Der
Kaiser über die Verteidigungsschlachten im Westen
Berlin,
23. Dezember.
An die 2. Armee hat der Kaiser am 22. Dezember folgende
Ansprache gerichtet:
"Kameraden!
Das Jahr 1917 neigt sich seinem Ende zu, und da war es mir ein
Bedürfnis, wieder einmal die Westfront und ihre heldenhaften
Kämpfer zu besuchen.
Ein ereignisvolles Jahr ist es für das deutsche Heer und das
deutsche Vaterland gewesen. Gewaltige Schläge sind gefallen, und
große Entscheidungen haben Eure Kameraden im Osten herbeiführen
können. Es ist aber kein Mann, kein Offizier und kein Führer auf
der ganzen Ostfront, wo ich sie auch gesprochen habe, der nicht
rückhaltlos erklärte: Wenn unsere Kameraden im Westen nicht
standgehalten hätten, könnten wir das hier nicht tun.
Der taktische und strategische Zusammenhang zwischen den Schlachten
an der Aisne, in der Champagne, im Artois, in Flandern und bei
Cambrai und den Vorgängen im Osten und in Italien ist so klar, daß
es sich erübrigt, ein Wort darüber zu verlieren. Einheitlich
geführt, schlägt das deutsche Heer auch einheitlich.
Um diese Offensivschläge führen zu können, mußte ein Teil des
Heeres in der Defensive verharren, so hart es auch einen deutschen
Soldaten ankommt. Eine solche Verteidigungsschlacht, wie sie im
Jahre 1917 geführt worden ist, sucht aber ihresgleichen. Ein
Bruchteil des deutschen Heeres hat die schwere Ausgabe auf sich
genommen, seinen Kameraden im Osten den Rücken unbedingt zu decken
und freizuhalten, und hat das gesamte englische und französische
Heer gegen sich gehabt.
Große Vorbereitungszeit, unerhörte Mittel der Technik und Massen
an Munition und Geschützen hat der Gegner zusammengetragen, um
über Eure Front hinweg den so stolz von ihm verkündeten Einzug in
Brüssel halten zu können. Nichts hat der Feind erreicht.
Das Gewaltigste, das je von einem Heer geleistet worden ist, und was
in der Kriegsgeschichte noch nicht dagewesen ist, das hat das
deutsche Heer vollbracht. Das ist kein überhebendes Lob, das ist
Tatsache, weiter nichts!
Dieses gewaltige Werk haben auch die Truppenteile durchgeführt,
deren Abordnungen heute vor mir stehen. Der Dank, den ich Ihnen
ausspreche, gebührt aber nicht allein ihnen, sondern auch denen,
die ich hier nicht sehen kann, denen, die im Lazarett liegen, und
denen, die der grüne Rasen deckt.
Ich schließe an den Dank des Feldmarschalls Hindenburg, der mich
besonders gebeten hat, den Kämpfern im Westen seinen Dank
auszusprechen, da er sein Vertrauen auf ihr Durchhalten bestätigt
gesehen hat, und es ihm ermöglicht wurde, die großen strategischen
Folgen daraus zu ziehen.
Bei jeder neuen Nachricht ist mir immer wieder von Eingeweihten und
Uneingeweihten, von jedem Menschen das Wort gesprochen worden: Wie
ist es gemacht worden? Diese Bewunderung soll Euch ein Lohn und zu
gleicher Zeit eine Freude sein. Weder noch so Großes, noch so
überwältigendes vermag das, was Ihr geleistet habt, irgendwie in
den Schatten zu stellen oder zu übertreffen.
Es hat das Jahr 1917 mit seinen großen Schlachten gezeigt, daß das
deutsche Volk einen unbedingt sicheren Verbündeten in dem Herrn der
Heerscharen dort oben hat. Auf den kann es sich bombenfest
verlassen, ohne ihn wäre es nicht gegangen.
Jeder von Euch mußte seine Kräfte bis zum äußersten hergeben,
ich weiß, daß jeder einzelne in dem unerhörten Trommelfeuer
übermenschliches geleistet hat. Es mag oft ein Gefühl dagewesen
sein: Wäre doch noch etwas hinter uns, wäre doch Ablösung da. Sie
ist gekommen! Der Schlag im Osten hat dazu geführt, daß dort
augenblicklich die Kriegsstürme schweigen, vielleicht, so Gott
will, für immer.
Schon gestern habe ich in der Umgebung von Verdun Eure Kameraden
gesprochen und gesehen, und da war es wie eine Witterung von
Morgenluft, die durch die Gemüter ging.
Ihr habt nicht mehr das Gefühl, allein zu sein.
Auf das ganze Vaterland und bis hinüber zum Feinde wirkt der große
Erfolg der Siege der letzten Zeit, der Großkampftage in Flandern
und von Cambrai, wo der erste vernichtende Offensivstoß den
übermütigen Briten traf, der ihm zeigte, daß noch der alte
Offensivgeist in unseren Truppen steckt trotz dreijähriger
Kriegsleiden. Was noch vor uns steht, wissen wir nicht, wie aber in
diesen letzten vier Jahren Gottes Hand sichtbar regiert hat, Verrat
bestraft und tapferes Ausharren belohnt, das habt Ihr alle gesehen,
und daraus können wir die feste Zuversicht schöpfen, daß auch
fernerhin der Herr der Heerscharen mit uns ist. Will der Feind den
Frieden nicht, dann müssen wir der Welt den Frieden bringen
dadurch, daß wir mit eiserner Faust und mit blitzendem Schwerte die
Pforten einschlagen bei denen, die den Frieden nicht wollen." 1) |