Der Weltkrieg am 8. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

Ostfront 1. Weltkrieg: Der Hafenplatz in Libau nach dem Einmarsch der deutschen Truppen
Der Hafenplatz in Libau nach dem Einmarsch der deutschen Truppen

 Der deutsche Heeresbericht:

Libau genommen - 70000 Gefangene in Galizien

Großes Hauptquartier. 8. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Vor Zeebrügge brachten unsere Küstenbatterien gestern Abend einen feindlichen Zerstörer zum Sinken. Auf dem größten Teil der Front fanden die üblichen Artilleriekämpfe statt, die sich an einzelnen Stellen - so bei Ypern, nördlich Arras, in den Argonnen und auf den Maashöhen - zeitweise steigerten. Zum Infanteriekampfe kam es nur in den Vogesen. Hier griffen die Franzosen unsere Stellungen bei Steinabrück beiderseits des Fechttales nach stundenlanger Artillerievorbereitung abends an. Sämtliche Angriffe scheiterten unter starken Verlusten für den Feind.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Unsere gegen Libau vorgehenden Truppen setzten sich in Besitz dieser Stadt. Hierbei fielen 1600 Gefangene, zwölf Geschütze und vier Maschinengewehre in ihre Hände.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die Verfolgung des geschlagenen Feindes durch die Armeegruppe Mackensen und die anschließenden Verbündeten ist auch gestern - von einigen erfolgreichen Nachhutkämpfen abgesehen - in stetem Fluß geblieben. Unsere Vortruppen haben am Abend bereits den Wisloka in Gegend Krasno überschritten. Das gemeinsame Handeln aller beteiligten Heeresteile im Vorwärtsdrängen führte zum Abschneiden nicht unbeträchtlicher russischer Kräfte, wodurch die Gesamtzahl der seit dem 2. Mai auf dem galizischen Kriegsschauplatz gemachten Gefangenen bis jetzt auf etwa 70000 gestiegen sein dürfte. Allein wurden den Russen 38 Geschütze, darunter 9 schwere, abgenommen.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der letzte Streifen Ungarns befreit

Wien, 8. Mai, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Die Folgen der Schlacht von Tarnow und Gorlice übertragen sich nunmehr auch auf die Karpathenfront östlich Lubkow. Unsere Truppen, die auch hier zum Angriff übergingen, eroberten nachts den Grenzkamm nördlich der aus den letzten erbitterten Karpathenkämpfen bekannten Orte Televocz, Zellö und Nagypolani. Während der Wintermonate haben die Russen unter den schwersten Verlusten in wochenlangen Kämpfen südlich des Grenzkammes der Karpathen Fuß gefaßt und durch Einsetzen aller verfügbaren Reserven ihre Front in den Oberläufen der Ondowa, Laborcza und Cziroka nach Süden vorgeschoben. Trotz aller Stürme und wütenden Angriffe des Feindes konnte der Uzsoker Paß uns nicht entrissen werden. Nördlich und beiderseits des Passes hielt unsere Gruppe, die hier monatelang focht, felsenfest stand. Der ganze Raumgewinn der Russen ist nun in wenigen Tagen verloren gegangen. Unter den großen Verlusten, die ein so eiliger Rückzug bedingt, räumte der Feind den Streifen ungarischen Bodens, den er so mühsam erstritten hatte.
In Westgalizien nahmen die Kämpfe an der ganzen Front weiter einen erfolgreichen Verlauf. Krosno wurde gestern durch unsere Truppen erobert. Wie groß die Verwirrung und Unordnung bei der auf der ganzen Front in schleunigem Rückzuge befindlichen Armee Radko Dimitriew ist, beweisen die im Ortskampfe um Brzostek gemachten Gefangenen, die den sechs russischen Divisionen Nr. 5, 21, 31, 52, 63 und 81 angehören. Teile der aus den Beskiden zurückflutenden russischen Truppen wurden an mehreren Stellen umzingelt und gefangen genommen.
Die Gesamtzahl der seit dem 2. Mai Gefangenen erreicht bisher 70000. Die Verfolgung wird fortgesetzt.
In Südostgalizien wurden auf den Höhen beiderseits des Lomnica-Tales starke russische Angriffe zurückgeschlagen. Ein russischer Stützpunkt bei Zalesczyki wurde von uns erstürmt.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Die Durchbruchsschlacht in Westgalizien

