Die Schlacht bei Arras  

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 14., 16., 19.,
21., 25. und 30. Juli sowie 2. August 1917

Die Front der Arrasschlacht reicht von Loos im Norden bis Ouéant im Süden und wird durch die Scarpe, die bei Blangy unsere Linie in östlicher Richtung überschreitet, in nahezu gleiche Teile zerlegt. Das Gelände nördlich der Scarpe kennzeichnet sich durch den Höhenzug, der, an der Scarpe breit ansteigend, entlang unserer alten Linie nach Norden streicht und nördlich Givenchy wieder verflacht. Er fällt nach Osten bald in steiler, bald in flacherer Linie unmittelbar in die ziemlich kahle Ebene ab, in welcher Douai liegt. Südlich der Scarpe zeigt das Gelände eine reichere Höhengliederung, dazwischen Sumpfniederungen und reichlich in kleinen Gruppen verstreut Buschwerk und Baumschlag. Unter den Straßen, die von Arras wie die Beine einer großen Spinne ausstrahlen, wurden im Laufe der Kämpfe nördlich der Scarpe die Straße Arras - Gavrelle - Douai, südlich die Straße Arras - Cambrai von Bedeutung.
Die Stadt Arras, welche der Schlacht den Namen gab, hat für die Kampfhandlung selbst lediglich die Bedeutung einer Hauptstelle für die Regulierung des feindlichen Nachschubs und eines Schlupfwinkels für englische Artillerie und Bereitschaften. Die infolgedessen längst zusammengeschossenen Trümmer der Stadt sind von der Zivilbevölkerung geräumt. In der Ausführung der englischen Durchbruchsabsicht lassen sich an der Arras-Front drei zeitlich und methodisch umgrenzte Abschnitte unterscheiden:
1. In der Woche von Ostermontag, dem 9. April, bis zum 13. April 1917 der große, gleichmäßig starke, frontale Anprall auf der ganzen Front.
2. Von Mitte bis Ende April 1917 allgemeine Angriffe auf der ganzen Front, unter Verlegung des Hauptdruckes erst auf den südlichen, dann aus den nördlichen Teil unserer Linie.
3. Kämpfe mit dem Schwergewicht auf einzelnen Geländepunkten in den Angriffen des Mai und Juni 1917.


Einbringen von Gefangenen nach dem Einbruch in die deutschen Stellungen 
bei Arras im Raum Croisilles-Loos

Der erste Anprall

Der erste große Durchbruchsversuch am Ostermontag, am 9. April 1917, war vorbereitet durch wochenlanges planmäßiges Wirkungsschießen der feindlichen schweren Artillerie, das in zusammengefaßten, oft krampfartigen Feuerüberfällen die einzelnen Strecken und Punkte unseres Grabennetzes, soweit sie ihrer Erdbeobachtung zugänglich waren, zusammentrommelte und allmählich unsere Gräben in Trichterstellungen verwandelte. Der durch das Wetter metertief aufgeweichte Boden ließ eine Wiederherstellung der zerschossenen Grabenteile nicht zu. Wo die Unterstände nachgegeben hatten, stand die Besatzung schutzlos in Frost und Feuer. Die Beschießung wuchs von Tag zu Tag an Stärke, setzte wie zu einer letzten Pause der Sammlung 2 Tage vor dem großen Angriff plötzlich aus, begann am Abend des 8. April aufs neue mit zermürbenden Feuerwellen auf unsere Infanterie und Gasbeschuß auf unsere Batterien und schwoll am 9. April früh nach 5 Uhr mit größter Heftigkeit zu einem gewaltigen Trommelfeuer an. Die ganze Linie Souchez - Hénin sur Cojeul stand für 20 Minuten im Wirbelsturm ausspritzender Erdfontänen, blitzender Rauchwolken und krachend zerstiebender Eisenmassen.
Von einer für menschliche Begriffe geradezu unerträglichen Wucht war das feindliche Artilleriefeuer bei der Straße Neuville-St. Vaast - Thélus, dem Schauplatz jahrelanger Grabenkämpfe, und weiter südlich bei der Straße St. Laurent - Athies - Fampoux, wo die Engländer nach eigener Angabe auf eine Breite von 5 km 456 Feldgeschütze, 240 schwere und schwerste Geschütze und 268 Grabenmörser auf unsere Linie wirken ließen. Es bestand sonach kein Zweifel, daß der Gegner sein engeres Ziel darin suchte, an diesen beiden Stellen frontal Keile in unsere Linie zu treiben. die sich hernach fächerartig zerteilen und unser Grabennetz nach Norden und Süden aufrollen sollten.
Der Infanterieangriff fand einen durch die englischen Geschütze, die nach Gefangenenaussagen an diesem Tage Rad an Rad standen, wohlvorbereiteten Boden. Zwar wurden die ersten Angriffswellen von unseren noch kampffähigen Maschinengewehren und dem Sperrfeuer unserer Artillerie größtenteils aufgerieben; dem nun folgenden Ansturm englischer Massen konnte jedoch die 1. und 2. Linie unserer vorderen Stellung keinen dauernden Widerstand leisten.
