Der Weltkrieg am 20. Juni 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die russische Grodekstellung genommen

Großes Hauptquartier, 20. Juni.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich des Kanals von La Bassée und auf der Front nördlich Arras wiesen wir mehrere feindliche Teilangriffe blutig ab. In der Champagne wurde eine französische Abteilung, die bei Perthes nach einer Minensprengung angriff, zusammengeschossen. Unternehmungen der Franzosen gegen unsere Vorposten am Parroy-Wald führten zu örtlichen Kämpfen, bei denen wir die Oberhand behielten. In den Vogesen wird Münster von den Franzosen heftig beschossen. Erneute feindliche Angriffe im Fechttale und südlich waren erfolglos. Aus einem feindlichen Fliegergeschwader, das, ohne militärischen Schaden anzurichten, Bomben auf Iseghem in Flandern warf, wurde ein Flugzeug herausgeschossen, mehrere andere zu schleuniger Umkehr gezwungen. Ein weiteres feindliches Flugzeug wurde in der Champagne über Vouziers heruntergeholt.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Russische Angriffe gegen unsere Linien in Gegend Szawle und Augustow wurden abgeschlagen. Eigene Vorstöße kleinerer Abteilungen führten zur Wegnahme der feindlichen Vorstellungen bei Budt Przysieki und Zalesie (östlich der Straße Przasnysz-Myszyniec).
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Südlich der Pilica nahmen Truppen des Generalobersten v. Woyrsch in den letzten Tagen mehrere feindliche Vorstellungen.
Die Armeen des Generalobersten v. Mackensen haben die Grodekstellung genommen. Zu Beginn des gestrigen Tages schritten deutsche Truppen und das Korps des Feldmarschalleutnants v. Arz zum Angriff auf die stark verschanzten feindlichen Linien; nach hartnäckigem Kampfe waren am Nachmittag fast durchweg die in mehreren Reihen hintereinander liegenden feindlichen Gräben auf der 35 km langen Front nördlich von Janow bis Huta-Obedinska (südwestlich Rawa-Ruska) gestürmt; am Abend war der Feind bis hinter die große Straße Zolkiew (nördlich Lemberg)- Rawa-Ruska geworfen.
Unter dem Druck dieser Niederlage ist der Gegner heute nacht aus der Anschlußstellung zwischen Grodek und den Dnjestrsümpfen gewichen, hart gedrängt von den österreichisch-ungarischen Truppen.
Zwischen den Dnjestrsümpfen und der Stryjmündung hat der Feind das südliche Ufer des Dnjestr geräumt.

Oberste Heeresleitung. 1)

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die siegreiche Schlacht bei Magierow-Grodek

Wien, 20. Juni.
Amtlich wird verlautbart:
10 Uhr vormittags: Auf der ganzen Front aus der Wereszycastellung zurückgeworfen, sind die Russen seit heute drei Uhr vormittags überall im Rückzuge.

Wien, 20. Juni.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Fortsetzung der kraftvollen Offensive der verbündeten Armeen führte gestern in der Schlacht bei Magierow-Grodek zu einem neuerlichen vollen Siege über die feindlichen Armeen. Nach Forcierung des San und nach der Wiedereroberung von Przemysl erzwang der Erfolg der verbündeten Truppen in der Durchbruchsschlacht zwischen Lubaczowka und dem oberen Dnjestr am 15. Juni den weiteren Rückzug des mittlerweile durch Heranführung zahlreicher Verstärkungen wieder schlagkräftig gewordenen Feindes. Er wich damals unter schweren Verlusten in östlicher und nordöstlicher Richtung zurück. In den folgenden Tagen brachte die russische Oberste Heeresleitung zur Deckung der galizischen Landeshauptstadt nochmals die Reste der geschlagenen Armeen zusammen, um in der durch das Terrain starken und gut vorbereiteten Wereszycastellung unser Vordringen endlich zum Stehen zu bringen. Nach heftigem Kampfe hat der Ansturm der heldenmütigen verbündeten Truppen auch diesmal wieder die ganze russische Front zum Wanken gebracht. Schon in den Nachmittagsstunden war die feindliche Stellung im Angriffsraum der Armee des Generalobersten v. Mackensen um Magierow durchbrochen. Der Feind begann gegen Rawa-Ruska und Zolkiew zurückzugehen, während er an der Wereszyka noch erbittert Widerstand leistete. Nachts erstürmten Teile der Armee Boehm-Ermolli die feindlichen Stellungen beiderseits der Lemberger Straße. Gleichzeitig drangen die übrigen Korps dieser Armee überall in die feindliche Hauptstellung ein. Seit 3 Uhr vormittags sind die Russen auf der ganzen Schlachtfront im Rückzuge, sowohl in der Richtung auf Lemberg als nördlich und südlich davon. Die verbündeten Armeen verfolgen.
Neuerdings fielen Tausende von Gefangenen und zahlreiches Kriegsmaterial in die Hände der Sieger.
Am oberen Dnjestr beginnt der Feind seine Stellungen zu räumen.
An der Front der Armee Pflanzer griff der Feind an mehreren Stellen erneut an, wurde jedoch unter sehr bedeutenden Verlusten zurückgeschlagen.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Nach leichter Abweisung schwächerer italienischer Angriffe bei Plava, Rouchi und Monfalcone trat auch gestern an der Isonzofront wieder Ruhe ein. Hier und an der Kärntner Grenze schießt die feindliche Artillerie ohne Wirkung gegen unsere Befestigungen.
Bei den von mindestens einer Brigade geführten, bekanntlich überall abgeschlagenen Angriffen auf unsere Stellungen östlich des Fassatales hatte der Feind erhebliche Verluste. Vor einem Stützpunkt allein wurden 175 italienische Leichen gezählt. 

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der 1. Weltkrieg im Juni 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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