Zum
Fliegerangriff auf Karlsruhe
Berlin,
3. Juli. (W. B.)
Ein französischer Funkspruch vom 28. Juni nachmittags 5 Uhr
meldet: "Die französischen Repressalien gegen die Beschießung
offener Städte. Ein deutsches Radiotelegramm meldet die
schreckliche Wirkung des von unseren Fliegern am 22. Juni ausgeführten
Bombardements auf die Stadt Karlsruhe. 257 Personen wurden getötet
oder verwundet. Das Radiotelegramm brandmarkt das Verbrecherische
dieses Bombardements einer feindlichen offenen Stadt ohne jeden
militärischen Zweck. Es muß daran erinnert werden, daß das
Bombardement von Karlsruhe, wie es in dem amtlichen französischen
Bericht vom 22. Juni abends hieß, als Vergeltung für die deutschen
Bombardements der offenen Städte Bar-le-Duc und Lunéville
anbefohlen worden war, die ebenfalls zahlreichen Opfern -
Nichtkombattanten - das Leben kosteten. Wir sind entschlossen, einen
Feind zu züchtigen, der keines der Kriegsgesetze respektiert. Wir
trafen die Entscheidung nachdem die Zahl der von ihm begangenen
Attentate jedes Maß überstieg. Vom 3. Februar bis zum 19. Mai, während
welcher Zeit wir keine Stadt hinter der feindlichen Front
bombardierten, bombardierten die Deutschen Béthune sechsmal, Amiens
sechsmal, Hazebrouk dreimal, Bar-le-Duc zweimal, Epernay viermal,
Fismes dreimal, St. Dié dreizehnmal durch weittragende Geschütze
und Flieger Gérardmer fünfmal, Lunéville neunmal, Baccarat fünfmal
und Raon l´Etape fünfmal usw usw. Wir wollen den Deutschen die
Freude nicht gönnen, die Zahl ihrer Opfer kennen zu lernen. Aber
wir sind der Ansicht, daß unsere lange Enthaltung genügte um der
Welt zu zeigen, wie weit unsere Geduld geht und unser Bestreben, der
friedlichen Bevölkerung die Kriegsschrecken zu ersparen. Von
unseren Gegnern gezwungen, über das Maß hinauszugehen, sind wir für
die Zukunft entschlossen, unsere Haltung nach der ihrigen zu
richten." Die französische Oberste Heeresleitung vergaß aber
darauf aufmerksam zu machen, welch´ großer Unterschied zwischen
der Beschießung der französischen Städte, die samt und sonders
unmittelbar hinter der Front oder im Operationsgebiet liegen, durch
uns und der Beschießung von Karlsruhe ist, welches weitab vom
Kriegsschauplatz auf der anderen Rheinseite gelegen ist. Auch erwähnt
sie nicht, daß die Franzosen seit langer Zeit völlig regel- und
planmäßig die französischen Städte im deutschen
Okkupationsgebiet mit Bomben angreifen. Wie aus inzwischen in
Deutschland eingegangenen französischen Zeitungen klar zu ersehen
ist, gestattete die französische Pressezensur weder den Abdruck des
oben angeführten Funkspruchs noch eine eingehendere Besprechung des
Fliegerangriffs auf Karlsruhe im eigenen Lande. Der Grund hierfür
liegt auf der Hand. Die hohe Anzahl der Toten, die dem nicht zu
rechtfertigenden Angriff auf die außerhalb des Kriegsgebietes
liegende unbefestigte Stadt Karlsruhe zum Opfer fielen, würde
zweifellos auch auf den rechtlich denkenden Teil des französischen
Volkes einen tiefen Eindruck gemacht haben, der vermieden werden muß.
Dem Ausland gegenüber aber soll die Untat durch den eingangs erwähnten
Funkspruch entschuldigt werden. 2)
|