Weißbuch
über die "Baralong"-Affäre
London,
8. Januar. (Reuter.)
Die englische Regierung hat ein Weißbuch über die
Beschwerden der deutschen Regierung gegen die Besatzung des englischen
Hilfskreuzers "Baralong" ausgegeben. Der Staatssekretär
des Auswärtigen, Sir Edward Grey, sagt darin, die englische Regierung
habe mit großer Genugtuung, aber auch mit Erstaunen vernommen, daß
Deutschland sich ernsthaft für die Grundlagen einer zivilisierten
Kriegführung einsetze und für diejenigen, welche sie mit Vorbedacht
beiseite setzen, Bestrafung fordere. Der Vorfall, welcher die deutsche
Regierung plötzlich daran erinnert habe, daß es derartige Grundlagen
gebe, sei ja allerdings einer, bei welchem Engländer und nicht Deutsche
die Übeltäter sein sollten; aber die englische Regierung nehme
nicht an, daß beabsichtigt werde, das Gebiet gerichtlicher Untersuchungen
willkürlich zu beschränken. Es würde ungereimt sein, den
"Baralong"-Fall allein als Gegenstand einer Untersuchung auszuwählen.
Selbst wenn die Beschuldigungen der deutschen Regierung zugegeben würden,
was die englische Regierung jedoch nicht tue, so wäre die Anklage
gegen Kommandant und Mannschaft der "Baralong" von geringer
Bedeutung im Vergleiche mit den Freveltaten, welche von deutschen Offizieren
zu Lande und zur See absichtlich gegenüber Kämpfern und Nichtkämpfern
begangen worden seien.
Grey erwähnt sodann drei Fälle, welche sich in denselben Tagen,
wie der "Baralong"-Fall, ereignet hätten: 1. die Versenkung
der "Arabic" durch ein deutsches Unterseeboot, welches ohne
vorherige Warnung gehandelt und keinen Versuch gemacht habe, die Besatzung
der "Arabic", die keinen Widerstand geleistet habe, zu retten;
2. den Fall des deutschen Torpedobootszerstörers, welcher ein an
der dänischen Küste gestrandetes englisches Unterseeboot entdeckt
und, obgleich er es vorher nicht verfolgt, obgleich es sich in neutralen
Gewässern befunden hätte und außerstande gewesen wäre,
sich zu verteidigen, das Unterseeboot und seine Mannschaft bei ihrem Versuche,
zu schwimmen, beschossen hätte. Ein dritter Vorfall habe sich ungefähr
48 Stunden später abgespielt. Der Dampfer "Ruel" sei durch
ein deutsches Unterseeboot angegriffen worden; er habe nicht den geringsten
Widerstand versucht, um sich zu retten, und sei mit Kartätschen und
aus Gewehren beschossen worden, wodurch ein Mann getötet und acht
andere, darunter der Kapitän, schwer verletzt seien. Der unter Eid
erstattete Bericht, auf den die Mitteilungen sich gründen, gebe keine
Ursache an, welche diese rohe, kühlen Blutes begangene Missetat rechtfertigen
würde.
Die britische Regierung sei der Ansicht, daß diese drei Fälle
zusammen mit dem "Baralong"-Fall vor einen unparteiischen Untersuchungsrat
gebracht werden könnten, z. B. vor eine aus amerikanischen Marineoffizieren
zusammengesetzte Kommission. Sollte dieser Vorschlag angenommen werden,
so würde die englische Regierung alles tun, was in ihrer Macht liegt,
um die weitere Untersuchung zu erleichtern, und die Schritte tun, die
die Gerechtigkeit erfordere. Die britische Regierung erachte es nicht
für notwendig, auf die Beschuldigung zu antworten, daß die
englische Flotte sich der Unmenschlichkeit schuldig gemacht habe. Die
letzten Statistiken, die sie zur Verfügung habe, erwiesen, daß
1150 deutsche Matrosen gerettet worden seien. Die deutsche Flotte könnte
diesen Rekord nicht schlagen, wahrscheinlich, weil sich ihr nicht die
gleiche Gelegenheit geboten habe. 1) |