Die Märzschlacht beiderseits der Somme 

Ein schwerer deutscher Mörser wird in Stellung gebracht
Ein schwerer deutscher Mörser wird in Stellung gebracht

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 18., 21., 24. und 25. Mai 1918

I.

Unsere Feinde, die über die organischen und anorganischen Kräfte fast des ganzen Erdballs gebieten, hatten seit Jahren in vielen gewaltigen Schlachten versucht, die westliche Front des deutschen Heeres zu durchbrechen. Die dünne Linie, zuletzt in Flandern von einer bis ins Fünffache überlegenen Kanonenphalanx betrommelt, hielt stand. Dörfer und Städte wurden aus der Front herausgeschlagen, Flußniederungen und Höhenzüge Schritt um Schritt uns blutig abgekämpft. Aber das wunderbar elastische Nervensystem des Menschen wetteiferte mit dem elastisch gegliederten Abwehrsystem, der standhafte Mut der Truppe mit der Organisationskunst der Führer: Der Durchbruch mißlang, wo immer er angesetzt wurde. Nichts half der von Schlacht zu Schlacht gesteigerte Einsatz menschlicher und technischer Kräfte, nichts der Wechsel des Angriffspunktes. Auch die Schlachten in Flandern, obwohl hier die größte Masse an Fußtruppen und Geschützen auf dem kleinsten Raum zusammengepreßt wurde, obwohl die Taktik des 20. September 1917 durch Verkürzung der Tiefe und Verengerung der Breite die Energie der Sprünge aufs höchste steigerte, brachten keinen Erfolg. Es schien, als ob diesen Offensiven im Westen ein ehernes Gesetz innewohnte, das die Angriffswoge jedesmal dicht am Ziel ermatten ließ. Dem Verteidiger, der diesen toten Punkt rechtzeitig erkannte und den Gegenstoß auf die Blöße des Gegners anlegte, gelang es, den Ansturm zurückzuwerfen oder den Einbruch vor Eintritt größerer Verluste abzudämmen. Der Durchbruch an der Westfront wurde mit der Zeit zu einem Problem, dessen Lösung in unüberwindliche Gesetze von Raum und Zeit verstrickt schien. Andere strategische Ziele, geeignet, die ungeheuren Blutopfer dieser gescheiterten Offensive zu rechtfertigen, lassen sich aus dem Trümmerhaufen der taktischen Fragmente nur mutmaßen. Der von Schlacht zu Schlacht nach Norden verschobene und sich damit beständig verkürzende Angriffspfeil wurde schließlich, um der dringendsten Gefahr zu begegnen, auf die U-Boot-Basis in Flandern gerichtet. Ziel aller früheren Offensiven aber war der Durchbruch an sich, verbunden mit der Erwartung, daß der Strudel die Reserven des Verteidigers verschlucken und allmählich die Auflösung bedeutender Frontteile, vielleicht der Gesamtfront, nach sich ziehen werde. Die Schlacht bei Cambrai im November 1917 war der letzte Mißerfolg einer unglücklichen Strategie, der Aufmarsch der 300 Tanks die letzte krampfhafte Willensäußerung einer zu automatischer Maschinerie erstarrten Taktik, welche diesen Unternehmungen zu dem traurigen Namen "Materialschlachten" verholfen hat.