An den beiden obenbezeichneten Einbruchstellen gelang es den Engländern infolge der ganz unerhörten Artillerievorbereitung, ziemlich tief in unsere Stellung einzudringen, so daß ihnen die Möglichkeit tatsächlich eröffnet war, dort die noch unerschüttert gebliebenen Teile unserer Linie von Norden nach Süden zu umfassen. Diese Absicht gelang ihnen im Süden nur bis zur Linie Westrand Roeux - Westrand Hénin sur Cojeul. Im Norden verblieb preußischen Regimentern der Ostteil der Vimy-Höhen, während westlich Givenchy und nördlich davon uns nicht einmal die vorderste Linie verloren ging. Im Raume zwischen den Straßen Arras - Lens und Arras - Gavrelle sahen sich Teile einer bayerischen Reservedivision der drohenden Umfassung aus Thélus, Farbus im Norden und Fampoux im Süden gleichzeitig ausgesetzt. Dank dem entschlossenen Eingreisen beherzter Unterführer gelang es, bei aller Unklarheit der Lage durch einen glänzend durchführten Gegenstoß in südwestlicher Richtung aus Gegend Bailleul einerseits und besonnener Gruppierung der vorhandenen Kräfte nach Nordwesten und Westen anderseits den Flankenstoß abzuwehren. Um die Wucht des englischen Ansturms zu ermessen, genügt der Hinweis, daß die Truppenmacht, die auf etwa 100 bis 150 m unserer Linie angesetzt war. in der Gegend von Roclincourt aus 3 bis 4 Bataillone geschätzt wurde.
Am Nachmittage des 9. April fügten Söhne der bayerischen Hochebene aus ihren schnell eingerichteten Stellungen im Vereine mit einigen gut wirkenden Batterien den in der Gegend von Thélus und Farbus eingenisteten schottischen Hochländern derartige Verluste bei, daß sie an eine weitere Ausdehnung ihres Gewinnes an diesem Tage nicht mehr denken konnten. Das Ergebnis des ersten Schlachttages war für die Engländer die Eroberung eines busenförmig in unsere Front vorgeschobenen Gebietes, begrenzt durch eine Linie, die auf dem Ostrande der Vimy-Höhe beginnend, westlich von Vimy vorbeilief, das Dorf Farbus einschloß, sodann südlich Bailleul bis vor Gavrelle nach Osten abbog, um sodann in südlicher Richtung am Ostrand Fampoux und Westrand Roeux Anlehnung zu suchen und endlich in nach Westen stark ausgebogenem Laufe nordwestlich Héninel in unsere alte Stellung wieder einzumünden. Die Dörfer Thélus, Farbus, St. Laurent, Athies, Fampoux, Feuchy, Tilloy und Neuville-Vitasse waren für uns verloren.
Am Abend des 9. April hatte sich die Wucht des feindlichen Angriffs in sich selbst verzehrt. War es der über Erwarten große Munitionsverbrauch, waren es die blutigen Verluste, die den Gegner zu einer Atempause zwangen, die Nacht verlief jedenfalls ruhig.
Auch am nächsten Tage fühlte sich der Gegner nicht stark genug, die Gewinne des ersten Schlachttages in allgemeinem Nachstoß zu vergrößern. Er vereinigte vielmehr alle seine verfügbaren Kräfte zu einer mit allem Nachdrucke, dessen er noch fähig war, geführten Unternehmung gegen denjenigen Punkt, der für ihn im Augenblick der wichtigste sein mußte. Das war Monchy. Dieser hochgelegene Ort beherrschte die gegenüberliegenden Höhen von Fampoux vollkommen. Sollten diese gehalten werden, so mußte Monchy fallen und im Anschluß daran Guémappe, Wancourt und Héninel.
In den Morgenstunden des Osterdienstags rollte der Gegner daher zunächst den in Linie Feuchy-Wancourt verlaufenden sogenannten Monchyriegel, eine unserer rückwärtigen Stellungen, teilweise auf. Nachdem er so freies Feld gegen die Höhe von Monchy gewonnen hatte, setzte er gegen die ganze Front von der Scarpe bis Héninel starke Angriffe an, die durch Reiterei und Tanks verstärkt wurden. Die Kämpfe, die mit ungeheuerer Erbitterung bis in die Nacht hinein dauerten und dem dicht auflaufenden Feinde schwere Verluste kosteten, endeten damit, daß unsere Stellung im allgemeinen voll behauptet wurde. Unklarheit herrschte nur südwestlich Monchy und bei Wancourt.
In den Morgenstunden des 11. April loderten die feindlichen Angriffe südlich der Scarpe sofort wieder auf. Diesmal gelang es den Engländern Monchy zu nehmen und gegen die tagsüber einsetzenden Gegenangriffe zu behaupten. Dagegen hatten die gleichzeitig fortgesetzten, mit 15 Tanks begleiteten Stöße der feindlichen Massen auf Wancourt und Héninel auch bis zum Abend des 11. April keinen Erfolg.
