Schwere Unruhen in Dublin
London, 26. April. (Priv.-Tel.)
Wie Reuter meldet, teilte im Unterhause Birrell, der Minister für Irland mit: Gestern brachen in Dublin Unruhen aus. Eine große, meistenteils bewaffnete Menge, die zu der revolutionären
Vereinigung Sinn Fein gehört, besetzte St. Stephensgreen und bemächtigte sich des Postamtes, wo sie die telegraphischen und telephonischen Verbindungen durchschnitt. Sie besetzte auch Häuser in den wichtigsten Straßen und längs dem Ufer. Im Laufe des Tages kamen Soldaten aus dem Lager von Currach, und die Behörden wurden Herr der Lage. Soweit bis jetzt bekannt ist, sind 3 Offiziere, 4 oder 5 Soldaten, 2 loyale Freiwillige und 2 Polizeibeamte getötet, 4 oder 5 Offiziere, 7-8 Soldaten und 6 loyale Freiwillige verwundet. Genauere Angaben über die Verluste der Sinn Feiner sind noch nicht erhalten worden. Berichte aus Cork, Limerick, Ennis, Tralee und Tipperary besagen, daß dort keine Unruhen vorgefallen sind.
Die "Frankfurter Zeitung" schreibt dazu:
Daß es in Irland schon seit einigen Monaten nicht mehr stimmte, ging aus Berichten hervor, die die englische Presse, besonders konservativer Richtung, von Zeit zu Zeit veröffentlichte. Irland betrachtete den Krieg nicht als seinen Krieg, die Werbungen hatten dort nur geringen Erfolg und obwohl Redmond und die Nationalistenpartei bei jeder Gelegenheit ihre Loyalität gegen das Reich versicherten, wofür sie übrigens in den Blättern der irischen Unabhängigkeitspartei, der Sinn Fein, als Verräter gebrandmarkt wurden, wagte man doch nicht, auch nur die Teilwehrpflicht, wie sie im Januar angenommen wurde, auf Irland auszudehnen, vermutlich, weil man sich vor dem Ausbruch eines Aufstandes oder wenigstens vor bewaffnetem Widerstand fürchtete. Auf der anderen Seite warben die Sinn Feiner fortgesetzt für sich Freiwillige, die in Dublin und anderen Städten des Landes am St. Patrickstage große Umzüge Veranstalteten und ganz offen für ein unabhängiges Irland demonstrierten. Diese Freiwilligen waren, wie "Times" und "Morning Post" berichteten, fortgesetzt in der Lage, sich Gewehre zu verschaffen. Auch gelegentliche Gerichtsurteile über Vergehen gegen die Loyalität zeigten, daß es in der irischen Bevölkerung gärte. Selbst in das Heer scheint die irische Bewegung übergegriffen zu haben, und wenn auch der irische Soldat nach der kriegerischen Überlieferung des Volkes da, wo er in den Kampf eingriff, sich stets tapfer schlug, so wußte doch der "Gaelie American", ein amerikanisches Irenblatt, schon im Anfang des Krieges zu berichten, daß ein irisches Regiment in Frankreich ein Londoner Regiment, das bei einem Krawall in Dublin auf die Menge geschossen hatte, angegriffen und bis auf den letzten Mann zusammengeknallt habe. Von englischer Seite ist unseres Wissens eine Widerlegung nicht erfolgt. Wenn es jetzt in Dublin zu einem ernsten Aufruhr gekommen ist, bei dem es Tote und Verwundete gegeben hat, so darf man freilich diesem Ereignis eine Bedeutung für den Gang des Krieges zunächst nicht beimessen. Daß aber der Reutersche Bericht und die Mitteilungen der Regierung im Parlament von dem Bestreben diktiert sind, die Lage möglichst schön zu färben, ist offensichtlich. Man weiß das ja auch von der Art, in der England über den Aufstand in Südafrika, die Meuterei in Singapur u. a. berichtet hat. Wenn es richtig ist, daß die Aufständischen noch am Montag abend vier bis fünf Stadtteile von Dublin besetzt hielten, so sind die Vorgänge jedenfalls kein Kinderspiel. Daß die englische Regierung dabei wieder versucht, Deutschland als Urheber des Aufstandes hinzustellen, gehört zum Ganzen. Als ob die Jahrhunderte alte Erbitterung Irlands über die englische Tyrannei ein deutsches Einfuhrerzeugnis wäre! Der Dubliner Aufstand zeigt eben, wie das wahre Gesicht des "menschenfreundlichen" England aussieht, dessen leitender Minister sich eben noch vor französischen Ohren über die Behandlung der Polen in Deutschland heuchlerisch entrüstet. Tatsachen reden. Die preußischen Polen tun tapfer ihre Pflicht im Kampf gegen die Entente, und ihre daheimgebliebenen Landsleute denken an keine Empörung. In Dublin aber, der Hauptstadt Irlands, das seit 700 Jahren unter Englands segensreichem Zepter steht, empört sich das Volk und wird durch Pulver, Blei und wahrscheinlich auch den Strick von der Güte und Vorzüglichkeit Englands überzeug.
Der Unterschied sollte auch den Amerikanern, aus deren Boden ja Millionen von Haus und Hof vertriebener Iren leben, zu denken geben. Die Nachrichten von den Dubliner Vorgängen werden auf diese nicht ohne Eindruck bleiben.
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