Als in diesem Winter der Zusammenbruch der russischen Streitmacht den Zweifrontenkrieg beendigte und, freilich mit veränderten Bedingungen, die Lage vor der Schlacht an der Marne wiederherstellte, als unter dem Gewicht der von Osten anrollenden Verstärkungen, die von französischen Fachleuten Ende Februar auf etwa 70 Divisionen geschätzt wurden, in der zu ewiger Abwehr verurteilten Westfront wie von selbst der Gedanke des allgemeinen Angriffs auflebte, lagen vor dem prüfenden Auge der Obersten Heeresleitung die unglücklichen Erfahrungen des Gegners ausgebreitet. Die Aufgabe erschien ungeheuer. Was der vielfach vereinten Übermacht der Armeen napoleonischer Schule und des jungen, aber aus den Kanälen eines Weltreiches gespeisten Kitchener-Heeres gegenüber einer fast friderizianischen Minderzahl nicht gelungen war, sollte das deutsche Heer vollbringen, das auch nach Aussaugung der östlichen Streitkräfte dem Gegner an Zahl kaum gewachsen, geschweige denn überlegen war. Der große Hammer hatte am kleinen Hammer versagt, jetzt sollte sich der kleine Hammer am großen erproben. Das deutsche Hinterland, winzig im Vergleich mit den für die Entente arbeitenden Erdteilen, sollte im Kampf mit den Rohstoffen und Industrien des halben Europa, Amerikas, Afrikas und Asiens nicht nur bestehen, sondern obsiegen helfen. Schon der deutsche Sieg bei Cambrai, der gewissermaßen auf der Grenze einer alten und neuen Epoche der westlichen Kriegsgerichte steht, warf ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten, die ein tapferer und zahlenmäßig überlegener Feind unserem Angriff entgegensetzen konnte. Im Gegensatz zu der die eigenen Führer zuweilen erstaunenden Siegeszuversicht unserer alten Abwehrtruppen betrachtete daher der Gegner das deutsche Unternehmen mit beharrlichem Zweifel. Englische und französische Gefangene aus den Wintermonaten verhießen uns zwar den gleichen Anfangserfolg, wie ihren eigenen Offensiven. Mehr aber als diesen üblichen Anfangserfolg versprach man sich nirgends in der Welt von dem kommenden Unternehmen.

Ein deutsches Feldgeschütz wird durch das Trichtergelände vorgebracht
Ein deutsches Feldgeschütz wird durch das Trichtergelände vorgebracht

II.

Die deutsche Oberste Heeresleitung verzichtete von vornherein auf die "Materialschlacht" und beschloß, den Erfolg auf ein mehr ideelles Fundament aufzubauen. Die zahlenmäßige Unterlegenheit mußte durch die dem deutschen Heerkörper eigentümlichen kriegerischen und moralischen Tugenden ausgeglichen werden. Dieselben Tugenden, welche die wesentliche Ursache der feindlichen Niederlagen gewesen waren, bildeten den sichersten Bürgen für den deutschen Sieg. Der unleugbaren Tapferkeit der englischen und französischen Sturmtruppen mußte die größte Tapferkeit der deutschen Stämme, der guten Qualität der feindlichen Führer eine bessere der deutschen, der gründlichen Vorbereitung auf der Gegenseite eine noch gründlichere auf der unseren entgegengesetzt werden. Da das Vertrauen der Obersten Heeresleitung die beiden ersten Voraussetzungen als gegebene Größen behandelte, blieb als Hauptausgabe die Vorbereitung des Angriffs. Die Einheit des Oberbefehls und des Heerkörpers, als dessen einziger nichtdeutscher Bestandteil eine wertvolle Gruppe österreichischer Batterien eingesetzt war, erleichterte das gewaltige Werk. Reibungen und Hemmungen, die auch dem bestorganisierten Koalitionsheere anhaften, blieben uns erspart. Was in den Kartenzimmern der deutschen Stäbe, angesichts der vertrauensvollen Erwartung in der Heimat und der zunehmenden Spannung und Nervosität im Auslande, von erfahrenen Spezialisten der Abwehrschlacht mit Einsatz der höchsten Nervenkraft in monatelanger stiller Arbeit geleistet worden ist, entzieht sich der Schilderung.
Aber es ist gewiß, daß die Einschulung des Angriffsverfahrens, die Erkundung und Überwachung der Feindlage, die Munitionsversorgung und Verproviantierung der Stoßgruppe, die Vorbereitung des Nachschubes, endlich das Kunstwerk des verschleierten Aufmarsches einen ganz ungeheuren Aufwand an organisatorischer Energie erforderten.