Der Verlust von Monchy machte jedoch die Zurücknahme unserer Linie südwestlich dieses Ortes um etwa 1 km notwendig, wollte man den Gegner nicht im Rücken haben. Wir gaben daher in der Nacht vom 11. auf den 12. April Wancourt planmäßig auf, behielten aber den Westrand von Héninel in dem Bereich unseres Widerstandes. Der hierdurch zum Ausdruck kommende endgültige Verzicht auf Monchy ging auf Erwägungen zurück, die auch nördlich der Scarpe zu einer freiwilligen Verlegung unserer Linie führen sollten und inhaltlich der Gewinnung eines neuen Verteidigungsgerippes den Vorzug verschafften vor Versuchen, in verlustreichen Gegenangriffen Gelände zurückzugewinnen, das nun einmal verloren war.
Nördlich der Scarpe hatte nämlich der Widerstand der Preußen- und Bayernregimenter am 9. April zwar den überlegenen Feind zum Halten gezwungen, gleichzeitig aber eine Linie geschaffen, die ihm im weiteren Verlaufe der Kämpfe eine starke Flankenwirkung auf die vorstehenden Nasen bei Bailleul und Givenchy in Richtung Süd-Nord unter gleichzeitigem Frontaldrucke in Richtung West-Ost erlaubt hätte; dem zu begegnen entschlossen wir uns am 12. April, in eine neue Linie zurückzugehen, die in einer vor mehr als Jahresfrist vorbereiteten Reservestellung erwünschte Anlehnung fand. Ihr Verlauf schloß von Norden her folgende Geländeteile ein: Westrand von Lens, Avion, Méricourt, Acheville, Arleux-en-Gohelle, Oppy, Ostrand von Gavrelle und endlich Roeux. Sie vereinigte sich westlich Moulin de Pelves mit unserer neuen Linie südlich der Scarpe. Die Zurücknahme unserer Front, die unter Rückbringung oder Sprengung unseres Materials und vom Feinde völlig ungestört vollzogen wurde, erfüllte ihren Zweck vollkommen. Sie gab uns die Möglichkeit der Verteidigung in einer selbstgewählten klaren Linie, beraubte den Gegner der unmittelbaren Einsicht in unsere Stellungen von den Farbus- und Vimy-Höhen herunter und setzte ihn außerstande, sich weiter seiner bisherigen ausgebauten Artilleriestellungen zu bedienen. Er mußte zur Erzielung günstiger Schußweiten seine Batterien teils bis fast auf die Höhen, teils bis über die Höhen herunter ins Tal vorziehen und kam dadurch zum Teil mit seinen Batterien wie mit seiner Infanteriestellung in den Wirkungsbereich unserer Beobachtung. Endlich gewannen wir dadurch, daß wir ihn zu einem neuen Aufbau seiner Kampfmittel zwangen, selber Zeit genug, uns in aller Ruhe einzunisten und für neue Angriffe vorzubereiten. Wie glücklich diese Maßnahme war, beweist allein der Umstand, daß damit den Anfangserfolg der Engländer ein Ziel gesetzt war. Sie erreichten von da ab nichts Nennenswertes mehr.
Unsere Verluste waren bis zum 13. April 1917 entsprechend dem Aufwand an Munition und Einsatz an Infanteriemassen seitens des Gegners hauptsächlich an Gefangenen keineswegs gering, überstiegen aber durchaus nicht dasjenige Maß, mit dem bei jedem ersten Ausbruchsversuche unter dem heutigen Aufwand an Artilleriemunition gerechnet werden muß. Die Geschütze, die am 9. April nicht mehr geborgen werden konnten, waren schon zuvor vom Feinde zusammengeschossen oder von der eigenen Bedienung gesprengt worden.
Die Engländer mußten ihre Erfolge mit ungeheuren Blutopfern in den Reihen ihrer massenweise eingesetzten Infanterie zahlen. Bei Willerval, Pelves und Héninel vorgetriebene Kavallerie büßte den Wahnwitz ihrer Führer mit Vernichtung. Die eingesetzten Tanks kehrten, von uns beschossen, teils wieder um, teils beendeten sie ihre Laufbahn innerhalb oder vor unseren Linien in unserem Feuer, wo sie wie gespensterhaft im Sturm erstarrte Schiffe stehen blieben.
Was der Feind im ersten Anprall seiner Offensive erreichte, war ein Geländegewinn, dessen taktische Bedeutung durch Maßnahmen unserer Führung ausgeschaltet wurde. Dafür war er um seine reichste Hoffnung betrogen, im ersten und daher kräftigsten Anlauf unsere Reihen leicht durchbrechen zu können. Wie sollte ihm dies gelingen, wenn ihm Überraschung und Überlegenheit der Kräfte nicht mehr zur Seite standen.

 

Die großen Angriffe am 23. und 28. April 1917

Der erste Ansturm der Engländer auf unsere Arras-Front vom 9. bis 12. April, der mit einem Riesenaufwand an Munition und Menschen in Szene gesetzt, mit den besten kanadischen und englischen Divisionen in verschwenderischer Massenwirkung durchgeführt worden war, hatte an der schlichten Selbstverständlichkeit deutscher Treue Schiffbruch gelitten.
