Kaiser
Karl an die Völker Österreichs
Kaiser
Karl
An Meine getreuen
österreichischen Völker!
Seitdem Ich den
Thron bestiegen habe, ist es Mein unentwegtes Bestreben, allen Meinen
Völkern den ersehnten Frieden zu erringen, sowie den Völkern
Österreichs die Bahnen zu weisen, auf denen sie die Kraft ihres Volkstums
unbehindert durch Hemmnisse und Reibungen zur segensreichen Entfaltung
bringen und für ihre geistige und wirtschaftliche Wohlfahrt erfolgreich
verwerten können.
Das furchtbare Ringen des Weltkrieges hat das Friedenswerk bisher gehemmt.
Heldenmut und Treue, opferwilliges Ertragen von Not und Entbehrungen haben
in dieser schweren Zeit das Vaterland ruhmvoll verteidigt. Die harten
Opfer des Krieges müssen uns den ehrenvollen Frieden sichern, an
dessen Schwelle wir heute mit Gottes Hilfe stehen.
Nunmehr muß ohne Säumnis der Neuaufbau des Vaterlandes auf
seinen natürlichen und daher zuverlässigsten Grundlagen in Angriff
genommen werden. Die Wünsche der österreichischen Völker
sind hierbei sorgfältig miteinander in Einklang zu bringen und der
Erfüllung zuzuführen. Ich bin entschlossen, dieses Werk unter
freier Mitwirkung Meiner Völker im Geiste jener Grundsätze durchzuführen,
die sich die verbündeten Monarchen in ihrem Friedensangebote zu eigen
gemacht haben. Österreich soll dem Willen seiner Völker gemäß
zu einem Bundesstaate werden, in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedlungsgebiete
sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet. Der Vereinigung der polnischen
Gebiete Österreichs mit dem unabhängigen polnischen Staate wird
hierdurch in keiner Weise vorgegriffen. Die Stadt Triest samt ihrem Gebiete
erhält den Wünschen ihrer Bevölkerung entsprechend eine
Sonderstellung.
Diese Neugestaltung, durch die die Integrität der Länder der
ungarischen heiligen Krone in keiner Weise berührt wird , soll jedem
nationalen Einzelstaate seine Selbständigkeit gewährleisten.
Sie wird aber auch gemeinsame Interessen wirksam schützen und überall
dort zur Geltung bringen, wo die Gemeinsamkeit ein Lebensbedürfnis
der einzelnen Staatswesen ist. Insbesondere wird die Vereinigung aller
Kräfte geboten sein , um die großen Aufgaben, die sich aus
den Rückwirkungen des Krieges ergeben, nach Recht und Billigkeit
erfolgreich zu lösen.
Bis diese Umgestaltung auf gesetzlichem Wege vollendet ist, bleiben die
bestehenden Einrichtungen zur Wahrung der allgemeinen Interessen unverändert
aufrecht. Meine Regierung ist beauftragt, zum Neuaufbaue Österreichs
ohne Verzug alle Arbeiten vorzubereiten. An die Völker, auf deren
Selbstbestimmung das neue Reich sich gründen wird, ergeht Mein Ruf,
an dem großen Werke durch Nationalräte mitzuwirken, die, gebildet
aus den Reichsratsabgeordneten jeder Nation, die Interessen der Völker
zueinander sowie im Verkehr mit Meiner Regierung zur Geltung bringen sollen.
So möge unser Vaterland , gefestigt durch die Eintracht der Nationen,
die es umschließt, als Bund freier Völker aus den Stürmen
des Krieges hervorgehen. Der Segen des Allmächtigen sei über
unserer Arbeit, damit das große Friedenswerk, das wir errichten,
das Glück aller Meiner Völker bedeutet.
Wien, am 16. Oktober
1918.
Karl m. p.
Hussarek m. p.
Gleichzeitig wendet
sich Kaiser Karl folgendermaßen an Armee und Flotte:
Den Wünschen
aller Völker Österreichs entsprechend, erfolgt ihr Zusammenschluß
in nationale Staaten, vereint in einem Bundesstaate.
Wenn hierdurch einerseits Hemmungen beseitigt wenden, die im Zusammenleben
der Völker bestanden haben, so soll andererseits geeintem Schaffen
zum Wohle des eigenen Volkes und des Vaterlandes künftighin ungehemmt
freie Bahn offen sein.
In diesem bedeutungsvollen Augenblick wende Ich Mich an Armee und Flotte.
In euren Reihen hat die Treue und Einigkeit alle Nationen untereinander
und mit Mir stets unlösbar verbunden.
Unerschütterlich ist Mein Vertrauen, daß der seit alters her
und auch jetzt voll bewährte Geist der Treue und Eintracht unverrückbar
fortbestehen wird. Ihn wollen wir bewahren. Er werde Österreichs
neuen Staaten das kostbarste Erbe, ihnen und Mir zu Lust und Frommen.
Das walte Gott!
Schönbrunn,
am 17. Oktober 1918.
Karl m. p.
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