Das
letzte Mal an der Front, Juli - August 1918
Von
Oberleutnant Lothar Freiherrn v. Richthofen
1894-1922
Am
21. April 1918 fiel Manfred. Zuerst glaubte ich es nicht; die Nachrichten
in den Zeitungen waren aber so ausführlich - es mußte wahr
sein. Ich lag im Kieferlazarett in Düsseldorf und hatte meinem Bruder
nicht geholfen! Wie oft hatten wir uns gegenseitig das Leben gerettet
- bei seinem letzten Fluge hatte ich Manfred im Stich gelassen.
Meine Eltern, alle meine Verwandten und Bekannten bestürmten mich,
nicht wieder raus zu gehen. Doch meinen Schwur Rache zu nehmen, mußte
ich erfüllen, koste es was es wolle. Alles hatte sich gegen mich
verschworen. Der Kommandierende General der Luftstreitkräfte bot
mir im Hauptquartier eine sehr angenehme Adjutantenstelle an. Meine Ärzte
wollten mich nicht wieder hinauslassen, sie schrieben mich nicht "K.-V.".
Ehe dies bekannt wurde, mußte ich an der Front sein, sonst wurde
ich nicht zu meiner Jagdstaffel gelassen. Der normale Weg wieder ins Feld
zu kommen, dauerte 14 Tage bis 4 Wochen. In wenigen Tagen mußte
mein ärztliches Attest bei meinem Ersatztruppenteil in Hannover bekannt
sein, dann war es zu spät. Fürchterlich! Ich selbst war mir
nicht ganz klar, ob mein rechtes Auge, das bei der letzten Verwundung
verletzt worden war, im Luftkampf genügen würde; das konnte
kein Mensch beurteilen, das mußte ich selbst an der Front ausprobieren.
Nun kannte ich beim Generalkommando den Herrn, der die Personalien bearbeitete.
Also antelephonieren. Erklärte, sei wieder gesund, wollte die Staffel
wieder übernehmen. "Machen wir!" war die Antwort. Gleich
auf die Bahn gesetzt und ins Hauptquartier gefahren, war eins. Dort meldete
ich mich beim Kommandierenden General auf der Durchreise zur Front als
vollkommen wieder hergestellt. Diese Lüge war nötig, denn ich
wäre sonst im letzten Augenblick noch angehalten worden. In Verviers
wurde ich rührend behandelt. Bei Tisch saß ich zwischen General
v. Höppner und dem Chef Thomsen. Abends wurde ich im Automobil zur
Bahn gebracht; für die damalige Gummiknappheit, etwas Fabelhaftes.
Schlafwagen. Nächster Morgen Maubeuge. Dort bei strömendem Regen
Abholung mit Flugzeug, Koffer mit in der Maschine. Nach anderthalb Stunden
in Braisne bei Laon gelandet. Am selben Tage noch einen Frontflug gemacht,
in der Hoffnung einen Engländer zu töten. Im neuen Typ, fremdem
Flugzeug mit neuen Maschinengewehren und an einer neuen Front, natürlich
ohne Karte, war zuviel verlangt. Ich war froh, als ich nach einem Luftkampf,
in dem ich weder mit meiner Maschine fertig wurde, noch wußte wo
ich war, wieder glücklich auf unserm Flughafen landete. Zu meinem
großen Kummer war ein Engländer abgeschossen worden. Es war
überhaupt eine glänzende Gelegenheit gewesen, nur war ich meines
Auges wegen, das noch sehr störte, nicht ganz im Bilde. Ich hatte
kaum Freund von Feind unterscheiden, meine Maschine kaum steuern können,
da sämtliche Bedienungshebel verkehrt angebracht waren, für
gewöhnlich nämlich muß man seine Maschine erst vollkommen
neu für sich einrichten und des Öfteren einfliegen, ebenso seine
Maschinengewehre einschießen. Ich war todunglücklich, zweifelte
schon an meinem Auge. Meine Eltern waren noch nicht benachrichtigt, daß
ich wieder an der Front war. Meinem Vater hatte ich versprechen müssen
nur mit gesundem Auge wieder hinauszugehen. Ich mußte erst einen
abschießen, um das zu beweisen, machte mich also mit Eifer an meine
Maschine.
Einige Tage später hieß es heut ist der 500. Abschuß
des Jagdgeschwaders Richthofen fällig. Der Geschwaderführer
meinte, der stände ihm zu, aber da er am nächsten Tage auf Urlaub
fuhr, flog er nicht mehr mit. Ich freute mich mit meiner Staffel wieder
etwas abzuschießen. Leider war sie gar nicht einexerziert, eine
Unterstützung also nicht zu erwarten. Aber man sieht ja nicht, wer
in der Maschine drinsitzt; so mußten sie eben nur durch ihr Vorhandensein
wirken.
In 3000-4000 Meter Höhe an der Front angekommen, sehe ich etwa 100
feindliche Flugzeuge herannahen, die äußerst geschickt zusammenfließen.
Unsichtiges Wetter, dicker Nebel lag in der Luft, so daß man sehr
schlecht sah. Ich suchte nun die letzten der Feinde anzugreifen, um niemand
im Rücken zu haben. Am Feinde angelangt sehe ich mich um, wer nicht
hinter mir ist, ist die Staffel. Sie kam wohl hinterher, jedoch zu weit,
um sich an dem bevorstehenden Kampfe beteiligen zu können. Also werde
ich es ihnen mal vormachen.
Drei einzelne englische Einsitzer fliegen vor mir, über mir. Vor
mir, unter mir, ein dickes, eng zusammenfliegendes französisches
Doppelsitzergeschwader, etwa 20 Maschinen. Da konnte ich nicht allein
hineinstoßen. Ich nahm mir also den Mittelsten der Oberen aufs Korn.