Die Rückverlegung unserer Front nördlich der Scarpe blieb zunächst unbemerkt. Unsere in großer Stärke zurückgelassenen Patrouillen verbitterten dem Gegner in den kommenden Tagen den unverhofften Geländegewinn aufs gründlichste. So erlitt nach unseren Feststellungen besonders bei Loos seine Infanterie, bei Bailleul eine vorwitzig aufgefahrene Batterie schwere Verluste.
Während jedoch von Bailleul bis westlich Méricourt die beiderseitigen Patrouillen entlang unserer neuen Linie sich verhältnismäßig rasch ins Gleichgewicht setzten, gelang es uns weiter nördlich in der Gegend von Loos, Liévin und Lens, in langen Vorfeldkämpfen den Gegner empfindlich zu schädigen und aufzuhalten. Noch am 20. April sprengten wir nordwestlich Lens einige vor unserer neuen Stellung im Vorgelände liegende Unterstände samt ihrer zahlreichen feindlichen Besatzung in die Luft, und erst am 22. April ließen sich unsere Vorposten östlich Loos nach starkem feindlichen Artilleriefeuer auf die Hauptstellung, die mit unseren Hauptkräften längst besetzt war, zurückdrücken. Zu einem großen Angriffe war der Gegner auch nach dem 13. April noch nicht fähig. Um den Anschein einer einheitlich fortgesetzten Unternehmung zu erwecken, reihte er an die letzten Nachstöße des ersten Ansturms Einzelangriffe kleineren Stils, die er aber immerhin mit beträchtlichem Kräfteaufwand ins Werk setzte. Ob er damit mehr als kleine Verbesserungen seiner Stellung erreichen wollte, kann dahinstehen. Er schaffte sich dadurch jedenfalls gleichzeitig die Möglichkeit, in die Vorbereitung zu einem neuen allgemeinen Angriffe unauffälliger überzuleiten. Ernstliche Absicht zu Angriffen dieser Art bekundete der Gegner hauptsächlich südlich der Straße Arras-Gavrelle und der Scarpe. Nachdem er sich bereits am 12. April 1917 in zweimaligem Anlaufe auf Le Point du Jour-Fampoux schwere Verluste geholt hatte, setzte er am Abend des 13. und am 14. April die ganze Front südlich der Scarpe bis zum Sensée-Bach unter teilweise zum Trommelfeuer gesteigerte Artilleriewirkung. Die wiederholt einsetzenden Infanterieangriffe wurden jedesmal unter schwersten Verlusten für die Engländer abgewiesen.
Ein örtlicher Erfolg der Engländer, den sie in überraschendem Vorstoß am 15. April abends bei der Höhe 92 an der Straße Wancourt-Cherisy hatten, führte zu einer Reihe wechselvoller Gefechte, die bald in den Vorbereitungskämpfen zu einer neuen großen feindlichen Unternehmung aufgingen.
Seit dem 16. April war aus der Gegend südlich der Scarpe vermehrte feindliche Artillerietätigkeit gemeldet worden. Der Gegner schien dort seine Artillerie sehr bald nachgeschoben zu haben und begann alsbald mit Einschießen auf unsere Infanterielinie, Artilleriestellungen und Hintergelände. Nördlich der Scarpe lag zwischen Arleux und Roeux, ferner bei Loos zunehmendes Zerstörungsfeuer zum Teil schwerer Kaliber. Der Gegner bekämpfte mit seinen von Tag zu Tag an Zahl zunehmenden schweren Batterien abschnittsweise unsere neue Linie, während er sich mit seinen Erdarbeiten allenthalben näher an uns heranschob.
Durch bald größere, bald kleinere Patrouillenunternehmungen suchte er Anhaltspunkte über unsere Kräfteverteilung und die sonstigen Bedingungen für seinen geplanten zweiten großen Angriff zu gewinnen, wurde aber überall mit blutiger Antwort nach Hause geschickt. Die in und hinter unserer Front liegenden Dörfer, die uns als Stützpunkte dienen konnten, erhielten Zerstörungsfeuer schwerster Kaliber.
Von unserer Seite war alles geschehen, den zu erwartenden Möglichkeiten die Stirne zu bieten. Unsere schwere Artillerie hatte in fleißiger, gleichmäßiger Arbeit die feindlichen Batterien unter Feuer genommen und ihnen gezeigt, daß die schönen Sommezeiten für sie vorüber waren, wo die Verhältnisse ihnen gestatteten, wochenlang ungestraft auf unsere brave Infanterie loszutrommeln. Zahlreich auffliegende Munitionsdepots und Brände gaben unserer Artillerie die Quittung dafür, daß sie in ihrer Wahl der Ziele nicht fehlgegriffen.
