Serbische
Kriegsgefangene
Bericht
aus dem deutschen Großen Hauptquartier
I. In
siegreich fortschreitender Offensive zog das deutsch-österreichische
Heer zwischen Lukavica und Mlava in das Innere Serbiens, als die bulgarische
Armee in heftigem Kampf an den Ufern des Timok rang. Zu jener Zeit hatte
man wohl im serbischen Hauptquartier den schwerwiegenden Entschluß
gefaßt, auf eine Gegenoffensive zu verzichten, die, selbst wenn
sie glückte, nur einen Teilerfolg mit sich bringen konnte, dafür
aber die Gefahr in sich barg, von allen rückwärtigen Verbindungen
abgeschnitten zu werden. Unter möglichster Schonung der eigenen Kräfte
wollte man nur notgedrungen und Schritt für Schritt den heimischen
Boden ausgeben und dem Feind nach Möglichkeit Abbruch tun. Das Land
und seine Bewohner sollten dabei helfend zur Seite stehen. Die verbündete
Entente würde im Laufe der Zeit sicherlich nicht ausbleiben, mit
ihr vereint mußte es dann glücken, des fremden Eindringlings
Herr zu werden. So mochten damals die Hoffnungen bei der serbischen Heeresleitung
sein, und alle Gefangenenaussagen, aufgefangenen Befehle und alle Erfahrungen
bestätigten diese Vermutung. |
II. Je
mehr unsere Truppen in das Herz Serbiens drangen, um so ungangbarer wurde
die Wege, um so größer die Entbehrungen. Konnte man im Tale
der Morava noch von mangelhaften Straßen im europäischen Sinne
sprechen, weiter östlich und westlich fehlte jeder Begriff für
die Wege, die der Truppe zum Vormarsch zugemutet werden mußten.
Auf lehmige, zum Teil tief eingeschnittene Pfade, die eines jeden Unterbaues
entbehrten, war man mit seinem ganzen Troß angewiesen. Strecken,
deren Zurücklegen in der Ebene wenige Stunden erforderte, mußten
im tagelangen, mühevollen Marsch durchdrungen werden. An regelmäßigen
Nachschub war nicht mehr zu denken. Was nach vorne gekarrt werden konnte,
war Munition. Eisen ging vor Verpflegung. Zum Teil mit zehn Pferden bespannt,
unter Beihilfe ganzer Kompanien wurden die Geschütze einzeln in Stellung
gebracht. Manches brave Tier, das noch vor kurzem die Straßen des
Westens oder Ostens geschmückt hatte, sank hier im Lehm und Schlamm
erschöpft zusammen. Pferdefutter gab es von rückwärts schon
lange nicht mehr; man konnte froh sein, den Menschen das Nötige zuführen
zu können. Hin und wieder sorgte das Land für die Ernährung
der Truppe. Obwohl die serbische Regierung den Abtransport des reichlichen
Viehbestandes in das Innere des Landes organisiert hatte, gab es doch
Gegenden, in denen noch mancher Vierfüßler in die Feldküche
wandern konnte, zum Teil trieb der starke Schnee, der auf den Bergen fiel,
das Vieh unseren Feldgrauen in die Arme. Ohne zu murren gaben auch die
Einwohner ihr Letztes dem Sieger, um ihn selbst dann flehentlich zu bitten,
sie vor Hunger zu bewahren. Die vermutete Heimtücke des serbischen
Volkes war zur Mythe geworden, wohl hatten vereinzelt Einwohner versucht,
einen Hinterhalt zu bereiten; sie haben ihr Verbrechen gebüßt.
Im allgemeinen ertrugen die Zurückgebliebenen das über sie verhängte
Schicksal mit Würde. Wer als Serbe, Soldat oder Nichtsoldat, im ehrlichen
Kampfe in die Hände des Siegers geriet, wurde behandelt, wie es sich
dem gegenüber geziemt, der für sein Vaterland dem Tod ins Auge
sieht. Am 1. November 4 Uhr 30 Minuten vormittags wurde durch einen Parlamentär
einem Zuge der 7. Kompanie eines deutschen Reserveinfanterieregiments
beim Petrovackawirtshaus die Stadt Kragujevac feierlich übergeben.