Die Hauptkampfgruppe, die gleich im ersten Anlaufe über alles Erwarten rasch und siegreich die feindlichen Stellungen durchbrach und binnen 10 Tagen den ersten Teil der "Großen Schlacht in Frankreich" schlug, setzte sich aus 3 Armeen zusammen: im Zentrum stand die alte Cambrai-Armee unter dem Oberbefehl des Generals von der Marwitz; die Armee des Generals Otto v. Below umspannte den nördlichen Cambrai-Bogen bis in Höhe von Arras; die Armee v. Hutier, die sich im Raume südöstlich und nördlich der Stadt St. Quentin versammelte, lehnte sich mit dem linken Flügel bei Fère an die Oise. Während die Armeen von der Marwitz und v. Below zu der Heeresgruppe des Kronprinzen Rupprecht gehörten, bildete die Armee v. Hutier den rechten Flügel der Heeresgruppe des deutschen Kronprinzen, so daß die beiden Heeresgruppen mit ihren beiden inneren Flügeln den Angriff gemeinsam vortrieben. Aufgabe der Stoßtrupps war der Durchbruch durch das englische Stellungssystem, dessen 3 Hauptlinien einen Streifen von 12 bis 15 km Tiefe durchzogen. Da die beiden nördlichen Armeen aus der Bucht des Cambrai-Bogens in südwestlicher Richtung, die Armee v. Hutier aber westwärts vorstießen, entstand ein konzentrischer Angriff, der im Verlauf der ersten Bewegungen durch das scharfe Vorwärtsdringen der Armee v. Hutier und durch den tapferen Widerstand der Engländer im Norden in gerader Linie gestreckt wurde. Der Plan rollte den Angriff über das von künstlichen und natürlichen Bollwerken wimmelnde Gelände der Siegfriedstellung und führte die Marschlinien der nördlichen und der mittleren Armee in der Richtung auf Bapaume und Péronne bis an den Rand des alten Großkampfbeckens.
Am Abend des 20. März 1918, dem Vorabend des lange vorher festgesetzten Angriffstages, war der Aufmarsch beendet. Der in der Frühe einsetzende Nebel verbarg die letzten Truppenbewegungen, und die Meldungen der den späten Glanz der Abendsonne wahrnehmenden Erkundungsflieger erreichten die feindliche Führung nicht vor sinkender Nacht. Trotzdem in der zweiten und dritten Märzwoche schönstes Frühlingswetter die Luftaufklärung begünstigte, war die Verschleierung des Aufmarsches geglückt. Die Anhäufung einer so gewaltigen Menge von Menschen und Gerät auf engstem Raume hatte sich dank der unermüdlichen Hingabe von Führung und Truppe, von Etappe und Eisenbahn in musterhafter Ordnung vollzogen. Vom vordersten Kompanieführer bis zum letzten Polizeisoldaten stand jeder auf seinem Posten, kannte jeder sein Marschziel.