Unsere Kampfflieger hielten reiche Ernte und boten den übrigen Waffen tagtäglich das herzstärkende Schauspiel siegreicher Luftkämpfe. Mochten die feindlichen Flieger den unsrigen an Zahl überlegen sein, an Kühnheit des Angriffs und an Erfolg standen sie weit hinter ihnen zurück. Für immer waren die Zeiten dahin, da der Gegner, wie an der Somme, sich zuweilen gar nicht erst die Mühe nahm, seine Batterien vor dem Angriff auf unsere Linien einzuschießen, sondern sie im Angriff selbst durch zahllose Flieger und Fesselballone, die eine ungehemmte Betriebsamkeit entfalteten, auf unsere sich regende Infanterie oder Sperrfeuer abgebende Artillerie zu lenken wußte. Wie im Jahre 1916 der Name Boelcke diesem ganzen Treiben ein rasches Ende bereitete, so bewiesen diesmal Freiherr von Richthofen und seine Getreuen dem Gegner, daß es mit seinem brutal anmutenden Massenaufgebot nicht getan ist, sondern daß auch im Kriege noch die Qualität ihre Stellung behauptet, die ihr kleinmütige Seelen schon aberkennen wollten. Die moralische Wirkung dieser siegreichen Luftkämpfe, die sich auf dem Hintergrund des lichtdurchfluteten Himmelsgewölbes allen Augen und Herzen zugänglich abspielten, übte auf die Truppe einen sich stets erneuernden begeisternden Einfluß aus. Jeder feindliche Flieger, der abgeschossen wie ein Schmetterling die farbigen Flügel zusammenklappte und als lichterloh brennender Rauchfetzen aus dem Raume, wo er stand, zu Boden fuhr, oder wie in Trunkenheit führerlos durch die Luft zur Erde torkelte, war für Infanterie und Kanonier eine Quelle der Genugtuung, die ihn tröstete: "Nun kämpfst du zum mindesten unter gleichen Bedingungen."
Das feindliche Artilleriefeuer hatte sich bis zum 21. April 1917 auf der ganzen Front in solchem Maße gesteigert, daß man mit einem bevorstehenden Angriff im großen Stil rechnen konnte. Der Gegner führte seine Massen da und dort durchs Gelände auf die Plätze, wo sie ihr Stichwort zu erwarten hatten, schon vor ihrem Austreten von unserer Artillerie lebhaft beschossen. Mehrsache Angriffe auf unsere Fesselballons zeigten uns, daß auf feindlicher Seite etwas vorging, was wir nicht sehen sollten.
Am 21. April kontrollierte die gegnerische Artillerie zwischen Oppy und Gavrelle in aller Form die Lage ihres Vernichtungsfeuers, und an der Scarpe drang der Gegner sogar nach Trommelfeuer und Beschießung mit Rauchgranaten in geringer Breite vorübergehend mit Infanterie in unsere Stellung ein. Bereitgestellte feindliche Kavallerie übte sich abermals in der undankbaren Rolle des fruchtlos Helfenden; Tanks wurden, bevor sie losgelassen werden konnten, unter unser zusammengesetztes Vernichtungsfeuer genommen. Ein nach sehr starker Feuervorbereitung am 22. April vormittags 9 Uhr erfolgter Infanterieangriff am äußersten Ende der Kampffront, in der Gegend von Loos, der die Engländer vorübergehend in unsere Stellung führte und der etwas aus dem Rahmen der sonstigen Angriffsvorbereitungen fiel, hatte offenbar nur den Zweck, unsere Reserven nach Norden zu locken, während der Hauptstoß im Süden der Kampffront geplant war.
In der Nacht auf den 23. April setzte lebhafte Artillerietätigkeit ein, die bis 4 Uhr morgens sich erheblich steigerte und nach 2 weiteren Stunden zu kurzem Trommelfeuer überging. Die Spannung löste sich. Auf der ganzen Front von Loos bis Bullecourt war der Infanteriekampf im Gange.
Während uns der Feind von Lens bis Avion den ganzen Tag über nur mit etwa 3 Brigaden beschäftigte, führte er bei Gavrelle, Roeux, Monchy und südlich davon gewaltige Kräfte zum Angriffe vor. Seine Absicht, da frontal weiter zu bohren, wo er bisher den meisten Erfolg zu verzeichnen hatte, trat unverkennbar zutage. Er fand hier auch die besten Voraussetzungen für das Gelingen seiner Pläne: in und um Arras die bewährten alten, hinter Athies und Fampoux neue Batteriestellungen, die rückwärtigen Verbindungen unserer direkten Beobachtung entzogen, Nachschub und Anmarsch durch das Straßen- und Bahnnetz um Arras in hohem Grade begünstigt.
Den feindlichen Massen gelang es, gedeckt durch die Rauchwand der ganz ausnehmend starken Artillerievorbereitung und unter Einsatz von Tanks, zunächst im Anlauf unsere Infanterie von Gavrelle bis zur Scarpe hinter eine Linie zurückzudrücken, die vom Ostrand von Gavrelle bis zu dem von Roeux verlief. Aber schon setzte der Gegenangriff ein. Gavrelle wurde umfassend von Norden und Osten wieder gestürmt, die Höhe südlich Gavrelle und Ortschaft Roeux wurden gleichfalls wiedergewonnen. Bahnhof Roeux war das einzige, was dem Gegner von seinem Vormittagserfolg zunächst verblieb.
