Die
Durchbruchsschlacht in Westgalizien
Berlin,
8. Mai (W. B.)
Aus dem Großen Hauptquartier erhält die "Frankfurter
Zeitung" über den weiteren Verlauf der Durchbruchsschlacht in
Westgalizien folgende telegraphische Mitteilung:
Am Abend des 2. Mai war es den verbündeten Truppen nicht nur
gelungen, die russische Front zwischen dem Karpathenkamm und dem
mittleren Dunajec zu durchbrechen, es war ihnen vielmehr auch am
Unterlauf dieses Flusses geglückt, das östliche Ufer zu gewinnen
Österreichische Truppen waren es, die in der Nacht vom 1. zum 2.
Mai bei Mondschein den Dunajec-Übergang erzwangen. Das Unternehmen
war so gut vorbereitet und ausgeführt, daß der gegenüberstehende
Feind völlig überrascht wurde. Neben mehr als 1000 Gefangenen
wurden zahlreiche Geschütze und Maschinengewehre erbeutet.
Am 3. und 4. Mai nahm die Durchbruchsschlacht ihren Fortgang, war
doch am 2. Mai erst die vorderste Hauptstellung der Russen gefallen
und hatten diese doch bis zur Wisloka, das ist auf eine Strecke von
etwa 30 Kilometern, noch drei weitere mehr oder weniger stark
ausgebaute befestigte Stellungen vorbereitet. In der russischen
zweiten Hauptstellung fanden die Verbündeten wenig Widerstand. Es
kam hier vielfach nur zu Nachhutgefechten. Größere Kämpfe fanden
an vereinzelten Stellen statt, vor allem an den Punkten, an die der
Feind von rückwärts Verstärkungen herangezogen hatte. Die Kämpfe
endeten allgemein damit, daß auch die Verstärkungen mit in den
Strudel des Rückzuges gezogen wurden. Nachmittags standen die verbündeten
Truppen vor der dritten Hauptstellung des Feinde, jedoch konnte der
Angriff am 3. Mai nicht mehr durchgeführt werden.
Die Gruppen des Generals v. Francois kämpften an diesem Tage noch
um den jener dritten Stellung vorgelagerten Wilczakberg, den Schlüsselpunkt
für den Besitz der Stadt Biecz.
Diesen Berg hatten die Russen besonders stark ausgebaut. Wiederum
lagen Schützengräben stockwerkartig übereinander. Die Russen
versuchten, heranzukommen und die deutschen Truppen an diesem Berg
zu verzögern, indem sie von Süden zu einem Angriff ansetzten. Ein
paar Schrapnelle genügten aber, um den schon schwer erschütterten.
Feind zur Umkehr zu veranlassen. Noch am Abend des 3. Mai war der
Wilczak in unserer Hand. Die preußische Garde nahm nach heißem
Waldkampfe die Höhen von Lippie.
Dem rechten Flügel der österreichischen Truppen der Armee des
Erzherzogs Josef Ferdinand gelang es an diesem Tage, die Russen von
den steilen Waldbergen östlich des Biala-Tales hinunterzuwerfen und
in der Richtung auf Tuchow weiter Gelände zu gewinnen. Standen die
Russen am 3. Mai noch ganz im Bann des tags zuvor erlittenen
schweren Niederlage, so glaubten sie doch am 4. Mai die Offensive
der Verbündeten zum Stehen zu bringen. Mit den am 3. Mai
eingesetzten Teilen verfügten sie über vier bis fünf Infanterie-
und vier Kavalleriedivisionen, die sie an diesem Tage den Angreifern
entgegenführten.
In dem großen, nach Südwesten gerichteten Bogen, der als eine Art
von großem Brückenkopf der Stadt Jaslo auf etwa 12 bis 15
Kilometer Entfernung vorgelagert war, finden wir die dritte
Hauptstellung der Russen. In ihr waren die Höhen um Szerzyny, nördlich
Biecz und die Ostra Gora wichtige Stützpunkte. Der Feind leistete
an vielen Stellen erbitterten Widerstand, aber ihm fehlte, wie die
gefangenen Offiziere aussagen, jede planmäßige einheitliche
Leitung. War schon die Vermischung der Verbände infolge der Kämpfe
am 2. und 3. Mai eine sehr erhebliche gewesen, so erfolgte am 4. Mai
der Einsatz der Reserven völlig planlos. Regimenter- und
bataillonsweise wurden die Verstärkungen in die Front geworfen,
dorthin, wo die Not des Augenblicks gerade gebot. Die Auflösung
erreichte bereits einen derartigen Grad, daß, wenn der Feind an
einer Stelle der Kampffront zähen Widerstand leistete, dieser
dadurch vergeblich wurde, daß die Truppen rechts und links jede
Lust am Kampfe verloren hatten und vorzeitig das Weite suchten. So
erwies sich auch die Behauptung der dritten Hauptstellung der Russen
als unmöglich. Die preußische Garde erreichte am Abend des Tages
die Gegend von Szerzyny. Das ungarische Honved-Regiment Nr. 10
setzte sich nach siebenmaligem Sturm in den Besitz der Höhe nördlich
Biecz, worauf sich die Besatzung der benachbarten Höbe ergab.
Weiter südlich schickten sich deutsche Angriffstruppen gerade zum
Vorgehen auf die Ostra Gora an, als der durch schweres
Artilleriefeuer erschütterte Feind weiße Fahnen schwenkte und sich
in Scharen ergab, bevor noch ein deutscher Infanterist zum Angriff
angetreten war. Am Abend des 4. Mai war der rechte Flügel der Armee
Mackensen bis auf wenige Kilometer an die Wisloka herangekommen. Man
rechnete mit neuen seitlichen Stellungen auf dem Ostufer des
Flusses, sagten doch auch Gefangene aus, daß die Russen die
Landeseinwohner zum schleunigen Bau betonierter Unterstände gepreßt
haben. Dazu war aber für die russische Armee des einstigen
bulgarischen Gesandten am Zarenhofe, jetzigen russischen Generals
und zum Fürsten erhobenen Armeeführers Radko Dimitriew, keine Zeit
mehr: die Reserven waren verbraucht, neue Truppenverbände noch
nicht zur Stelle und die Offensive der Verbündeten kannte kein
Stocken.
Bis zum Abend des 4. Mai stieg die Zahl der Gefangenen auf etwa
40000. Unter den gefangenen Kosakenoffizieren wurden Analphabeten
festgestellt, welche merkwürdige Tatsache in einem ausdrücklichen
Vermerk in den Personalpapieren dieser Offiziere ihre Bestätigung
fand. 2) |