Die Kämpfe bei Les Eparges 

 

Aus dem Großen Hauptquartier wird über die Kämpfe bei Les Eparges berichtet:

Nachdem es uns Ende April und in den ersten Tagen des Mai gelungen war, auch unsere Stellungen auf den Maashöhen zwischen dem Dorf Les Eparges und der von dem alten Sommersitz der Bischöfe von Verdun, Hattonchatel, nach Verdun hinführenden Grande Tranchée de Calonne um ein erhebliches Stück nach vorwärts zu verlegen, war damit zu rechnen, daß die Franzosen die Wiedergewinnung des ihnen an dieser wichtigen Stelle entrissenen Geländes nach Kräften versuchen würden. Zunächst jedoch blieb es dort ziemlich ruhig. Als aber dann das II. französische Armeekorps, das sich einige Wochen vorher bei seinen vergeblichen Angriffen gegen unsere braven Truppen zwischen der Orne und Combres, insbesondere bei Maizeray und Marcheville blutige Köpfe geholt hatte, wieder gefechtsfähig war, wurde dieses Armeekorps zur Wegnahme unserer neuen Stellungen an der Grande Tranchée bereitgestellt. Seit Mitte Juni kündigte verstärktes französisches Feuer aller Kaliber eine dort beabsichtigte Unternehmung an. Wir hatten uns nicht getäuscht. Als der Feind die Wirkung seiner Artillerievorbereitung für ausreichend hielt, setzte er seine ausgeruhten frischen Truppen am Sonntag, den 20. Juni, nachmittags zum Angriff gegen unsere Stellungen beiderseits der Tranchée an.
Die Franzosen beobachteten hierbei das von ihnen in der Regel beliebte Verfahren, gegen einzelne Punkte starke Kräfte nacheinander, oft aus verschiedenen Richtungen anlaufen zu lassen. Es gelang ihnen schließlich in einen Teil unseres vordersten Grabens, in einige Verbindungsgräben nach rückwärts und sogar in einen kleinen Teil der zweiten Stellungen einzudringen. Noch in der Nacht zum Montag unternahm das von dem Vorstoße betroffene tapfere Regiment einen Gegenstoß, an dem sich alles bis zum letzten Mann beteiligte. Es gelang uns auch, den Franzosen den von ihnen genommenen Teil unserer zweiten Stellung und die Verbindungsgräben wieder zu entreißen und hierbei eine Anzahl von Gefangenen zu machen. Aber auch der Feind ließ nicht nach. Um die Mittagszeit des 21. Juni erneute er mit frischen Kräften seine Angriffe auf der ganzen Linie. Westlich der Tranchée wurde er stets und auch an den folgenden Tagen unter sehr schweren Verlusten abgewiesen. Östlich der Tranchée dagegen. wo die Eindrucksstelle sich immer noch in seinem Besitz befand, glückte es ihm, durch sie hindurchstoßend, wiederum Gelände innerhalb unserer Linien zu gewinnen. Er mußte hier also wieder hinausgeworfen werden. Für diese Unternehmung wurde das Morgengrauen des 22. Juni festgesetzt. Der Feind wurde anscheinend überrascht. Er räumte bei unserem Ansturm die Gräben unter Zurücklassung einer beträchtlichen Anzahl von Gefangenen. Nunmehr nahmen die Franzosen unsere Stellungen unter tagelanges, schweres Feuer. Sie hatten zu diesem Zweck ihre dort schon vorhandene zahlreiche schwere Artillerie durch weitere Batterien schwersten Kalibers von anderen Fronten her verstärkt. Auch verwendeten sie in großen Mengen Geschosse, die bei ihrer Detonation erstickende Gase entwickeln. Die Wirkung solcher Geschosse ist eine doppelte. Sie wirken nicht nur durch ihre Sprengstücke, sondern sie machen durch die Gase auch im weiteren Umkreise sich aufhaltende Personen wenigstens für einige Zeit kampfunfähig. Um sich selbst dieser Wirkung dort zu entziehen, wo derartige Geschosse nahe der eigenen Infanterie einschlagen, trugen in den geschilderten Kämpfen alle Franzosen Rauchmasken. Gefangene gaben ferner übereinstimmend an, ihnen sei befohlen worden, als wirksamstes Mittel gegen die erstickenden Gase ihre in menschlichen Urin getränkten Taschentücher vor Mund und Nase zu halten.
Mit solchem Feind hatten wir während der nächsten Tage und Nächte unausgesetzt erbitterte Nahkämpfe zu bestehen.
Die neuen Nahkampfmittel mit ihren furchtbaren moralischen Nebenwirkungen spielten auch hier wieder eine große Rolle. Hierher gehören insbesondere die Minenwerfer und Handgranaten verschiedener Konstruktion, diese auch, wie die Artilleriegeschosse, bei den Franzosen mit erstickender Gasentwicklung. Indessen zeigte sich schon am 22. Juni die unbestreitbare Überlegenheit unserer Infanterie über die französische. So oft wir zum Angriff schritten, konnten wir auch weit stärkere feindliche Kräfte werfen und besonders im Einzelkampf aus ihren noch so stark erbauten Stellungen vertreiben. Nur gegen das übermächtige Artilleriefeuer hatten unsere tapferen Truppen einen überaus schweren Stand. Sobald sie ein Grabenstück wiedergenommen hatten, richtete die feindliche Artillerie dagegen ein mörderisches Feuer, in dem ein Aushalten zu den physischen Unmöglichkeiten gehört.