Südlich der Scarpe hatten sich die Württemberger den ganzen Tag über mit schwäbischer Zähigkeit voll behauptet. Wo der Feind im ersten Ansturm sonst kleine Vorteile erringen konnte, wurden sie ihm nachmittags wieder entrissen. Abends 5½ Uhr hatten wir im wesentlichen unsere alte Linie wiedergewonnen.
Die englischen Divisionen, unter denen an diesem Tage 3 bereits zum zweiten Male in der Arrasschlacht eingesetzt waren, hatten nach Gefangenenaussagen den Befehl, unter allen Umständen den Durchbruch nördlich und südlich der Scarpe, vor allem aber an der Straße Arras-Cambrai zu erzwingen. Ab 5 Uhr 30 nachmittags überschütteten sie daher unsere ganze Linie von Oppy bis südlich Fontaine aufs neue mit stärkstem Trommelfeuer. Eine Stunde später stürmten neue Massen mit neuen Tankgeschwadern gegen unsere Linien. Unsere Artillerie war kampfkräftig geblieben. unsere Infanteriereserven waren zur Stelle, an ein Durchkommen war nicht mehr zu denken.
Nördlich der Scarpe verbluteten sich die englischen Massen schon in unserem Artilleriefeuer. Hart am Südrande des Flusses verloren die Württemberger auch diesmal keinen Fußbreit Boden. Weiter südlich bei Monchy und Guémappe verstärkten die Engländer ihren Angriff durch neu ins Treffen geführte Divisionen und vermochten so unsere Kompanien nach und nach in zähem Ringen aus den eben wiedergewonnenen Stellungen nach Osten wieder zurückzudrücken. Da weiter südlich unsere Infanterie wiederum standhalten konnte, waren bei Eintritt der Dämmerung Freund und Feind derart ineinander verzahnt, daß sich unsere Führung entschloß, zur Herstellung klarer Verhältnisse von der Ausnützung einer neuen, in ihrem Verlaufe ausgeglichenen und zur Verteidigung vorbereiteten rückwärtigen Stellung Gebrauch zu machen.
Die neue Linie, die in der Nacht ohne Störung durch den Feind und unter Zurücklassung von Patrouillen im Vorgelände eingenommen wurde, beginnt westlich Roeux, läuft nach Süden zwischen Monchy und Bois du Vert hindurch zum Westrand von Cherisy und biegt unmittelbar westlich von Fontaine in unsere alte Front ein. In der gleichen Nacht wurde Bahnhof Roeux wiedererobert. So hatte sich auch die zweite Riesenwelle der Arrasschlacht an unseren Linien gebrochen.
Am Morgen des 24. April machte sich beim Gegner starke Erschöpfung geltend. Seine schweren blutigen Verluste verboten es ihm zunächst, seine Angriffe südlich der Scarpe neu aufzupeitschen. Nur bei Gavrelle nahmen die erbitterten Kämpfe ihren Fortgang. Hier platzte Angriff auf Angriff. Der Gegner war hierbei den Unsrigen gegenüber insofern im Vorteil, als ihm die von uns in früheren Jahren angelegten bombensicheren Betonunterstände des Dorfes als Stützpunkte dienten. Gleichwohl sahen wir uns gegen Abend des 24. April im Besitze des größten Teiles der Ortschaft, ohne daß jedoch die Kämpfe einen Abschluß aufwiesen. Zwei Batterien, die den Versuch machten, östlich Bailleul offen aufzufahren, wurden zusammenkartätscht.
Südlich der Scarpe hatte der Gegner bis abends 5 Uhr seine Kräfte ausgefrischt und wagte nun nach kurzer, aber stärkster Artillerievorbereitung beiderseits der Straße Cambrai-Arras in Linie nördlich Monchy bis südlich Cherisy einen weiteren Versuch, sein Ziel, das er so nahe wähnte, zu erreichen. Vergeblich. Die Sturmwellen brachen teils in unserem Artilleriefeuer, teils im Nahkampf mit unseren frischen Regimentern blutig zusammen. Wir behaupteten nicht nur unsere Hauptstellungen, sondern auch die vorgeschobenen Sicherungen. Am 25. April leiteten die Engländer noch wiederholt letzte starke Versuche ein, den südlichen Schenkel unserer Front bei Monchy einzustoßen. Unsere Württemberger standen nach wie vor unerschüttert. Der Gegner resignierte gegen Abend in langsam abflauendem Artilleriefeuer.
