,
die sie in den Verträgen besitzen und die sie für den Schutz des
griechischen Volkes jedesmal bekundet haben, wenn es in der Ausübung
seiner Rechte und dem Genusse seiner Freiheiten bedroht wurde.
Infolgedessen sehen sich die Garantiemächte Griechenlands in die
Notwendigkeit versetzt, die sofortige Anwendung folgender Maßnahmen
zu verlangen:
Tatsächliche und vollständige Demobilisation der griechischen
Armee, die in kürzester Frist auf den Friedensstand gesetzt werden
muß; 2. die sofortige Ersetzung des gegenwärtigen Ministeriums
durch ein Geschäftskabinett ohne politische Färbung, das alle
erforderliche Gewähr bietet für die loyale Anwendung der
wohlwollenden Neutralität, die Griechenland sich verpflichtet hat,
gegenüber den alliierten Mächten zu beobachten, sowie für die
Aufrichtigkeit einer neuen Befragung des Volkes; 3. sofortige Auslösung
der Deputiertenkammer und Anberaumung von Neuwahlen, sogleich nach
Ablauf der von der Verfassung vorgesehenen Frist und nachdem die
allgemeine Demobilisierung die Wählerschaft wieder in normale Verhältnisse
gebracht hat. 4. Ersetzung (im Einvernehmen mit den drei Mächten)
gewisser Polizeibeamter, deren durch Weisungen aus dem Auslande
geleitete Haltung die Attentate, die gegen friedliche Bürger
begangen wurden, sowie die den Gesandtschaften der Alliierten und
ihren Angehörigen zugefügten Beleidigungen erleichtert hat.
Stets beseelt von der wohlwollendsten und freundschaftlichsten
Gesinnung gegenüber Griechenland, aber gleichzeitig entschlossen,
ohne Diskussion oder Verzug die Anwendung dieser unerläßlichen Maßnahmen
zu erlangen, können die Garantiemächte nur der griechischen
Regierung die volle Verantwortung für die Ereignisse überlassen,
die eintreten würden, wenn ihre gerechten Forderungen nicht unverzüglich
angenommen werden. 2)
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