Der Weltkrieg am 3. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die ganze russische Front in Westgalizien durchstoßen

Großes Hauptquartier, 3. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz: 
In Flandern griffen wir gestern nordöstlich von Ypern beiderseits der Straße Poelkapelle-Ypern mit Erfolg an und nahmen die Gehöfte von Fortuin südöstlich von St. Julien. 
In der Champagne richteten wir durch erfolgreiche Minensprengungen erheblichen Schaden in der feindlichen Stellung zwischen Souain und Perthes an. 
Zwischen Maas und Mosel fanden gestern nur Artilleriekämpfe statt. 
Am Hartmannsweilerkopf machten die Franzosen heute Nacht vergebliche Angriffsversuche gegen unsere Gipfelstellungen. 
Ein französisches Flugzeug landete gestern bei Hundlingen westlich Saargemünd. Die beiden Insassen wurden gefangengenommen. Ein deutsches Flugzeuggeschwader griff gestern die Luftschiffhalle und den Bahnhof Epinal mit anscheinend gutem Erfolge an.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Auf der weiteren Verfolgung der auf Riga flüchtenden Russen erbeuteten wir gestern vier Geschütze, vier Maschinengewehre und machten südlich Mitau wieder 1700 Gefangene, so daß die Gesamtzahl der Gefangnen auf 3200 gestiegen ist. 
Russische Angriffe südwestlich von Kalwarja mißglückten unter starken Verlusten für den Gegner. Die Russen wurden über die Szeszupa zurückgeworfen und ließen 330 Gefangene in unserer Hand. 
Auch nordöstlich von Skierniewice zogen sich die Russen eine schwere Niederlage zu, wobei sie neben einer großen Anzahl an Toten 100 Gefangene verloren.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Im Beisein des Oberbefehlshabers Feldmarschall Erzherzog Friedrich und unter Führung des Generalobersten v. Mackensen haben die verbündeten Truppen gestern nach erbitterten Kämpfen die ganze russische Front in Westgalizien von nahe der ungarischen Grenze bis zur Mündung des Dunajec in die Weichsel an zahlreichen Stellen durchstoßen und überall eingedrückt. Die wenigen Teile des Feindes, die entkommen konnten, sind in schleunigstem Rückzug nach Osten, scharf verfolgt von den verbündeten Truppen. Die Trophäen des Sieges lassen sich noch nicht annähernd übersehen.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Durchbruch in Westgalizien