Die zweite große Unternehmung des Feindes an der Arras-Front konnte als gescheitert gelten. Auf der ganzen Front vorbereitet, war sie mit wirklichem Nachdruck durchgeführt worden nur auf ihrem Südteil bis in die Gegend von Arleux, wo sie am meisten Erfolg und ihr Erfolg die beste Ausnützung versprach. Die Angriffe bei Loos hatten den Charakter der Demonstration beibehalten. unser Abschnitt von Acheville bis Arleux war sogar in auffallender Weise selbst von artilleristischen Angriffen verschont geblieben. Es hatte den Anschein, als ob dieser Teil der Front für eine besondere Unternehmung des Gegners aufbewahrt werden sollte. Dies änderte sich in demselben Augenblick, in dem die Aussichtslosigkeit des geplanten Durchbruchs auf der Südhälfte der Front erkennbar wurde. Schon am Nachmittag des 25. April erhielt besonders die bei Arleux vorspringende Nase unserer Stellung lebhaftes Feuer mittlerer und schwerer Kaliber. Auch die gesamte übrige Front wurde wie vor dem 23. April in die Angriffsvorbereitungen des Gegners einbezogen, wohl in der Absicht, die Richtung des geplanten neuen Stoßes zu verschleiern.
Am 28. April früh 5 Uhr 30 Minuten trat der Gegner nach stärkstem Trommelfeuer gegen unsere Linie von Acheville bis Fontaine zum dritten großen Angriffe an. Südlich der Scarpe wurde er ohne Mühe meist schon in unserem Sperrfeuer restlos abgewiesen. Dagegen entbrannte der Kampf in seiner ganzen Heftigkeit nördlich des Flusses. Roeux Ort und Bahnhof wurden uns entrissen und wiedergenommen, Oppy ging zum Teil verloren und wurde wiedergestürmt, bei Gavrelle, wo wir uns nach wechselvollen Gefechten an den Ortsrändern festgesetzt hatten, kam der feindliche Ansturm in kürzester Zeit zum Stehen. Nur bei der Ortschaft Arleux. wo das Hauptgewicht der Artillerievorbereitung gelegen hatte, gelang es dem Gegner, Vorteile zu erringen und unsere Linie hinter die Ortschaft zurückzuschieben. Das war alles. Sonst gelang es unserer Infanterie. von der Artillerie und Fliegern aufs trefflichste unterstützt, den ganzen Ansturm, ohne auf die Reserven zurückgreifen zu müssen, zum Stehen zu bringen.
Zieht man die ungeheuer schweren blutigen Verluste der Engländer an diesem Tage in Betracht, so erscheint der erreichte Vorteil als höchst gering. In die Herzen unserer Leute aber hielt aufs neue Einzug die Festtagszuversicht großer siegreicher Schlachttage, das sonnige Kind des Erfolges, das trotz aller Opfer, die der harte Kampf gekostet, zum blauen Himmel aufjubelt: "Es wird ihnen nie gelingen!"

 

Die letzten Kämpfe im Mai und Juni 1917

Die letzten Ereignisse der Frühjahrsschlacht vor Arras brachten zunächst noch den großen allgemeinen Angriff der Engländer vom 3. Mai 1917, äußerten sich sodann bis Ende des Monats in Schlachten und Gefechten mehr örtlichen Charakters und leiteten schließlich in der ersten Juniwoche zu der neuen feindlichen Offensive in Flandern über.
Die rein örtliche Bedeutung der Eroberung von Arleux e. G. am 28. April konnte den Gegner natürlich keineswegs befriedigen. Er hatte von dem mit größtem Aufwande durchgeführten Angriffe einen entscheidenden Erfolg erwartet. So war er denn am 29. April zunächst bemüht, bei Oppy das Erreichte wenigstens nach Kräften auszubauen. Am frühen Morgen griff er das Dorf an, drang ein, wurde aber durch preußische Gardereserve im Handgemenge erst aus dem Dorfe, dann aus dem dicht westlich gelegenen Parke wieder hinausgedrückt. Drei weitere starke Anläufe wurden abgewiesen.
Die feindliche Artillerie belegte am 29. April und den 3 folgenden Tagen unsere Infanterie- und Batteriestellungen der ganzen Front, besonders aber das vergeblich berannte Oppy, mit Feuer schwerer und schwerster Kaliber, das sich zeitweise zum Trommelfeuer steigerte. Die feindliche Infanterie zeigte infolge unseres gut liegenden Vernichtungsfeuers nirgends ernstliche Neigung, die Früchte dieser artilleristischen Vorbereitung einzuheimsen. Am 29. April wurde ein kleiner Teilangriff bei Roeux abgeschlagen, am 30. April früh erwartete Angriffe bei Vimy und südlich der Scarpe blieben aus; am 1. Mai brachen schwächliche Ansätze zu Infanterieangriffen östlich Monchy und bei Fontaine in unserem Sperrfeuer zusammen; Einzelunternehmungen bei Lens und Loos am 1. Mai und ein am 2. Mai geplanter Angriff auf Oppy wurden durch unser Sperrfeuer, teils schon im Keime durch unser Vernichtungsfeuer erstickt.
Inzwischen hatte der Gegner seine kampfmüden Fußtruppen zum Teil abgelöst, seine Artillerietätigkeit wesentlich verstärkt. verschiedentlich Angriffe auf unsere Fesselballons unternommen und seine Tanks aufmarschieren lassen. Alles das deutete auf die Absicht eines neuen Angriffs.