Gleich bei den ersten Schüssen muß ich getroffen haben. Die
Maschine stürzte und fing sich nach 50 m wieder, aber steuerlos.
für alle Fälle verschoß ich noch meine übrigen Patronen
auf den Kerl. Er sollte brennen, tat es aber nichts weil ich gar keine
Brennmunition bei mir hatte, was ich nicht wußte. Ich beobachtete
noch den Aufschlag.
Aber halt, wo bin ich ? Orientierung verloren! Nach der Sonne will ich
zurückfliegen, da werde ich von oben von einem englischen Einsitzer
angegriffen. Von oben ist er schon im Vorteil, außerdem habe ich
keine Patronen mehr. Von meiner Staffel nichts zu sehen. Ich muß
also auf mich schießen lassen, versuchen kein sicheres Ziel zu bieten,
und mich im Kampfe nach unserer Font zu schlängeln, um bei einem
Schuß durch den Motor bei uns landen zu können. Nachdem der
Engländer etwa hundert Schuß auf mich verfeuert hat läßt
er plötzlich aus unerklärlichen Gründen von mir ab.
Froh den Tommy los zu sein, fliege ich wieder Richtung Heimat.
Noch bin ich nicht an der Front angekommen, da greift mich ein neuer Lord
von vorn oben an. Wieder winde ich mich nach allen Richtungen, um ihm
nicht ein sicheres Ziel zu bieten. Nachdem ich einige Treffer in die Maschine
bekommen, läßt auch dieser mich ungerupft davon. Ich bin nur
nach der allgemeinen Himmelsrichtung geflogen, komme aber in die Nähe
meines Flughafens.
Dort angekommen, bin ich der Erste zurück. Ganz allmählich erscheint
einer nach dem ändern. Zum Schluß fehlen noch drei, die nicht
mehr vor Dunkelheit eintreffen. Nun folgt ein böser Abend und eine
böse Nacht, in der ich mir dauernd Vorwürfe mache, nicht genug
aufgepaßt zu haben. "Wo gehobelt wird, da fallen Späne",
tröstet mich einer meiner Kameraden. Am nächsten Morgen erscheint
einer der Vermißten - er hatte sich verflogen. Dann läutet
es vom Armeeflugpark an Da war auch einer der Versprengten gelandet. Zum
Schluß fehlt noch einer - der war im Luftkampf leicht am Bein verwundet
worden. Beim Heruntergehen muß er kurz über der Erde das Bewußtsein
verloren haben, wenigstens hat er sich beim Landen das Genick gebrochen.
Schade, das war ein ordentlicher Pilot! Die Besten fallen immer, das ist
leider bei der Jagdfliegerei so besonders der Fall. Am nächsten Tag
fuhr der Geschwaderführer auf Urlaub. Von da ab führte ich das
Jagdgeschwader bis zu meiner letzten Verwundung. Den 500. Abschuß
hatte ich noch vorher zur Strecke gebracht, zehn Minuten später schoß
Loewenhardt den 501. ab.
Nun kam der Rückzug von der Marne, der Anfang zu unserm Ende. Die
Franzosen griffen mit weit überlegenen Kräften unsere, bei dem
Vormarsch abgekämpften Divisionen an.
Kurz vorher war unser mißglückter Angriff bei Reims. Die Franzosen
hatten aus beiden vorhergehenden Angriffen etwas gelernt. Erst ließen
sie uns auf das schleunigst verlassene Vorgelände trommeln, dann,
als wir dies Stück vorrückten. standen wir vor einer ausgezeichneten
Stellung, vor unverbrauchten Kräften selbst im Trommelfeuer. So endete
unser letzter Angriff bei Reims. Da griffen die Franzosen an der Marne
mit noch nie dagewesener Heftigkeit an. Unsere Divisionen in Flandern,
die dort zu immer neuem Angriff aufgestellt waren, wurden schleunigst
gegen die Franzosen geholt. Ein trauriges Bild. Kompanien in Stärke
von fünfzig Mann, geführt von Unteroffizieren. Die letzte Reserve!
Keine Bahnlinie war da, den kämpfenden Truppen an der Marne Nachschub
zu bringen. Erst Munition, dann Lebensmittel mußten mit Lastautos
herangeschafft werden. Die Stellung war gegen einen starken Angriff nicht
haltbar. Der ganze Nachschub mußte über den Chemin des Dames
laufen. So auch unsere sieben Sachen zur Erkundung eines rückwärtigen
Flugplatzes.
Wir kamen in Baracken auf die Pusieux-Ferme bei Laon. An dieser Front
schoß ich noch zwei Flugzeuge ab, einen Franzosen und einen Amerikaner.
Mittlerweile war ich bei meiner Ersatzabteilung in der Heimat händeringend
gesucht worden. Ein Telegramm nach dem ändern wurde nach mir ausgesandt.
Der Deserteur war nicht zu finden. Man überlegte, ob Stubenarrest
als Strafe genüge. Da stand ich plötzlich mit dem 30. Luftsiege,
dem 500. des Jagdgeschwaders, im Heeresbericht. Nie wieder machten mir
die Heimatbehörden Schwierigkeiten. Der 30. Luftsieg war auch die
erste Nachricht für meinen Vater, daß ich wieder draußen
war.
Nun zurück zu meinen letzten Abschüssen bei Laon. Beide machten
es mir sehr leicht. Der Amerikaner war ein ganzer Anfänger. Sie flogen
zu viert, wir zu dritt. Ich war etwas höher als der Amerikaner. Im
Augenblick war ich ran, etwa 50 Schuß und das feindliche Flugzeug
stürzte steuerlos ab. Ein Herr der mit mir flog, meinte, er hätte
den Amerikaner auch abschießen wollen. Gerade hätte er ihn
als Feind erkannt, als er mich dahinter sah und schon stürzte der
Yankee ab. Schnelle Erfassung der Situation bedeutet eben für den
Jagdflieger das Leben. So hatte der Amerikaner wohl überhaupt nichts
von mir gemerkt, eigentlich ein schöner Tod.
