Der Weltkrieg am 9. November 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Zurückverlegung der Linien zwischen Schelde und Oise

Großes Hauptquartier, 9. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Der auf dem Westufer der Schelde gelegene Teil von Tournai wurde von uns geräumt und vom Engländer besetzt. Zwischen der Schelde und Oise und westlich der Maas haben wir unsere Linien plangemäß zurückverlegt. An einzelnen Stellen haben sich hierbei Nachhutkämpfe entwickelt. Der Feind hat in diesen Abschnitten die Linie Peruwelz - westlich von St. Ghislain - westlich von Maubeuge östlich und südöstlich von Avesnes erreicht und ist westlich der Maas bis in die Linie Liart-Warby und an die Maas westlich von Sedan gefolgt. Auf den östlichen Maashöhen fanden Teilkämpfe statt.

Der Erste Generalquartiermeister
    Gröner.
1)

 

Ruhe an der Westfront

Berlin, 9. November, abends.
An der Westfront ruhiger Tag.

 

Die Überbringung der Waffenstillstandsbedingungen verzögert

Berlin, 9. November. (Amtlich.)
Der mit der Überbringung der Waffenstillstandsbedingungen beauftragte Kurier funkte heute nacht durch Eiffelturm, daß er die Linien nicht passieren könne, da die Deutschen das Feuer noch nicht eingestellt hätten. Zu dieser Annahme wurde er anscheinend durch den Umstand veranlaßt, daß auf deutscher Seite ein Munitionsdepot in Brand geraten war und mit fortgesetzten Detonationen in die Luft flog. Der Kurier wurde durch Funkspruch hierüber aufgeklärt und erhielt die Weisung, die Linien sofort zu überschreiten.
Das Eintreffen der Waffenstillstandsbedingungen in Berlin kann stündlich erwartet werden.

 

Abdankung des Kaisers -
Eine Bekanntmachung des Reichskanzlers Prinzen Max von Baden

Berlin, 9. November. (Amtlich.)
Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzicht des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfes wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassunggebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen.

Der Reichskanzler:
Max, Prinz von Baden.

 

 

Die Revolution in Berlin

Bildung des Arbeiter- und Soldatenrats – Austritt der Sozialdemokraten aus der Regierung – Verkündung des Generalstreiks

Berlin, 9. November.
In der heutigen sozialdemokratischen Fraktionssitzung, an der auch die Delegierten der Vertreter der großen Betriebe teilnahmen, herrschte Übereinstimmung darüber, daß man nicht länger warten könne. Die Arbeiterschaft dränge auf eine Lösung, die gründlich, reglos ruhig und ohne Blutvergießen erfolgen müsse. Von verschiedenen Seiten wurde der Wunsch nach Verständigung mit den Unabhängigen betont, es soll ein gemeinsamer Ausschuß gebildet werden. Die Vertreter der Betriebe teilten mit, daß in einzelnen Werken die Arbeit schon niedergelegt sei. Einmütig wurde darauf der Austritt der Sozialdemokraten aus der Regierung beschlossen. Ebert, Braun, Wels und Eugen Ernst wurden dazu bestimmt, mit zwölf Vertrauensleuten der Fabriken einen engeren Ausschuß zu bilden, der sich gegebenenfalls mit einem von anderer Seite zu bildenden Arbeiter- und Soldatenrat verständigen sollte.
Unmittelbar danach trat der große Ausschuß der Vertrauensleute der Partei in den Betrieben zusammen und beschloß den allgemeinen Ausstand.
Die sozialdemokratische Partei hat mit den Fabrikvertrauensleuten einen engeren Ausschuß eingesetzt, der mit der Regierung über die Übernahme der Geschäfte verhandeln soll. Es gehören ihm an Ebert, Scheidemann, Braun, Wuschick und Hölder. Mit den Unabhängigen war eine Verständigung nicht möglich, da sie keinen bestimmten Standpunkt einzunehmen vermochten. Nachdem sich Jägerbataillone schon am Morgen der Bewegung zur Verfügung gestellt hatten, sprach mittags Reichstagsabgeordneter Wels in der Kaserne der Gardejäger und des Alexanderregiments. Die Regimenter beschlossen den Übergang zur Republik, und die versammelte Mannschaft stimmte in ein Hoch ein auf den freien deutschen Volksstaat. Die Wilhelmshavener Matrosen schicken eine Abordnung im Luftschiff nach Berlin. Der Flugplatz Johannisthal ist von den Arbeitern besetzt, damit das Luftschiff ohne Schwierigkeiten landen kann. 3000 Kieler Matrosen sind in Anmarsch. Da die Schienen teilweise aufgerissen sind, werden sie zu Fuß erst gegen 3 Uhr in Berlin eintreffen. Ein sozialdemokratischer Abgeordneter ist ihnen entgegengefahren, um sich an ihre Spitze zu stellen. (Berliner Zeitung)