In letzter Stunde drohten die Meldungen der Wetterwarte die Entladung des Angriffes zu verzögern. Hatte schon das Regenwetter in den letzten Tagen Felder und Kolonnenwege durchweicht, mit schwerer Sorge beobachteten die Sturmtruppen den dichten Nebel, der sich in der Nacht auf den 21. März zusammenzog. Die Führung bestand auf der Durchführung. Am 21. März, 3 Uhr 30 Minuten früh setzte auf ganzer Front die Bekämpfung der feindlichen Artillerie ein. Von 6 Uhr 40 Minuten an bewegte sich das vereinigte Feuer der Nahkampfgruppen über die drei englischen Stellungen. Der Verzicht auf eine allmähliche Erschütterung der Stellungen im tagelangen Wirkungsschießen mußte durch verdoppelte Wucht der dreistündigen Feuerwoge ausgeglichen werden. Der unvergleichlichen Stoßkraft der Infanterie ist es zu danken, wenn trotz Nebel und Schlamm schon am Abend des ersten Schlachttages die zweite feindliche Stellung teils erreicht, teils erobert, teils überschritten war. Die vordersten Gräben wurden von der tiefgegliederten Phalanx im Schutze des Nebels verhältnismäßig leicht überwältigt, an den schwierigsten Punkten wie an den Südausgängen der Stadt St. Quentin verstärkten deutsche und deutsch-englische Tankgeschwader die Wucht des Stoßes. Dann aber musste mit Hilfe der Maschinengewehre, der Minenwerfer und Batterien ein Netz von zahlreichen Stützpunkten sprungweise überwunden werden. Der Nebel, so sehr er die Überraschung im Großen begünstigt hatte, erschwerte die Orientierung und hemmte das Tempo des Angriffes. An vielen Stellen mußte am Nachmittage, als das Wetter sich aufgehellt hatte und unsere tapferen Jagd- und Schlachtstaffeln sich über den Feind warfen, das Herankommen der sich mit bewunderungswürdigen Anstrengungen durch das verschlammte Trichtergelände vorarbeitenden Feldartillerie abgewartet werden, um stärkere Bollwerke zu bezwingen.
Den am Abend nachrückenden Divisionen folgten schier endlose Züge mit Munition beladener Kraftwagen, aus denen die leeren Staffeln der Kampfartillerie dringend begehrte Ergänzung schöpften. Den Lehren der ersten Kriegsmonate getreu, rückte auch die schwere Artillerie, wo immer das Gelände es ermöglichte, in den vorderen Gefechtsstreifen auf. Die Vorwärtsbewegung dieser Heeresmasse wurde mit Hilfe der Pioniere und Polizeitruppen reibungslos bewältigt.
Der Feind leistete den stärksten Widerstand im Norden, wo durch den Stoß der Armee v. Below die Abschnürung des Cambrai-Bogens drohte. Aus Ervillers, Vaulx-Vraucourt und Doignies führte er wuchtige Gegenangriffe auf die Korps der Generale v. Albrecht, von der Borne und v. Lindequist, die bis in die Nacht im heißen Kampf um den Besitz der zweiten Stellung rangen. Auch die Armee von der Marwitz stieß auf hartnäckigen Widerstand. Die nördlichen Korps erreichten beiderseits Epéhy die Bahnlinie Cambrai-Péronne, das linke Flügelkorps des Generals v. Hofacker drang nördlich des Omignon-Baches bis Le Verguier vor. Die vor der Front der Armee v. Hutier eingesetzten englischen Stellungsdivisionen wehrten sich ebenfalls mit großer Zähigkeit, mußten aber den deutschen Korps den Besitz wichtiger Ortschaften und Stützpunkte überlassen. Südlich des Omignon-Baches wurden die feindlichen Batterienester im ersten Anlaufe überrannt. Das Korps v. Lüttwitz stieß in blutigem Kampf durch den zu einer unterirdischen Festung umgewandelten Holnon-Wald. Die Korps der Generale v. Öttinger und v. Weber erstürmten die Ortschaften Savy, Fontaine les Clercs, Urvillers und Essigny le Grand. Gleichzeitig erzwangen von Süden her 2 Reserveregimenter und Jägerbataillone den Übergang über die Oise und drangen, nunmehr von stärkeren Kräften gefolgt, gegen den Crozat-Kanal vor.
Der zweite Schlachttag vollendete den Durchbruch durch das Stellungssystem und verlieh dem deutschen Angriff jene unwiderstehliche Sprungkraft, welche bis Monatsende die englische V. Armee in aufgelöstem Zustande vor sich hertrieb, die in Hast herangeworfenen Divisionen der Franzosen, wo und sobald sie auf dem Schlachtfelde erschienen, aufs Haupt schlug und die Woge ruheloser Gefechte bis in 70 km Tiefe wälzte.