Der Franzose lebte etwas länger. Der Kerl flog mit sechs andern
zusammen und wir zu dritt. Ich war als Erster ran, griff mir den letzten
heraus. Er versuchte in seiner Angst sich mir durch Sturz- und Kurvenfliegen
zu entziehen. Ich ließ nicht locker und schoß ihn ab. Nicht
einen Schuß verfeuerte er dabei auf mich; er kam nicht dazu. Ich
flog dabei mit zwei Anfängern, die mich beinahe rammten. Einer davon
rammte dann später wirklich jemand, und zwar Loewenhardt. Der andere
brachte mir einige Treffer bei, weil ich zwischen ihm und dem Franzosen
flog. Er hatte in seiner Aufregung nur den Franzosen, nicht aber mich
gesehen. Für einen erfahrenen Jagdflieger ist es das einfachste nur
Einsitzer anzugreifen, fliegt man geschickt, kommt eben der andere gar
nicht zu Schuß. Man sitzt immer hinter dem Feind, der bloß
vornheraus schießen kann. Die meisten "Kanonen" haben
immer nette Lage! Den Tag wollte ich gerade nichts unternehmen, weil mir
hundeelend zu Mut war. Ich stand nunmehr auf und trommelte meine Staffelführer
zusammen. Loewenhardt mußte auf den neuen Platz, um dort alles vorzubereiten.
Ich fühlte mich außerstande zu fliegen. Um 2 Uhr nachmittags
kam Loewenhardt wieder. Er hatte einen abgeschossen und brauchte neue
Patronen, schilderte mir den dortigen Betrieb, wie ich es am Morgen schon
erfahren hatte. Um 4 Uhr beschlossen wir zu starten, für diesen Mordsbetrieb
die Anfänger zu Hause zu lassen. Am selben Nachmittag, von 5 Uhr
ab schoß das Geschwader noch 14 Engländer ab. Udet, Loewenhardt
und ich je drei. Ich flog mit Loewenhardt und den besten Leuten aus unseren
beiden Staffeln. Bei meiner Staffel sah es sehr schwach aus. Eigentlich
taugte da bloß noch einer was. Bei Loewenhardts Staffel war es ähnlich.
Die Besten waren gefallen, der Nachwuchs taugte sehr wenig. Wir starteten
zu etwa acht Maschinen. Über die Kathedrale von Laon ging es nach
Norden über das alte Sommeschlachtfeld hin. Wir waren nicht frontwärts
geflogen, um uns nicht an einem anderen Frontabschnitt in einen Kampf
zu verwickeln, wodurch wir von unserer Aufgabe abgelenkt worden wären.
Wir kamen somit von hinten auf unsere neue Front zu und waren noch nicht
in Höhe unsrer Flughäfen, als die Luft auch schon von Engländern
wimmelte. Gerade über einem deutschen Flughafen, der sich später
als der unsrige herausstellte, stießen wir auf ein englisches Bombengeschwader,
welches dort eben seine Eier gelegt hatte. Loewenhardt und ich (die andern
hatten das letzte Stück nicht so schnell fliegen können) griffen
den Gegner an. Die übrigen kamen erst im Laufe des Kampfes heran.
Wir flogen in etwa 4000 m Höhe, 100 m tiefer war eine durchbrochene
Wolkenschicht. Als ich nun einen angriff, verschwand die ganze Bande in
diesem Wolkenfetzen, das heißt, sie kamen alle Augenblicke wieder
zum Vorschein, verschwanden aber kurz darauf unter der altbewährten
Tarnkappe. Altbewährt! Wie viele sind mir durch diese Wolkenschichten
durch die Lappen gegangen! Ich selbst hatte in entscheidenden Augenblicken
nie einen deckenden Wolkenfetzen zu meiner Rettung. Ich griff also einen
an. Hatte mich gerade auf den Lord eingeschossen; bei den nächsten
Schüssen mußte der Kerl fallen. Da verschwindet mein Gegner,
ein Doppelsitzer, der tüchtig hinten heraus auf mich schießt,
in einer Wolkenschicht. Eine Sekunde später ich desgleichen; scheußliche
Lage! Welches Tempo nun einschlagen, um meinen Gegner nicht einfach zu
rammen? Fliege ich zu langsam, kann ich von hinten durch eigene Leute
gerammt werden; sie müssen inzwischen heran sein. Der Kampf hat begonnen,
von allen Seiten übertönt Maschinengewehrfeuer das Geräusch
des Motors. Ich wähle also ein Mittelding der Geschwindigkeit, in
der Hoffnung, die ändern dächten ebenso. Eine solche Lage ist
unangenehmer, als ein offener Luftkampf. Loewenhardt war wenige Meter
von mir entfernt auch in der Wolke verschwunden. Der Nebel ist in dieser
so dicht, daß man nicht einmal seine ganze Maschine übersieht.
Ein momenthaftes Hellerwerden, und plötzlich aus der Wolke heraus!
Der erste Blick: Wo ist Freund und Feind ? Das da ist mein Gegner. Der
nächste Wolkenfetzen ist diesmal sehr viel weiter entfernt. Vor diesem
muß ich den Lord erledigt haben. Durch die letzte Wolke bin ich
ein ganzes Stück von ihm getrennt worden, da er natürlich mit
äußerster Geschwindigkeit flog. Meine Nähe war ihm wohl
unangenehm; wahrscheinlich hatte er schon einige Treffer abbekommen. Nun
beginnt die Hetzjagd! Gelingt es ihm den nächsten Wolkenfetzen zu
erreichen, so ist er wieder geborgen, wahrscheinlich für immer vor
mir gerettet. Dieser Zwischenraum innerhalb der Wolkenballen ist besonders
groß. Jetzt oder nie! Ich gebe also dem Motor die äußerste
Leistungsfähigkeit, krümme mich ganz in meiner Maschine zusammen
und sause hinterher. Jetzt heißt es bis auf 50 m heran und dann
Schluß machen. Bei äußerster Beanspruchung meines Motors
gelingt es mir, Meter auf Meter aufzuholen. Mein Gegner, der inzwischen
bemerkte, daß ich die Verfolgung wieder aufgenommen habe, beginnt
sofort das Feuer auf mich von neuem zu eröffnen. Rechts und links
von mir, an meinem Kopf vorbei sausen die leuchtenden Geschosse des feindlichen
Beobachters. Ohne einen Schuß abzugeben, rücke ich ihm mehr
und mehr zu Leibe. Unheimlich für ihn, daß ich nicht schoß,
denn darin kam meine feste Absicht zum Ausdruck, ihn zu erledigen. Nur
auf kurze Entfernung, wie etwa 50 m, kann man sicher treffen. Unheimlich
für mich bei der Verfolgung war, daß der Kerl so viel schoß.