In diesen hin- und herwogenden erbitterten Kämpfen konnten wir der französischen Infanterie unsere Anerkennung nicht versagen.
Immer wieder ließ sie sich zum Angriff vortreiben, ungeachtet unseres gut wirkenden Artillerie- und Infanteriefeuers und ungeachtet des Feuers ihrer eigenen Artillerie, das rücksichtslos auch dorthin gelegt wurde, wo die französischen Schützen ihren Sturm auszuführen hatten. Rücksichtslos waren die immer wieder frisch von rückwärts aufgefüllten Angriffstruppen, auch gegen sich selbst. Immer wieder stürmten sie über die Leichen ihrer soeben und während der letzten Kampftage gefallenen und in blutgetränktem Waldgestrüpp liegen gebliebenen Kameraden hinweg, immer wieder nützten sie Haufen dieser Leichen aus als Deckung gegen unser Feuer, ja verwendeten die Körper der tapfer Gefallenen sogar als regelrechte Deckungsmittel, wo sie gezwungen waren, sich beschleunigt einzunisten und einzugraben. Viel hundert Leichen bedeckten den schmalen Raum zwischen unseren und den feindlichen Gräben. Als wir am späten Abend des 24. Juni alle zur vorderen Linie führenden Verbindungsgräben in unseren endgültigen Besitz gebracht hatten, waren diese bis oben hin mit französischen Leichen angefüllt.
Tagelang hatten die Franzosen hier neben und auf den Leibern ihrer gefallenen Kameraden ausgehalten. Es mag dahingestellt bleiben, ob mehr die Selbstüberwindung oder mehr die Gefühllosigkeit dabei mitgesprochen haben. Für uns war jedenfalls diese Totenkammer keine Kampfstellung. Wir schütteten die Gräben zu und bereiteten den dort gefallenen Tapferen ein Massengrab.
Nicht unerwähnt in diesem Zusammenhang soll auch sein, daß nach übereinstimmenden Aussagen aller Gefangenen die französische Infanterie in den Tagen vom 20. bis 25. Juni keine warme Kost erhalten hat. Mag diese wie andere Gefangenenaussagen nicht voll zutreffend und darauf berechnet sein, Mitleid zu erwecken, so ist immerhin zu beachten, daß erfahrungsgemäß an Gefangenenaussagen immer etwas Wahres ist. Der jämmerliche Zustand der Gefangenen bestätigte dies.
Vor dem in einer Ausdehnung von knapp 300 Meter noch im feindlichen Besitz befindlichen vorderen Grabenteil kam unser Angriff am 25. Juni zum Stehen.
Am 26. Juni gingen wir östlich von der Stätte der soeben geschilderten hartnäckigen Kämpfe zum Angriff in Richtung Les Eparges vor. Nicht dieses in der Tiefe gelegene Dorf war das Ziel der Unternehmung, sondern der dorthin abfallende bewaldete Bergrücken, auf dem die Franzosen seit längerer Zeit starke Befestigungen angelegt hatten. Diese sollten genommen werden. Nach sorgfältiger Vorbereitung setzten um die Mittagszeit unsere Angriffsbewegungen ein. Der Feind schien derartiges an dieser Stelle nicht erwartet zu haben. Ohne allzu große Verluste und in verhältnismäßig kurzer Zeit gelang es uns, die ersten feindlichen Stellungen im Sturm zu nehmen und in ununterbrochenem weiteren Vorgehen auch die dahinter liegende feindliche Hauptstellung zu erobern Was unserem Feuer und unseren Bajonetten nicht zum Opfer fiel, flüchtete die steilen Hänge nach Les Eparges hinunter, um sich dort wieder zu sammeln. Unsere aufmerksame Artillerie versäumte diese günstige Gelegenheit nicht, das genannte Dorf unter Feuer zu nehmen und die von Norden her dorthin führenden Wege, auf denen der Feind Verstärkungen heranführte, durch wohlgezieltes Feuer zu sperren. Nach kurzer Zeit ging Les Eparges mit dem dort angehäuften Kriegsmaterial in Flammen auf.
Für uns galt es nun, die neu gewonnene vorteilhafte Stellung auf der Bergnase südwestlich Les Eparges zu halten; denn wir mußten mit hartnäckigen Versuchen des Feindes rechnen, das Verlorene wieder zu erlangen. Noch am Abend des 26. Juni begannen die Franzosen Gegenangriffe. Sie währten die ganze Nacht zum 27. Juni hindurch ohne jeden Erfolg. Auch hier wie zu beiden Seiten der Tranchée haben die Franzosen außerordentlich schwere Verluste erlitten. Wie auch die Lage sich hier weiter gestalten mag, das II. französische Armeekorps und die dort eingesetzten übrigen feindlichen Kräfte haben weder den beabsichtigten Durchbruch an der Tranchée zu erzwingen, noch die beherrschende Höhe südwestlich Les Eparges gegen den überraschenden, unvergleichlich mutigen Ansturm unserer kampferprobten und kampffreudigen Truppen zu behaupten vermocht.

 

 

 

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