Wieder leistete der Engländer am 22. März, in dem Bestreben, das Dach des wankenden Gebäudes zu stützen, den heftigsten Widerstand im nördlichen Cambrai-Bogen, wo die Divisionen der Armee v. Below mitten im Angriff eine Abwehrschlacht liefern mußten. Die Erbitterung der feindlichen Gegenstöße und die beweglichen Forts der aus der Cambrai-Schlacht überlebenden Tanks wurden an dem unvergleichlichen Heldenmut unserer Truppen zuschanden. Erst am Nachmittage gelang der Durchbruch durch die zweite Stellung. Der Park von St. Léger und die heißumstrittenen Ortschaften Croisilles, Vaulx-Braucourt und Morchies wurden erstürmt. Die starke Besatzung der dritten Stellung, mit der am Abend unsere Vorposten Fühlung nahmen, sagte neue schwere Kämpfe für die kommenden Tage voraus.
Dennoch lastete der Druck der Armee v. Below so schwer auf dem Cambrai-Bogen, daß der Gegner mit der Räumung im tiefsten Winkel begann; über Flesquières und Ribécourt glitt der Nordflügel der Armee von der Marwitz nach.
Unterdessen hatten die beiden südlichen Armeen mit ihren inneren Flügeln um die Ehre des Sieges gewetteifert. Bis zum Spätnachmittage dauerte der Entscheidungskampf, der mit der Eroberung der dritten und letzten englischen Stellung endigte. Die Armee von der Marwitz erstürmte die Ortschaften Lieramont, Longavesnes, Marquaix, Hamelet, Bernes, Poeuilly und Caulaincourt, die Armee v. Hutier nahm Beauvois und Fluquières und erzwang bei Jussy, Quessy und Tergnier den Übergang über den Crozat-Kanal. Am Abend des 22. März war der Durchbruch auf breiter Front von der Straße Cambrai-Peronne bis an die Oise vollbracht. Im Laufe von 36 Stunden war das Problem der Westfront, um das der Gegner 2 Jahre hindurch mit Aufbietung aller Kräfte vergeblich gerungen hatte, entrollt und gelöst worden. Unermeßliche Beute fiel in unsere Hand. Die vorbereiteten Lager genügten nicht, um den Strom von Gefangenen aufzunehmen, die Arbeitstruppen nicht, um die Masse der eroberten Geschütze abzufahren.
Unmittelbar an den Durchbruch schloß sich die Verfolgung an. Der berüchtigte tote Punkt der Verbandsoffensiven wurde überrollt. Während in allen Gegenden Frankreichs von Calais bis Belfort Alarm geschlagen wurde und von allen Seiten die französischen Ruhedivisionen der Oise zustrebten, vereinigte sich der Wille der Führung mit dem Ungestüm der Truppe in dem glühenden Wunsch, dem Feinde an der Klinge zu bleiben und den Keil möglichst tief in die brüchige Front einzutreiben, ehe das wiederhergestellte
Gleichgewicht der Kräfte die Wucht des Stoßes aufhob. Die Armee v. Hutier und die südlichen Korps der Armee von der Marwitz drangen am 23. März bis an die Somme vor, warfen hastig entgegengeführte Reserven der Engländer zurück und erkämpften am 24. März gegen einen tapfer, aber in fortgesetzter Verwirrung fechtenden Feind den Übergang. Eine badische Division von beispielloser Angriffswucht warf im Schutze des Frühnebels bei Béthancourt die ersten Bataillone über die Somme. Unmittelbar hinter der übersetzenden Infanterie schlugen die tapferen Pioniere fahrbare Brücken. Das Korps v. Öttinger nahm am 23. März in heftigem Straßenkampf die Stadt Ham, das Korps v. Hofacker tags darauf das an blutigen Erinnerungen reiche Péronne. Clèry und Bouchavesnes, Maurepas und Combles, die berühmten Kampfstätten aus der alten Sommeschlacht, mit dem Blute vieler deutschen Stämme getränkt, wurden von der Armee von der Marwitz gestürmt. Am linken Flügel stieß das Korps v. Conta in den Waldungen jenseits des Crozat-Kanals zum erstenmal auf französische Kräfte. Es waren die 125. und 9. Division und die 1. Kürassiere z. F., die, am ersten