Oft waren die Geschoßgarben verdammt nah um mich herum. Ich duckte
mich noch mehr, um ihm ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Jedes
der Geschosse, die ich alle fliegen sah, konnte den sicheren Tod bringen.
Oft kribbelte es mir in den Fingern, zu früh mit schießen anzufangen,
aber die Gefahr, mich zu verschießen, ehe ich dicht am Feinde war,
war zu groß. Außerdem wollte ich mit meinen Patronen im Gurt
noch andere Engländer erledigen. Also sparen! Mittlerweile bin ich
auf 100 bis 50 m herangekommen. Mein Gegner hat auch nicht einmal Ladehemmung
und schießt wie ein Blödsinniger. Flogen mir die Garben zu
sehr um den Kopf gab ich immer einige Schreckschüsse ab. Der Erfolg
blieb niemals aus. Jedes Mal merkte ich, wie er vor Angst zu zielen vergaß.
So, nun war der Augenblick gekommen, nun war ich auf die nötige Entfernung
heran. Mit eisiger Ruhe nahm ich ihn aufs Korn, nun ging es um Sein oder
Nichtsein, die Treffmöglichkeiten waren für beide dieselben.
Es war höchste Zeit. Die rettende Wolke ist schon in erschreckender
Nähe. Ich schieße. Meine Leuchtspurmunition sehe ich im Rumpf
des feindlichen Flugzeugs verschwinden. Mein Feuer übertönt
das des Gegners. Die Wolke rückt immer näher. Jetzt muß
er drin verschwinden. Vielleicht fünf Meter sitze ich hinter meinem
Gegner. Er muß fallen. Da, ich sehe eine kleine Flamme in der Mitte
des Rumpfes, im nächsten Augenblick besteht das feindliche Flugzeug
aus einem Feuerballen von etwa fünf Meter Durchmesser. Und ich? Mit
knapper Not, kann ich noch gerade mein Flugzeug darüber wegreißen.
Um Haaresbreite. Die Berührung mit dem Feuermeer hätte genügt,
daß ich genau so zerplatzt wäre. Wenn ich ein Pferd, das sich
in voller Karriere befindet, plötzlich zum Stehen bringe, so grob
bildlich war das Hilfsmittel, das ich meiner Maschine geben mußte.
Die Reste meines Engländers flatterten wie irrende Papierfetzen langsam
der Erde zu. Wunderbar, daß man in solchen Augenblicken nicht die
Spur von Mitleid fühlte; im Gegenteil, man freute sich; vielleicht
nicht gerade an dem Anblick, aber manchmal auch das. Man freut sich wohl
mehr, durch Erledigung des Gegners der Gefahr entronnen zu sein; denn
erst bei völliger Entwaffnung des Feindes ist man seines eigenen
Lebens sicher. für den Augenblick hatte ich genug. Währenddessen
sah ich nach den andern. Loewenhardt war mit seinem Engländer gerade
in der Wolke verschwunden. Die übrigen hatten auch keinen erwischt.
Keiner hatte mehr recht Lust, die Jagd hinter den Kerls fortzusetzen.
Sie flogen zu geschickt in den Wolkenschichten. Es gab an dem Tage genug
andere, die herumflegeln, die machten es uns vielleicht bequemer. Wir
sammelten uns denn und gingen auf Suche. Inzwischen kamen immer dichtere
Wolken und eine geschlossene Wolkendecke in etwa 1500 m Höhe. Wir
fliegen an der Front auf und ab. plötzlich sehen wir 5 m hinter unserer
Front unsere Flugabwehrgeschütz schießen. Die Sprengpunkte
der platzenden Schrapnells sehen wir dicht unter den Wolken. Wir fliegen
hin, sehen den Engländer. Wir sind noch nicht auf Schußentfernung
heran, da zieht der Lord nach oben in die Wolken und verschwindet darin.
Wir bleiben darunter und erwarten, daß der Engländer mal heraus
fliegt, um sich zu orientieren. Er erscheint nicht mehr, flog wahrscheinlich
so lange nach der Uhr nach Westen, bis er sich sagte über eigenem
Gebiet und außer Gefahr zu sein. Plötzlich wird wieder einige
Kilometer hinter unserer Front ein einzelner Engländer, ein Einsitzer
diesmal aber, in etwa 500 m von unseren Flugabwehrgeschützen beschossen.
Das war übrigens der Haupterfolg unserer Abwehrgeschütze, daß
sie dem Jagdflieger durch ihre platzenden Schrapnells zeigten, wo sich
der Feind befand. Durch die Sprengwölkchen aufmerksam gemacht, eilten
wir hinzu; wir befanden uns zwischen dem Engländer und der Front.
Er mußte, wollte er nach Hause fliegen, unsern Weg kreuzen.