Die Gemeindevertretung hatte sich am 27. Oktober einstimmig aus eigenem
Antrieb entschlossen, die Tore der Stadt ohne Widerstand den verbündeten
Truppen zu öffnen, vertrauend auf die Menschenliebe der Sieger und
um das Leben vieler Tausende von Kindern, Frauen und Greisen vor den Kriegsgreueln
zu retten. Hin und wieder kam es zu kurzen Zusammenstößen mit
zurückgebliebenen plündernden Komitatschis, sonst verhielt sich
die Stadt ruhig, durch die noch im Laufe desselben Morgens die Massen
der Infanterie gegen die die Stadt überragenden, vom Feinde besetzten
Höhen vorging. Auch hier zog der Serbe, ohne erheblichen Widerstand
zu leisten, ab. Dagegen bedurfte es äußerst heftiger Kämpfe,
um den Feind aus seinen gut ausgebauten Stellungen auf den Höhen
von Bagrdan zu werfen. Mit dem Vorrücken der Verbündeten beiderseits
Kragujevac war auch ein längeres Halten für die Serben am Timok
unmöglich geworden. Die gut ausgebauten Befestigungen von Knjazevac
und Zajecar, vor denen sich der reißende Fluß hinzog, hatten
den tapferen Bulgaren an dieser Stelle den Eintritt in serbisches Gebiet
verwehrt. Jetzt im Rücken bedroht, mußten die Serben dem immer
wieder anstürmenden feindlichen Nachbar das Feld räumen. In
der dem Sohn der Berge eigenen Gewandtheit strebten sie durch das unwirtliche
Hochland ihren Kameraden zu, die sich dem westlichen Moravatal näherten.
Noch war die Macht des Feindes nicht gebrochen, noch war von Auflösung
nichts zu merken. Wohl brachte jeder Tag allerorten Gefangene, die vor
Hunger und erschöpft die eigene Sache für verloren erklärten,
das Gros der serbischen Armee aber war noch in der Hand ihrer Führer,
mit ihm konnte ein Durchbruch vielleicht über Pristina, Skoplje,
gedeckt durch eine schützende Wand an der östlichen Morava,
Aussicht auf Erfolg haben. Mußte dann eine Armee, die immerhin noch
über 100000 Mann und den größten Teil ihrer Geschütze
verfügte, den Kampf aufgeben, zumal einstweilen nur schwache bulgarische
Kräfte den Weg zum Bundesgenossen verlegen konnten? Um so mehr kam
es für die drei verbündeten Armeen, die sich jetzt bei Paracin
die Hand gereicht hatten, darauf an, im rücksichtslosen Fortschreiten
zu bleiben. Durch den Anschluß der Bulgaren an den linken Flügel
der Deutschen war auch der unmittelbare Einfluß des Feldmarschalls
über die ihm unterstehen Heereskörper sichergestellt. Während
früher zur Armee des Generals Bojadjew der durch Witterungseinfluß
oft behinderte Funke die Anweisungen übermittelte oder unsere kühnen
Flieger im Kampf mit den unberechenbaren Windströmungen jener Gebirgstäler
für den Nachrichtenaustausch Sorge trugen, war jetzt der Verkehr
von Truppe zu Truppe möglich. Schulter an Schulter, in einer zusammenhängenden
Linie von der Grenze Montenegros bis zum Timok, schoben die drei Armeen
den Feind vor sich nach Süden her. Der König der Schwarzen Berge
schien sich nicht auf Abenteuer einlassen zu wollen. An der westlichen
Morava kam es zu erbitterten Kämpfen. Die nördlich und südlich
das breite Flußtal krönenden Höhen können von heldenmütigen
Opfern reden, die Deutsche und Österreicher in treuer Waffenbrüderschaft
gebracht haben, unvergeßlich bleibt jener siegreiche Kampf eines
Bataillons gegen eine zwölffache Überlegenheit an dem Wege Kragujevac-Kraljevo.
Vier Geschütze, 1300 Gewehre und der Abzug der Serben war der wohlverdiente
Lohn. Eng verknüpft sind die Orte Cacak und der Übergang bei
Trstenik mit den tapfer geführten österreichisch-ungarischen
Waffen. Die Geschichte der einzelnen Truppenteile wird später einmal
Zeugnis von dem ablegen, was hier an Mut und Heldentum vollbracht worden
ist. |
III. An
ein Operieren, an ein Verschieben der Truppenkörper war nach dem
Fall von Krusevac und Kraljevo für die serbische Führung nicht
mehr zu denken, der Feind schrieb die Rückzugsrichtung vor. In den
Kopaonik, den unwirtlichsten Teil Serbiens, flutete das feindliche Heer
in südlicher und südwestlicher Richtung zurück. Es galt
zu retten, was zu retten war. Schon machte sich der seitliche Druck der
von der östlichen Morava unaufhaltsam nachdrängenden Bulgaren
verhängnisvoll bemerkbar. Eine Katastrophe drohte. Da stürzten
sich westlich Leskovac vier serbische Divisionen unter persönlicher
Führung ihres Königs auf den verhaßten Verfolger und schüttelten
ihn wieder für eine Weile ab. Am 13. November meldeten Flieger den
Abmarsch einer zehn Kilometer langen Infanteriekolonne auf Kursumlija.
Der Feind hatte sich der Umfaffung entzogen. |
Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918
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