Berlin, 8. Mai (W. B.)
Aus dem Großen Hauptquartier erhält die "Frankfurter Zeitung" über den weiteren Verlauf der Durchbruchsschlacht in Westgalizien folgende telegraphische Mitteilung:
Am Abend des 2. Mai war es den verbündeten Truppen nicht nur gelungen, die russische Front zwischen dem Karpathenkamm und dem mittleren Dunajec zu durchbrechen, es war ihnen vielmehr auch am Unterlauf dieses Flusses geglückt, das östliche Ufer zu gewinnen Österreichische Truppen waren es, die in der Nacht vom 1. zum 2. Mai bei Mondschein den Dunajec-Übergang erzwangen. Das Unternehmen war so gut vorbereitet und ausgeführt, daß der gegenüberstehende Feind völlig überrascht wurde. Neben mehr als 1000 Gefangenen wurden zahlreiche Geschütze und Maschinengewehre erbeutet.
Am 3. und 4. Mai nahm die Durchbruchsschlacht ihren Fortgang, war doch am 2. Mai erst die vorderste Hauptstellung der Russen gefallen und hatten diese doch bis zur Wisloka, das ist auf eine Strecke von etwa 30 Kilometern, noch drei weitere mehr oder weniger stark ausgebaute befestigte Stellungen vorbereitet. In der russischen zweiten Hauptstellung fanden die Verbündeten wenig Widerstand. Es kam hier vielfach nur zu Nachhutgefechten. Größere Kämpfe fanden an vereinzelten Stellen statt, vor allem an den Punkten, an die der Feind von rückwärts Verstärkungen herangezogen hatte. Die Kämpfe endeten allgemein damit, daß auch die Verstärkungen mit in den Strudel des Rückzuges gezogen wurden. Nachmittags standen die verbündeten Truppen vor der dritten Hauptstellung des Feinde, jedoch konnte der Angriff am 3. Mai nicht mehr durchgeführt werden.
Die Gruppen des Generals v. Francois kämpften an diesem Tage noch um den jener dritten Stellung vorgelagerten Wilczakberg, den Schlüsselpunkt für den Besitz der Stadt Biecz.
Diesen Berg hatten die Russen besonders stark ausgebaut. Wiederum lagen Schützengräben stockwerkartig übereinander. Die Russen versuchten, heranzukommen und die deutschen Truppen an diesem Berg zu verzögern, indem sie von Süden zu einem Angriff ansetzten. Ein paar Schrapnelle genügten aber, um den schon schwer erschütterten. Feind zur Umkehr zu veranlassen. Noch am Abend des 3. Mai war der Wilczak in unserer Hand. Die preußische Garde nahm nach heißem Waldkampfe die Höhen von Lippie.
Dem rechten Flügel der österreichischen Truppen der Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand gelang es an diesem Tage, die Russen von den steilen Waldbergen östlich des Biala-Tales hinunterzuwerfen und in der Richtung auf Tuchow weiter Gelände zu gewinnen. Standen die Russen am 3. Mai noch ganz im Bann des tags zuvor erlittenen schweren Niederlage, so glaubten sie doch am 4. Mai die Offensive der Verbündeten zum Stehen zu bringen. Mit den am 3. Mai eingesetzten Teilen verfügten sie über vier bis fünf Infanterie- und vier Kavalleriedivisionen, die sie an diesem Tage den Angreifern entgegenführten.
In dem großen, nach Südwesten gerichteten Bogen, der als eine Art von großem Brückenkopf der Stadt Jaslo auf etwa 12 bis 15 Kilometer Entfernung vorgelagert war, finden wir die dritte Hauptstellung der Russen. In ihr waren die Höhen um Szerzyny, nördlich Biecz und die Ostra Gora wichtige Stützpunkte. Der Feind leistete an vielen Stellen erbitterten Widerstand, aber ihm fehlte, wie die gefangenen Offiziere aussagen, jede planmäßige einheitliche Leitung. War schon die Vermischung der Verbände infolge der Kämpfe am 2. und 3. Mai eine sehr erhebliche gewesen, so erfolgte am 4. Mai der Einsatz der Reserven völlig planlos. Regimenter- und bataillonsweise wurden die Verstärkungen in die Front geworfen, dorthin, wo die Not des Augenblicks gerade gebot. Die Auflösung erreichte bereits einen derartigen Grad, daß, wenn der Feind an einer Stelle der Kampffront zähen Widerstand leistete, dieser dadurch vergeblich wurde, daß die Truppen rechts und links jede Lust am Kampfe verloren hatten und vorzeitig das Weite suchten. So erwies sich auch die Behauptung der dritten Hauptstellung der Russen als unmöglich. Die preußische Garde erreichte am Abend des Tages die Gegend von Szerzyny. Das ungarische Honved-Regiment Nr. 10 setzte sich nach siebenmaligem Sturm in den Besitz der Höhe nördlich Biecz, worauf sich die Besatzung der benachbarten Höbe ergab. Weiter südlich schickten sich deutsche Angriffstruppen gerade zum Vorgehen auf die Ostra Gora an, als der durch schweres Artilleriefeuer erschütterte Feind weiße Fahnen schwenkte und sich in Scharen ergab, bevor noch ein deutscher Infanterist zum Angriff angetreten war. Am Abend des 4. Mai war der rechte Flügel der Armee Mackensen bis auf wenige Kilometer an die Wisloka herangekommen. Man rechnete mit neuen seitlichen Stellungen auf dem Ostufer des Flusses, sagten doch auch Gefangene aus, daß die Russen die Landeseinwohner zum schleunigen Bau betonierter Unterstände gepreßt haben. Dazu war aber für die russische Armee des einstigen bulgarischen Gesandten am Zarenhofe, jetzigen russischen Generals und zum Fürsten erhobenen Armeeführers Radko Dimitriew, keine Zeit mehr: die Reserven waren verbraucht, neue Truppenverbände noch nicht zur Stelle und die Offensive der Verbündeten kannte kein Stocken.
Bis zum Abend des 4. Mai stieg die Zahl der Gefangenen auf etwa 40000. Unter den gefangenen Kosakenoffizieren wurden Analphabeten festgestellt, welche merkwürdige Tatsache in einem ausdrücklichen Vermerk in den Personalpapieren dieser Offiziere ihre Bestätigung fand.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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