Loewenhardt und ich fliegen auf ihn zu. Versucht er rechts herum auszureißen,
ist er mein Opfer, links herum Loewenhardts. Zuerst hatte Loewenhardt
richtig gerechnet. Denn der Lord bog Zunächst nach seiner Seite aus,
verfolgt von Loewenhardt. Ich paßte nach der andern Seite auf, daß
er uns dort nicht entwiche. Bald sah der Engländer ein, daß
da kein Entrinnen sei, und versuchte es nun nach der rechten Seite - dort
war ich. Er hatte eine sehr schnelle Maschine und wollte im Bogen um mich
herum nach seiner Front entkommen. Ich hatte den inneren und kürzeren
Bogen. seine Maschine dagegen war in dieser geringen Höhe schneller
als die meinige. Ich hatte eine Maschine, deren Motor in geringer Höhe
nichts besonderes leistete. Dagegen in größeren Höhen,
durch Zugabe von erneutem Gas - eine damals noch neue Erfindung am Vergaser
- erheblich mehr leistete Es war ein richtiges Wettrennen. Ich hatte den
kürzeren Weg, er die bessere Maschine.
Trotzdem ich Höhengas einstellte, war der Kerl mindestens ebenso
schnell. Um immer größere Geschwindigkeit aus den Maschinen
herauszuholen, kamen wir stetig tiefer. So, jetzt war ich durch das Abschneiden
an ihn heran. In Baumhöhe jagten wir der Front zu.
In dieser Höhe schießt es sich sehr schlecht, da man zuviel
mit der Maschine beschäftigt ist und auf jeden höheren Baum
und die Propellerböen seines Vordermannes zu sehr aufpassen muß.
Die Propellerböe ist dabei das Unangenehmere, da sie immer ganz unerwartet
kommt. Jeder Propeller hinterläßt in der Luft einen Wirbel.
Ich bin selbst einmal, durch so einen Wirbel, man nennt es bei uns Propellerwind,
einige, das heißt reichlich 100 m senkrecht heruntergestürzt.
Dasselbe habe ich bei Manfred gesehen. Natürlich war es in größeren
Höhen, wo das weiter nichts ausmachte, nur eine sehr große
Beanspruchung der Maschine. Anders aber ist es, wenn man höchstens
10 m unter sich hat; man kann dann nur durch rechtzeitiges Bemerken und
richtiges Parieren der Böe vielleicht die Maschine vor dem sonst
sicheren Zerschmettern retten. Es ist auf alle Fälle sehr ungemütlich,
da man sich auch zu genauem Zielen scharf konzentrieren muß.
In etwa 10 m Höhe sause ich also hinter dem Engländer her. Immer
kann ich nur einzelne Schüsse abgeben, da ich zu sehr mit anderem
beschäftigt bin. Unten sehe ich die verschiedenartigsten Waffen von
Truppen, die erstaunt der wilden Jagd nachblicken. Da jetzt habe ich ihn
getroffen. Er schreitet zur Landung - oder ist es bloß eine Finte?
schnell noch ein paar Schüsse darauf gebrannt! Mit dieser wahnsinnigen
Fahrt will er anscheinend landen. Er saust wenigstens der Erde zu, ganz
als ob er landen wolle, und dann in den Boden. Splitter fliegen nach allen
Seiten. Ich muß wieder meine Maschine hochreißen um nicht
von den herumstiebenden Stücken getroffen zu werden. Mit knapper
Not komme ich noch über den nächsten Baum weg, dann erst bemerke
ich, daß ich in eine tiefe Mulde geraten bin. Mühselig, mit
kochendem, voll laufendem Motor komme ich ohne die Baumspitzen zu berühren,
aus der Mulde heraus. Der Engländer war diesseits erledigt; am Leben
wird er nach diesem Aufprall kaum geblieben sein. Ich konnte mich wenigstens
nicht mehr um ihn kümmern, denn ich mußte, um meinen Motor
zu kühlen, höhere Schichten aufsuchen.
Ich habe auch nie erfahren, was aus Nr. 34 geworden ist. Es waren keine
Meldungen in diesen Tagen von vorn zu bekommen, die Telephonleitungen
waren sämtlich zerschossen, außerdem war alles ziemlich kopflos,
denn es ging zurück, und das war die deutsche Truppe nicht gewöhnt.
Nach dem Abschuß hatte ich für diesem Flug genug. Winkte Loewenhardt
zu, er war auch mit einverstanden, wir fliegen nach Haus, das heißt
auf den neuen Flugplatz, der uns zum Benzinauffüllen und Patronengurten
zugewiesen war. Ich war sehr froh über diesen Flug, passe auf nichts
auf, lande zunächst mit Rückenwind, dann auf einem neuem Platz,
es ging ausgerechnet noch in dieser Richtung bergab, kurz und gut Entschuldigungen
gibt es immer und gibt es noch viel mehr - ich lande mit zuviel Fahrt,
komme mit dem Platz nicht ganz aus, rolle noch mit einer Tragfläche
gegen ein Zelt, das für meine Maschine bereit stand, mein schöner,
roter Vogel nimmt das übel, und die Tragfläche geht entzwei.
Meine Freude war zunächst etwas getrübt, als ich nun so neben
meiner treuen Maschine stand. Es war zu dumm und ärgerlich, bei diesem
Hochbetrieb. Aber man muß nicht undankbar sein, tröstete ich
mich. Wir wurden mit großem Hallo von unsern vorangeschickten Monteuren
und der dortigen Jagdstaffel empfangen. Denn sie hatten uns ankommen sehen
und mein erster Abschuß war von allen beobachtet worden. Wir beschlossen
sofort die Maschinen wieder in Ordnung bringen zulassen, um gleich starten
zu können. Währenddessen tranken wir dort eine Tasse Tee. Die
dortige Jagdstaffel 37 unter einem sehr liebenswürdigen Leutnant
Meer hatte den Tag ganz unerwartet auch so einiges erlebt. Man war aber
recht guter Stimmung. Wie sollte man auch nicht, denn jedem Jagdflieger
mußte ja das Herz im Leibe hüpfen, wenn so viele abschußreife
Engländer in der Luft herumschwirren. Während wir noch beim
Tee sitzen, hören wir plötzlich das jedem bekannte Geräusch,
wenn Fliegerbomben herunterfallen. Dicht neben uns, in die Nähe unserer
Maschinen, fliegen einige Bomben. Von den Engländern ist nichts zu
sehen, sie haben ihre Bomben durch die Wolken fallen lassen. Es hält
uns nicht länger, wir eilen auf den Flugplatz, noch sind unsere Maschinen
nicht alle fertig. Einige davon weisen Löcher auf; da sind Bombensplitter
durchgegangen. Wir sind reichlich empört über diese Frechheit
der Lords. Wessen Maschine fertig ist, er setzt sich ein. Ich muß
mir eine borgen. Zuerst habe ich Pech, erwische eine, da leckt der Benzintank
gerade im Augenblick des Startens, schnell auf eine andere und los. Zum
ersten Akt komme ich infolgedessen zu spät. Beim Start sehe ich noch
einen brennenden Engländer zur Erde stürzen.