Zu der vorstehenden Siegesmeldung schreibt die "Frankfurter Zeitung":
Seit Wochen schon wiederholte sich in den Blättern der Entente die bange Frage: Was macht Hindenburg? Daß des großen Feldmarschalls geniale Strategie neue Überraschungen vorbereitete, schien auch dem Feinde selbstverständlich. Die Siegesnachrichten, die der heutige deutsche Tagesbericht bringt, geben die klare Antwort.
Die Offensive in Nordwestpolen ist weiter vorgetragen worden, sie bedroht über Kurland hinaus schon die russischen Gebiete in Livland. Im Kampfraum von Suwalki, bei Kalwarja sind die Russen, die dort seit einigen Tagen heftige Angriffe versuchten, zurückgeworfen worden und mußten sich über eine schützende Flußstellung zurückziehen. Südlich der Weichsel sind russische Angriffe in einer schweren Niederlage zusammengebrochen. Das alles sind Nachrichten, die uns mit stolzer Zuversicht erfüllen dürfen. Aber sie treten an Bedeutung weit hinter dem zurück, was aus Westgalizien gemeldet wird.
Etwa 150 Kilometer lang dehnte sich die Front der russischen Heere, die sich südlich bei der ungarischen Grenze an die Karpathen anlehnte, dem Dunajec entlang bis zu dessen Mündung in die Weichsel. Seit Monaten lagen sich hier die Heere gegenüber und ihre Stellungen waren mit allen Mitteln der Feldbefestigung ausgebaut, so daß sie fast uneinnehmbar scheinen mußten. Aber die ganze Front ist von den deutschen Truppen Mackensens und von unsern österreichisch-ungarischen Verbündeten in einem Ansturm überrannt worden, dessen Wucht erst ausführlichere Berichte ganz verstehen lassen werden. Noch kennen wir das in Zahlen zu fassende Ausmaß des Erfolges nicht, aber wir wissen, daß ein Sieg erfochten ist, der den größten Waffentaten des Krieges ebenbürtig zur Seite tritt. Es wird die strategische Lage in den Karpathen von Grund auf verändern und auf die Gestaltung der Ereignisse im ganzen Osten entscheidend einwirken.
Unsere Feinde haben den Winter hindurch sich selber und die in Spannung harrenden Neutralen auf das Frühjahr vertröstet, das im Westen und im Osten mächtige Offensivbewegungen gegen die Zentralmächte bringen sollte. Der Frühling ist gekommen und mit ihm gewaltige Angriffe der Deutschen und unserer Verbündeten. Während vor Ypern der deutsche Ring noch immer enger schließt und Deutsche Geschosse die Festung Dünkirchen erreichen, schreitet das deutsche Ostheer von Sieg zu Sieg. Was die französische Offensive in der Champagne, die zu einer Zeit unternommen wurde, als man die deutschen Kräfte im Osten gebunden glaubte, in mehrwöchentlichen, furchtbar verlustreichen Stürmen nicht erreichen konnte, haben die Deutschen und ihre Verbündeten verwirklicht. Wenn damals Joffres Plan eines Durchbruchs bei Reims gelungen wäre, hätte er die deutschen Aufmarschlinien durch ganz Belgien gefährdet, eine Aufrollung der großen Flügel des Westheeres befürchten lassen. Die russische Front in Westgalizien war für die in den Karpathenpässen und in Südpolen kämpfenden russischen Heere von nicht minderer Bedeutung. Ihre Stellungen sind jetzt nach dem Zusammenbruch der Linien am Dunajec aufs schwerste gefährdet, so daß sich Nikolaj Nikolajewitsch wohl oder übel zu einer neuen "Umgruppierung" wird entschließen müssen, die unter dem Drucke der Verfolgung der siegreichen Verbündeten schwer genug zu verwirklichen sein wird. Der Sieg, der in diesen ersten Maitagen errungen wurde, bestimmt nunmehr die Lage im Osten, er sichert wiederum Hindenburg das Recht des genialen Feldherrn, seinem Feinde das Gesetz des Handelns vorzuschreiben.
2)

Karte zum 1. Weltkrieg: Gorlice-Tarnow

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Durchbruch durch die russische Front in Westgalizien

Wien, 3. Mai.
Amtlich wird verlautbart:
Vereinte österreichisch-ungarische und deutsche Kräfte haben gestern den Feind in seiner seit Monaten hergerichteten und besetzten Stellung in Westgalizien angegriffen, haben ihn auf der ganzen Front Malastow-Gorlice-Gromnik und nördlich davon geworfen und ihm schwere Verluste zugefügt, über 8000 Gefangene gemacht und Geschütze und Maschinengewehre in bisher noch nicht festgestellter Zahl erbeutet. Gleichzeitig erzwangen unsere Truppen den Übergang über den unteren Dunajec. 
An der Karpathenfront und in den Beskiden ist die Lage unverändert. In den Waldkarpathen haben wir in neuerlichen Kämpfen östlich Koziowa Raum gewonnen, den Feind aus seiner Stellung geworfen. seine Gegenangriffe blutig abgeschlagen und dort mehrere hundert Gefangene gemacht und drei Maschinengewehre erbeutet. Auch nördlich Osmalode wurde der Feind von mehreren Höhen zurückgeworfen und erlitt schwere Verluste. Auch dort ist noch der Kampf im Gange. 
An der russischen Grenze zwischen Pruth und Dnjestr nichts Neues.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Erlebnisberichte aus dem 1. Weltkrieg: 
Der Durchbruch von Gorlice-Tarnow

 

Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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