Schlachttage alarmiert und aus der Gegend von Senlis und Compiègne eilig auf Kraftwagen heranbefördert, sich auf unsere offene Flanke warfen. Sie teilten das Schicksal der englischen Stellungsdivisionen. Am 24. März fiel auch die Stadt Chauny an der Oise, welche zu decken die aus der Gegend von Paris herangehetzte 10. und 55. Division vergebens versucht hatten. Gleichsam als drohende Verkündigung der siegreichen Durchbruchsschlacht fielen zur Stunde, als die Somme erreicht wurde, die ersten Geschosse unserer weittragenden Kanonen auf die erschrockene Hauptstadt der Franzosen. Währenddessen wurde am Nordflügel am 23. März um die dritte Stellung gerungen. Dorf um Dorf, Graben um Graben mußten im Nahkampf überwältigt werden. Einzeltaten von antiker Größe sind überliefert. Es war ein Kampf mit der Hydraschlange, denn unaufhörlich traten frische englische Divisionen in die Lücken.
Endlich, am 24. März, gelang es, unter dem Druck der südlichen Erfolge, in schweren Gefechten den Gegner aus dem Cambrai-Bogen herauszuquetschen. Ein konzentrierter Angriff der Korps v. Lindequist und v. Grünert bewirkte am Nachmittage den Durchbruch durch die dritte Stellung. Das Korps von dem Borne eroberte am Abend Bapaume. Die Kampftage vom 25. bis zum 26. März reiften die Durchbruchsschlacht zur höchsten Wirkung aus. Die englische Führung zog ihre südlich der Somme weichenden Kräfte allmählich nach Norden ab und baute zwischen der Scarpe und der Ancre den Widerstand auf. Die französische III. Armee, die ihr Hauptquartier in Clermont aufschlug, deckte ingrimmig den Rückzug der verbündeten Truppen. So entstand, während unser Nordflügel weiterhin in schwere Kämpfe mit der zähen englischen Infanterie verwickelt wurde, zwischen Somme und Oise eine glänzende Verfolgungsschlacht, die mit der Eroberung von Montdidier am 27. März ihren Höhepunkt erreichte. Unaufhaltsam drangen die Armeen v. Hutier und von der Marwitz in südlicher Richtung vor. Die Franzosen, die gezwungen waren, ihre Divisionen, wie sie eben anlangten, paketweise einzusetzen und vor die weichenden Engländer zu werfen, wurden in die allgemeine Rückwärtsbewegung mit hineingerissen. Die herrliche Angriffswucht unserer Truppen, unter denen manche Division vom ersten Tage marschierte, sorgte dafür, daß immer irgendwo ein bedrohtester Punkt den Gegner an der Sammlung und am geordneten Einsatz seiner Kräfte hinderte.
Ermöglicht wurden die glänzenden Erfolge des Südflügels durch die Angriffe, welche die Armee v. Below im Norden gegen das Massiv der englischen Verteidigung führte. Der Nordflügel versah gleichsam den Dienst eines Hebels, indem er das Gros der feindlichen Reserven von der südlichen Front abdrückte und gegen sich selbst zusammenpreßte. Auch die nördlichen Korps der Armee von der Marwitz, die am 25. und 26. März gegen die Ancre vordrangen, erfüllten den gleichen Zweck. Denn der Feind, der an der Somme, wo unsere Bataillone an den Fersen seiner weichenden Nachhuten übergesetzt waren, gelernt hatte, daß er die Verteidigung des Flusses auf das östliche Ufer vorstrecken mußte um Zeit für den Aufbau der Abwehr am westlichen Ufer zu gewinnen, leistete diesmal vor der Ancre den zähesten Widerstand. Ohne Rücksicht auf ungeheure Verluste führte er aus der Stadt Albert heraus Gegenangriff auf Gegenangriff, trotzdem gewannen unsere Truppen langsam Boden. Dem Korps v. Grünert gelang es noch am 25. März, den Block des stärksten Widerstandes nördlich umgehend, den Fluß bei Miraumont zu überschreiten. Das Korps v. Kathen eroberte am 26. März Albert. Anschließend drückte bis zum 27. März die Armee v. Below ihre Linien um einige Meilen vor.