Ungefähr an der Front erreiche ich die übrigen. Keiner erkennt
mich; ich fliege ja die Maschine eines andern. Ich fliege denn als
Leutnant Just mit. Der Flugbetrieb hat schon gegen den Vormittag sehr
abgenommen. Vielleicht machen die Engländer auch bloß Vesperpause.
Mit meiner Maschine bin ich übel reingefallen. Zunächst sitze
ich viel zu eng darin, alle Steuerhebel sind unbequem erreichbar. Die
Verwindung kann ich nicht ganz ausschlage, da kein Platz in der Maschine,
kann infolgedessen auch keine ordentlichen Kurven machen. Mit einem geschickten
feindlichen Jagdflieger darf ich mich nicht einlassen. Wir sind etwa fünf,
da werden wir plötzlich aus der Sonne von zehn feindlichen Einsitzern
angegriffen. Sie fliegen sehr geschickt zusammen. Ich mache eine große
Kurve und bekomme gerade den Letzten zu fassen. Der Kerl macht einen senkrechten
Sturzflug ich hinterher. In dieser Lage treffe ich ihn wohl tödlich,
denn er behält bis in den Boden die gleiche Flugrichtung bei. Nunmehr
ist es auch Zeit nach Hause zu fliegen, 60 km bis zur Pusieux-Ferme. Wir
zählen die Abschüsse des Geschwaders zusammen und siehe es sind
vierzehn. Dafür bekamen wir denn auch eine Belobigung vom Kronprinzen
für unser tatkräftiges Eingreifen. Den nächsten Tag schossen
Loewenhardt und ich wieder je zwei Engländer ab. Mit Loewenhardt
flog es sich zu schön, beinahe wie mit Manfred, wenigstens am ehesten
damit zu vergleichen. Wir hatten uns in kurzer Zeit sehr gut aufeinander
eingestellt und konnten uns glänzend in der Luft verständigen.
Ich war selig, seit Manfred wieder jemanden gefunden zu haben, auf den
man sich verlassen konnte. Loewenhardt äußerte sich ähnlich
über mich. Meine Doppelsitzer brannten beide. In einem schoß
ich beide Insassen tot. Das Flugzeug hatte aber wieder die berühmten
Gummizüge und stürzte nicht ab. Diese Gummizüge waren bei
den Engländern eine Einrichtung, wodurch die Steuerhebel sich selbständig
in ihre Normallage richteten, sobald die Steuer in der Luft losgelassen
wurden oder wenn wie hier, der Führer totgeschossen wurde. Dadurch
stürzte das Flugzeug nicht ab, sondern konnte sich noch länger
in der Luft halten. Nur der Brandmunition hatte ich es zu verdanken, daß
mir dieser Abschuß anerkannt wurde, denn er fing schließlich
an zu brennen. sonst wäre die steuerlose Maschine noch viele Kilometer
vom Winde weitergetrieben worden.
Am nächsten Tage fiel Loewenhardt. In dieser Gegend war Manfreds
letzter Flugplatz gewesen und ich hatte hier als Beobachter oft meine
Bomben auf feindliche Truppenlager geworfen. Loewenhardt hatte sich nun
den Tag vorher den Fuß verstaucht. Tags darauf, an seinem Todestag,
hatte er nun ein ganz dickes Bein. Ich sagte ihm noch, er solle auf den
wohl verdienten Urlaub fahren, denn es war wirklich ein Unsinn, er konnte
kaum stehen. Erfolglos. Der Flugbetrieb hatte gegen die ersten Tage schon
nachgelassen. Wir starteten gegen 11 Uhr. Den Tag hatten wir auch alle
Anfänger mitgenommen, für die es in den ersten Tagen zu gefährlich
war. Loewenhardt führte. Wir waren gegen zwölf Flugzeuge, Staffel
10 und 11 zusammen. Wie wir etwa 3-4 m hoch an der Front waren, sahen
wir mehrere feindliche Geschwader, durchschnittlich zwanzig Flugzeuge,
sich der Front nähern.
Eins nach dem anderen überschritten sie unsere Font. Mit allem war
ich sehr einverstanden. sie mußten ja sämtlich wieder an uns
vorbei, sobald sie nach Hause wollten. Ein Geschwader kam uns besonders
günstig. Da hätten wir mit unsern zwölf Maschinen ordentlich
drin aufräumen können. Da kam ein einzelner Engländer wenige
100 m unter uns durch. Loewenhardt wollte ihn wohl schnell noch mitnehmen,
die übrigen Lords hatten ja noch Zeit. Er stellte seine Maschine
rasch auf den Kopf und griff den einzelnen Einsitzer an. Die ganze Anfängerhorde
stürzte hinter Loewenhardt her, als ob sie alle den einen Engländer
abschießen wollten. Laut schimpfend blieb ich als einziger oben.
Allein die feindlichen Geschwader anzugreifen, wäre Wahnsinn gewesen.