 

Der Erfolg der Revolution -
Ebert übernimmt das Reichskanzleramt

Friedrich Ebert (SPD)
Friedrich Ebert

Berlin, 9. November.
Der neue Reichskanzler Ebert macht in folgendem Flugblatt der Bevölkerung von seinem Amtsantritt Mitteilung: "Der bisherige Reichskanzler Prinz Max von Baden hat mir unter Zustimmung der sämtlichen Staatssekretäre die Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskanzlers übertragen. Ich bin im Begriff, die neue Regierung im Einvernehmen mit den Parteien zu bilden, und werde über das Ergebnis der Öffentlichkeit in Kürze berichten. Die neue Regierung wird eine Volksregierung sein. Ihr Bestreben wird sein müssen, dem deutschen Volke den Frieden schnellstens zu bringen und die Freiheit, die es errungen hat, zu befestigen. Mitbürger. Ich bitte Euch alle um Eure Unterstützung bei der schweren Arbeit, die unser harrt. Ihr wißt, wie schwer der Krieg die Ernährung des Volkes, die erste Voraussetzung des politischen Lebens, bedroht.
Die politische Umwälzung darf die Ernährung der Bevölkerung nicht stören. Es muß die erste Pflicht aller in Stadt und Land bleiben, die Produktion von Nahrungsmitteln und ihre Zufuhr in die Städte nicht zu hindern, sondern zu fördern. Nahrungsmittelnot bedeutet Plünderungen und Raub mit Elend für alle. Die Ärmsten würden am schwersten leiden, die Industriearbeiter am bittersten betroffen werden. Wer sich an Nahrungsmitteln oder sonstigen Bedarfsgegenständen oder an den für ihre Verteilung benötigten Verkehrsmitteln vergreift, versündigt sich aufs schwerste an der Gesamtheit.
Mitbürger! Ich bitte Euch alle dringend: Verlaßt die Straßen. Sorgt für Ruhe und Ordnung.

Der Reichskanzler.
gez. Ebert."

 

Abreise des Prinzen Max von Baden aus Berlin

Berlin, 9. November.
Der bisherige Reichskanzler, Prinz Max von Baden hat gestern Berlin verlassen.

 

Neue Verzögerung in der Übermittlung der Waffenstillstandsbedingungen

Berlin, 9. November. (Amtlich.)
Der Kurier, der die Waffenstillstandsbedingungen aus dem Hauptquartier des Marschalls Foch in das deutsche Hauptquartier befördern sollte, hat seinen Bestimmungsort bisher noch nicht erreicht. Über die Gründe seines Ausbleibens, das anscheinend aus einen Unglücksfall zurückzuführen ist, besteht noch keine Klarheit. Von deutscher Seite ist daher durch Funkspruch bei unserer Delegation im feindlichen Hauptquartier Ausklärung erbeten worden. Marschall Foch wird die Bedingungen nach einem inzwischen eingetroffenen Funkspruch durch einen französischen Flieger in das deutsche Hauptquartier senden.

 

Wahl der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin

Berlin, 9. November.
Die bereits gewählten Arbeiter- und Soldatenräte hielten heute abend 10 Uhr im großen Sitzungssaale des Reichstages eine Sitzung ab und beschlossen folgendes: Sämtliche Arbeiter und Arbeiterinnen versammeln sich am Sonntag, 10. November, vormittags 10 Uhr in den Fabriken und wählen Arbeiterräte. Frauen sind wählbar. Sämtliche Soldaten versammeln sich gleichfalls in den Kasernen bezw. Lazaretten vormittags 10 Uhr. Auf ein Bataillon bezw. eine Formation entfällt ein Soldatenrat. Auf 1000 Arbeiter und Arbeiterinnen entfällt ein Arbeiterrat. Kleinere Betriebe vereinigen sich zur Wahl eines Arbeiterrats. Nachmittags 5 Uhr versammeln sich die gewählten Arbeiter- und Soldatenräte im Zirkus Busch und wählen die provisorische Regierung.

 

Der 1. Weltkrieg im November 1918

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 8
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

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