So von Norden her entlastet, setzten die Armeen v. Hutier und von der Marwitz südlich der Somme die Verfolgung fort, die bald wieder unter dem fortgesetzten Anprall neuer französischer Kräfte den Charakter einer ernsten, aber durchweg siegreichen Schlacht annahm. Am 25. März traten die inneren Flügel der Armeen aus der wohlbestellten und blühenden Ebene in das wüste, von unzähligen Gräben und Verhauen durchzogene Gelände der alten Sommeschlacht über. Da sich die Hauptmarschrichtung immer mehr nach Südwesten kehrte, um dem wachsenden Widerstande der aus derselben Richtung eingesetzten französischen Divisionen die Brust zu bieten, gelang es mehrmals, den Gegner durch Vorgreifen der jeweils nördlichen Division zum Weichen zu bringen. Das Korps v. Winkler nahm die Stadt Nesle, wo eben Franzosen die englische Besatzung abgelöst hatten. Durch schwieriges Forstgebiet erkämpfte sich das Korps v. Conta den Austritt in das Hügelland nördlich der Stadt Noyon. Schon am 26. März ließ das Korps v. Hofacker bei Feuillères und Herbecourt die Großkampfwüste hinter sich. Die Städte Chaulnes und Roye wurden genommen. Noyon fiel. Der südlichste Flügel wurde auf den Höhen südwestlich der Stadt verankert. Am 27. März spornten sich die immer noch in gemischten Verbänden fechtenden Alliierten zu heftigstem Widerstande an. Trotzdem trieben die Korps v. Winkler und v. Öttinger einen tiefen Keil südlich des Avre-Baches vor. Teile der kühnen badischen Divisionen schlugen sich bei Erches und Saulchoy abgeschnitten im Rücken des Feindes. Überall brach die schier unerschöpfliche Kraft unserer lang aushaltenden Truppen die Wucht plötzlicher Gegenstöße. Die vom ersten Tage an als treueste Helfer der Infanterie vielgerühmten Begleitbatterien fuhren in die Schützenlinien auf und kämpften mit direktem Schuß die feindlichen Maschinengewehre nieder. Montdidier wurde am Abend erobert.
Mit dem Fall dieser Stadt hatte die Durchbruchsschlacht den Höhepunkt ihrer Auswirkung erreicht. Montdidier war und blieb gleichsam der Nabel des Einbruchs. Angriffe am 30. und 31. März 1918 streckten die zurückhängenden inneren Flügel in gleicher Höhe.
Die Einnahme von Moreuil brachte Amiens unter die Reichweite unserer Langrohre.
Der Erfolg des ersten Teiles der "Großen Schlacht in Frankreich" hat alle Erwartungen übertroffen und gibt dem Namen innere Berechtigung. Wir machten 90000 Gefangene. Wir erbeuteten 1200 Geschütze, Tausende von Minenwerfern und Maschinengewehren, unzählbare Munition, unermeßliches Gerät, unschätzbare Mengen eingebauten Materials. Die blutige Einbuße des Feindes war erheblich. Der eroberte Raum, in dem einer kleinen Insel gleich das Großkampfgelände der alten Sommeschlacht liegt, zeigt die absolute Größe des deutschen Sieges.

Feststellung der Personalien und Bergung der Wertsachen gefallener Engländer
Feststellung der Personalien und Bergung der Wertsachen gefallener Engländer

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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