Also ging ich in langsamem Gleitfluge hinterher und besah mir das Treiben
da unten. Das Bild war folgendes: Dicht hinter dem Engländer saß
Loewenhardt in seiner knallgelben Maschine. Ich sah sofort, daß
da jeder andere überflüssig. Fünf oder vier sahen dies
aber nicht, sondern flogen dicht hinter Loewenhardt, um sich anscheinend
mit an dem Kampf zu beteiligen. Wie oft konnte man da sagen, daß
Einer bloß einen abschießen kann. Nur für den Fall, daß
der betreffende Ladehemmung hat und abbiegt, soll eingegriffen werden,
plötzlich sehe ich also, wie der Engländer, eine Rauchfahne
hinter sich herziehend, senkrecht abstürzt. Gleichzeitig fast, was
ist das! Hinter dem abgeschossenen Engländer fliegt nicht mehr Loewenhardt,
sondern ein wildes Durcheinander von Tausenden von splittern. Ich mache
sofort einen senkrechten Sturzflug, um zu sehen, was da eigentlich los
ist. Loewenhardt ist gerammt!, wird mir sofort klar. In die Nähe
gekommen. sehe ich, wie aus dem Kuddel-Muddel von Splittern ein Fallschirm
herausfällt und sich entwickelt. Ich hoffte zuerst, es sei Loewenhardt
bei näherer Betrachtung aber hatte der Betreffende Pelzhandschuhe
an, es war also nicht Loewenhardt, denn er hatte keine solchen bei diesem
Flug mitgenommen. Ich beobachte dann noch, wo der Fallschirm landet und
wo die gelbe Maschine hinfällt. Den nicht abgesprungenen Loewenhardt,
dessen Fallschirm sich nicht entwickelt hatte. sehe ich nicht, da ich
noch zu weit entfernt bin. Dann fliegen wir nach Hause, alle sind sehr
niedergedrückt. Mit dem Automobil wird gleich nach vorn gefahren,
um näheres festzustellen. sie bringen unverletzt den Herrn wieder,
der mit Loewenhardt zusammenstieß, von diesem selbst ist außer
der Maschine nichts zu finden. Erst acht Tage später wurde die Leiche
von unserer Infanterie geborgen.
Den Nachmittag und den nächsten Tag mußte ich einen rückwärtigen
Flughafen auf suchen; die Engländer rückten Schritt für
Schritt weiter vor. Dann flog ich mit Udet. Einmal greifen wir ein größeres,
englisches Doppelsitzgeschwader an. Nur er und ich sind die Angreifer.
Ich schieße denn auf größere Entfernung, wohl die größte,
auf die ich je geschossen habe, auf etwa 200 m, da ich auch keine Lust
habe, mich als einziger in das feindliche Geschwader hinein zu begeben.
Ich ziele genau, und gebe mir größte Mühe. Zwanzig bis
vierzig Maschinengewehre erwidern mein Feuer. Nach dem ich so fast meine
ganzen Patronen verschossen habe, merke ich plötzlich, daß
mein Gegner eine andere Richtung einschlägt. Dabei fängt er
an zu rauchen. Ich mache zunächst Schluß mit Schießen,
um ihm auf nähere Entfernung den Rest zu geben. Das Flugzeug macht
eine große Kurve, platzt dann plötzlich auseinander und fängt
an zu brennen. Der Rumpf trennt sich von den Tragflächen und stürzt
wie ein Meteor zur Erde. Die Tragflächen bersten auseinander, schwanken
langsam der Erde zu. Am nächsten Tage beziehen wir den zweiten rückwärtigen
Flughafen. Es ist ein altes englisches Truppenlager, lauter Wellblechbaracken
nebeneinander aufgereiht in einer Mulde. Alle vier Staffeln des Geschwaders
haben darin Platz. Die Engländer waren gezwungen, sie zu bauen, als
wir die Siegfriedstellung bezogen, und auf einem Landstrich von manchmal
50 km Tiefe und einigen 100 km Breite nicht einen Stein auf dem ändern
ließen. In dieser Gegend war ich auf unserm ersten Vormarsch als
Dragoner, dann als Beobachter während der Sommeschlacht gewesen.
Es waren die schönsten Landstriche, die ich von Frankreich kennen
lernte. selbigen Tages flog ich noch mit Luft, Monicke und Vetter Ulf
(Richthofen) los. An der Front in 4000-5000 m angekommen, sehen wir, daß
es in allen Richtungen von Engländern wimmelt. Nur waren sie alle
noch viel höher, plötzlich wurden wir von sieben bis acht
Kameles angegriffen. Einen, der besonders frech einen meiner Begleiter
angriff, bekam ich zu fassen. Nach kaum zwanzig Schuß fing er an
zu brennen und verschwand, bis auf die Erde brennend, in der Tiefe; ebenso
bekamen Just und mein Vetter jeder einen zur Strecke. Ich sah das noch,
als ich von hinten von einem Kamel angegriffen wurde. Kurz kehrt. Nun
entwickelte sich ein längerer Kampf. Ich hatte es mit keinem Anfänger
zu tun, das merkte ich sofort. Außerdem war es ein sogenannter Wimpelmann,
d. h. er trug an beiden Tragflächen links und rechts je einen langen
Wimpel, meistens in Nationalfarben. Das betreffende Flugzeug war immer
das Führerflugzeug. Der Kerl flog außerordentlich geschickt,
so daß ich kaum einmal richtig zum Schuß kam. Sobald ich hinter
ihm saß und losschießen wollte, machte er kurz kehrt und schoß
seinerseits auf mich. Durch diesem Kurvenkampf kamen wir immer tiefer.
Dadurch war ich im Vorteil, weil wir ein ganzes Stück diesseits waren.
Nur noch 500 m hoch, versuchte er seinen letzten Trick, mir zu entwischen.
