Rede
des Kaisers über den Seesieg
Berlin,
6. Juni.
Der Kaiser hat am 5. Juni in Wilhelmshaven von Bord des
Flottenflaggschiffes an die an Land angetretenen Abordnungen sämtlicher
an der Seeschlacht beim Skagerrak beteiligten Schiffe und Fahrzeuge
etwa folgende Ansprache gehalten:
"So
oft Ich in den vergangenen Jahren Meine Marine in Wilhelmshaven
besucht habe, jedesmal habe Ich Mich in tiefster Seele gefreut über
den Anblick der sich entwickelnden Flotte, des sich erweiternden
Hafens. Mit Wohlgefallen ruhte Mein Auge auf der jungen
Mannschaft, die im Exerzierschuppen aufgestellt war, bereit, den
Fahneneid zu leisten. Viele Tausende von euch haben dem Obersten
Kriegsherrn ins Auge geschaut, als sie den Eid leisteten. Er hat
euch aufmerksam gemacht auf eure Pflicht, auf eure Aufgabe. Vor
allen Dingen darauf, daß die deutsche Flotte, wenn es einmal zum
Krieg kommen sollte, gegen eine gewaltige Übermacht zu kämpfen
haben würde. Dieses Bewußtsein ist in der Flotte zur Tradition
geworden, ebenso wie es im Heere gewesen ist schon von Friedrichs
des Großen Zeiten an: Preußen wie Deutschland sind stets umgeben
gewesen von übermächtigen Feinden. Darum hat sich unser Volk zu
einem Block zusammenschweißen lassen müssen, der unendliche Kräfte
in sich aufgespeichert hat, bereit, sie loszulassen, wenn Not an
den Mann käme. Aber so gehobenen Herzens wie am heutigen Tage
habe Ich noch nie eine Fahrt zu euch gemacht. Jahrzehntelang hat
sich die Mannschaft der deutschen Flotte aus allen deutschen Gauen
zusammengesetzt und zusammengeschweißt in mühevoller
Friedensarbeit - immer mit dem einen Gedanken: Wenn es losgeht,
dann wollen wir zeigen, was wir können! Und es kam das große
Jahr des Krieges. Neidische Feinde überfielen unser Vaterland.
Heer und Flotte waren bereit. Aber für die Flotte kam nur eine
schwere Zeit der Entsagung. Während das Heer in heißen Kämpfen
gegen übermächtige Feinde allmählich die Gegner niederringen
konnte, einen nach dem ändern - wartete und harrte die Flotte
vergeblich auf den Kampf. Die vielfachen einzelnen Taten, die ihr
beschieden waren, sprachen deutlich von dem Heldengeist, der sie
beseelte. Aber so, wie sie es ersehnte, konnte sie sich doch nicht
betätigen. Monate um Monate verstrichen, große Erfolge auf dem
Lande wurden errungen, und noch immer hatte die Stunde für die
Flotte nicht geschlagen. Vergebens wurde ein Vorschlag nach dem ändern
gemacht, wie man es anfangen könne, den Gegner herauszubringen.
Da endlich kam der Tag. Eine gewaltige Flotte des
meerbeherrschenden Albion, das seit Trafalgar hundert Jahre lang
über die ganze Welt den Bann der Seetyrannei gelegt hatte, den
Nimbus trug der Unüberwindbarkeit -
da kam sie heraus. Ihr Admiral war wie kaum ein anderer ein
begeisterter Verehrer der deutschen Flotte gewesen. Ein tapferer Führer
an der Spitze einer Flotte, die über ein vorzügliches Material
und tapfere alte Seeleute verfügte - so kam die übermächtige
englische Armada heran, und die untere stellte sie zum Kampf. Und
was geschah? Die englische Flotte wurde geschlagen! Der erste
gewaltige Hammerschlag ist getan, der Nimbus der englischen
Weltherrschaft geschwunden. Wie ein elektrischer Funke ist die
Nachricht durch die Welt geeilt und hat überall, wo deutsche
Herzen schlagen, und auch in den Reihen unserer tapferen Verbündeten
beispiellosen Jubel ausgelöst. Das ist der Erfolg der Schlacht in
der Nordsee. Ein neues Kapitel der Weltgeschichte ist von euch
aufgeschlagen. Die deutsche Flotte ist imstande gewesen, die übermächtige
englische Flotte zu schlagen. Der Herr der Heerscharen hat eure
Arme gestählt, hat euch die Augen klar gehalten. Aber Ich stehe
heute hier als euer Oberster Kriegsherr, um tiefbewegten Herzens
euch Meinen Dank auszusprechen.
Ich stehe hier als Vertreter und im Namen des Vaterlandes, um euch
seinen Dank, und im Auftrage und im Namen Meines Heeres, um euch
den Gruß der Schwesterwaffe zu überbringen. Jeder von euch hat
seine Pflicht getan, am Geschütz, am Kessel, in der Funkenbude.
Jeder hatte nur das große Ganze im Auge, niemand dachte an sich,
nur ein Gedanke beseelte die ganze Flotte: Es muß gelingen; der
Feind muß geschlagen werden. so spreche Ich den Führern, dem
Offizierkorps und den Mannschaften vollste Anerkennung und Dank
aus. Gerade in diesen Tagen, wo der Feind vor Verdun anfängt
langsam zusammenzubrechen und wo unsere Verbündeten die Italiener
von Berg zu Berg verjagt haben und immer noch weiter Zurückwerfen,
habt ihr diese herrliche große Tat vollbracht. Auf alles war die
Welt gefaßt, auf einen Sieg der deutschen Flotte über die
englische nie und nimmermehr. Der Anfang ist gemacht. Dem Feind
wird der Schreck in die Glieder fahren! Kinder! Was ihr getan
habt, das habt ihr getan für unser Vaterland, damit es in alle
Zukunft auf allen Meeren freie Bahn habe für seine Arbeit und
seine Tatkraft. So ruft denn mit Mir aus:
Unser teures, geliebtes, herrliches Vaterland - Hurra, Hurra,
Hurra" 1)
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