Er machte einen Sturzflug und tat als ob er landen wolle. In so einem
Falle, der gleich der Übergabe anzusehen ist, pflegt man sonst seinen
Gegner in Ruhe zu lassen. Ich aber kannte meinen Pappenheimer nur zu gut,
denn mir war auf dieselbe Weise schon mal einer entronnen. Ich blieb also
immer dicht auf; und richtig, in 10 m Höhe versucht er noch einmal
zu entkommen. Die Jagd geht also weiter. Viele Patronen hatte ich nicht
mehr, also sparen. Ich gebe immer nur einzelne Schüsse ab mit dem
einen Maschinengewehr, was nur noch schießt. Dabei schieße
ich ihm, wie er mir später erzählt, dicht am Ohr vorbei, das
Visier seines rechten Maschinengewehrs kaputt. Darauf landet er denn.
Eine Landung inmitten von Löchern und Schützengräben, wie ich
sie nicht wieder gesehen habe. Er hat auch viel Glück dabei gehabt.
5 m hinter einem alten Schützengraben steht die Maschine. Wie er
mir später erzählte, hätte er dem freiwilligen Tode die
Gefangenschaft vorgezogen.
Ich fliege dann gleich nach Hause, setze mich dort ins Auto, um an die
Abschußstelle zu fahren. Nach einigem Suchen finde ich ihn und nehme
ihn auf unsern Flugplatz mit. Dort saß er drei Stunden, nachdem
er sich von seinen Kameraden in England getrennt hatte, bei einer gemütlichen
Tasse Tee. Er blieb bis zum nächsten Morgen bei uns; Kapitän
Summers, 27 Jahre alt. Er war drüben Geschwaderführer gewesen,
hatte auch schon manchen abgeschossen, wieviel verriet er uns nicht. Kurz
vor dem Abendessen erlebte er noch seine Maschine, die mittlerweile herangeholt
worden war. Er mußte immer in seinen Pelzstiefeln herumlaufen, den
darunter trugen die Engländer nie Schuhe, was in so einem Falle sehr
unpraktisch war. Wer weiß, wie lange er gebraucht haben wird, um
in dem lederlosen Deutschland wieder zu Schuhen zu kommen. seine Maschine
war ganz neu, den Motor kannten wir noch nicht. Er wurde dann bei uns
geflogen, um gleich in die Heimat geschickt zu werden. so konnte die neueste
Errungenschaft drüben gleich für uns verwertet werden. Die Maschine
wies einige Treffer auf, aber keine gefährlichen. Abends unterhielten
wir uns mit dem Lord bei einem Glase Wein. Sehr belustigte uns damals
die Antwort auf die Frage, wie lange der Krieg noch dauern würde?
- "Nun, bis wir ihn gewonnen haben!" - Abends sollte er eigentlich
mit Lastauto nach St. Quentin geschafft werden. Da tat er mir leid, denn
er hätte dann sicher die Nacht im Freien verbringen müssen.
Ich schlug ihm vor, mir sein Ehrenwort zu geben, daß er des Nachts
keinen Fluchtversuch machen würde. Das tat er denn mit dem Bemerken:
bis morgen früh um 9 Uhr. Von da ab wollte er jede Gelegenheit zur
Flucht benutzen. Ich schenkte ihm zum Andenken an diesen Tag noch eine
Photographie von mir.
In der Wellblechbaracke brachte ich nur noch eine Nacht zu Morgens beim
Aufwachen wurde mir noch klar: heute ist ja der 13., dein Pechtag, an
dem du schon zweimal verwundet worden bist. Abergläubisch darf man
nicht sein. Ich wollte nun gerade fliegen, mir die letzten Bedenken wegen
des 13. zu vertreiben. Einen anderen Tag wäre ich vielleicht gar
nicht gestartet, denn ich hatte drei verschiedene, dringende Autofahrten
zu erledigen. Aber nein, heute muß der Bann mit dem 13. gebrochen
werden. Den Tag flog Just leider nicht mit, weil seine Maschine einen
Schaden hatte. Eine Menge Engländer an der Front. Ich greife einen
Doppelsitzer an; sehe in meinem Feuer den Beobachter zusammenbrechen,
in den nächsten Sekunden muß das Flugzeug fallen. Der Führer
scheint auch schon verwundet; da sehe ich mich nach meiner Staffel um.
Statt dessen verfolgen mich sechs Lords. schnell lasse ich notgedrungen
von meinem Opfer ab, um nun meinerseits auszureißen. Dies gelingt
auch ganz gut. Sie lassen denn auch alle von mir ab, nur einer folgt auf
mehrere 100 m Zwischenraum. Ich lasse mich zunächst verfolgen um
ihn von den anderen zu trennen und dann mit ihm allein zu tun zu haben.
Auf etwa 600 m schießt der Kerl auf mich. Ich fliege ruhig weiter,
denn auf die Entfernung kann man ja nicht treffen. Plötzlich ein
wahnsinniger Schmerz in meinem rechten Bein. Ich hatte meinen Schuß
weg. Der einzige Treffer in der ganzen Maschine. Ich hatte zunächst
solche Schmerzen, daß ich unfähig war, mein Steuer zu bedienen.
Mein rechtes Bein war aus dem Steuer rausgefallen, ich konnte es nicht
bewegen und hielt es mit beiden Händen fest. Nachdem ich einige 1000
m so abgestürzt war, kam die Erde in bedenkliche Nähe. Ich sah
nach dem Höhenmesser; nur noch 500 m hoch. Also war es Zeit, meine
Maschine wieder in die Hand zu bekommen. Dem Fallschirm traute ich nicht.
Auch hatte ich nicht mehr die Kräfte hinauszuspringen. Einen Augenblick
schien es, als verließen mich die Kräfte und Sinne. Da nahm
ich mein rechtes Bein in beide Hände und stellte es in das Seitensteuer.
Nun konnte ich meine Maschine wieder aufrichten und gradaus fliegen. Ich
landete, wo ich zufällig war. Erwischte einen Fleck im Trichtergelände
der alten Sommeschlacht, wo die Landung möglich war. Durch den Blutverlust
war ich so geschwächt, daß ich mich keine Minute länger
mehr hätte in der Luft halten können. Tags zuvor war ein Herr
meiner Staffel durch Blutverlust mit einer ganz leichten Verwundung tödlich
abgestürzt.
|