Der 3. Mai 1917 war Großkampftag. Dem seit Mitternacht zum stärksten Trommelfeuer gesteigerten Artillerie- und Minenfeuer folgte früh 5½ Uhr auf der Linie Acheville - Ouéant der feindliche Infanterieangriff, der sich nach Absicht und Anlage als neuer, auf 30 km Breite mit etwa 15 Divisionen ins Werk gesetzter Durchbruchsversuch darstellte und an Wucht den Angriff vom 28. April noch übertraf. Der Kampf entbrannte mit besonderer Heftigkeit da, wo der Gegner seine neuen Divisionen eingesetzt hatte. Südlich der Scarpe, wo der Angriff wieder durch Tanks verstärkt worden war vermochten die Engländer zunächst in den Ort Cherisy sowie an einzelnen Stellen bei Riencourt, Bullecourt, südlich der Straße Arras-Cambrai und dicht südlich der Scarpe in unsere Gräben einzudringen. Nördlich der Scarpe gingen Roeux und Fresnoy verloren.
Aus Cherisy und Roeux wurde der Gegner im Laufe des Tages wieder geworfen und dicht südlich der Scarpe zurückgedrückt. Was ihm am Abend von seinem Anfangserfolge verblieb, war ein etwa 500 m breites Nest innerhalb unserer Linie zwischen Riencourt und Bullecourt sowie der Ort Fresnoy, der im Gegenangriff bis auf den Teil um die Kirche zurückerobert, dann aber erneut an die Engländer verloren gegangen war. Dagegen wurden die feindlichen Massen bei Gavrelle und Oppy, wo sie mit ganz besonderer Hartnäckigkeit in 5 Stürmen anliefen, durch preußische Gardereserve und bayerische Truppen immer wieder in stets erneuten Kleinkämpfen von Trichter zu Trichter zurückgewiesen. Was der Gegner hier an Toten und Verwundeten verlor, war selbst im Rahmen der Arrasschlacht ganz außerordentlich.
In der Nacht zum 4. Mai dauerten die erbitterten Kämpfe fort. Cherisy ging nochmals verloren, wurde aber wiederum gesäubert. Bullecourt wurde dreimal, am Morgen des 4. Mai zum vierten Male von dicken Infanteriemassen angegriffen. Vergeblich. Die Angriffe scheiterten auch hier unter den schwersten Einbußen für den Gegner.
Der Ansturm vom 3. Mai war der letzte in ganz großem Stile angelegte Durchbruchsversuch der Frühjahrsschlacht von Arras. Er kann nach der Wucht seiner Massenstöße, nach der Erbitterung der Kämpfe und nach den außergewöhnlich schweren Verlusten des Gegners als Höhepunkt des ganzen Angriffsunternehmens gelten.
In der Folgezeit versuchte der Feind zwar noch wiederholt, hauptsächlich unter Ausnützung seiner frischer gebliebenen Artillerie, den Anschein der im größten Stile einheitlich auf der ganzen Front durchgeführten Offensive zu wahren. Tatsächlich war jedoch der Augenblick erreicht, wo er im Rahmen der ihm für die Arrasschlacht zur Verfügung stehenden Kräfte zu den Einzelunternehmungen übergehen mußte, die noch bei jeder gegnerischen Offensive den Verzicht auf die Verwirklichung der großen Absichten zu verschleiern hatten. Was noch folgte, war das "Austoben" der großen Schlacht, das Übergangsstadium bis zu dem Zeitpunkte, wo die oberste englische Führung die Aussichtslosigkeit der Offensive an dieser Front erkannte und zu einem neuen Entschlusse durchdrang. Am 4. Mai setzten die wechselvollen und überaus zähen Trichterkämpfe um das Engländernest südwestlich Riencourt ein, die bis zum 8. Mai zu keinem endgültigen Ergebnis führten. Abgesehen von einem kleinen Geländevorteil südlich des Souchez-Baches westlich Avion, den der Gegner in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai errang und in den folgenden Nächten befestigte, gelang es seinen da und dort vorfühlenden Stoßtrupps nirgends, Boden zu gewinnen.
Mit der Besetzung des hochliegenden Dorfes Fresnoy hatte der Gegner weitreichenden Einblick in unsere Stellungen gewonnen. Es galt daher, ihm zuvorzukommen, bevor er von dem ihm zugefallenen Vorteile Gebrauch machen konnte. Das Dorf war am 3. Mai gefallen, am selben Abend war der Entschluß gefaßt, es zurückzuerobern, und in derselben Nacht noch der Angriffsplan in allen Einzelheiten fertiggestellt.
Der Sturm auf den Ort wurde in der Hauptfache bayerisch-fränkischen Regimentern übertragen, der Zeitpunkt auf den 8. Mai festgesetzt. Gleich am 4. Mai wurde mit den allgemeinen, am 5. mit den artilleristischen vorbereitenden Maßnahmen begonnen. Nachdem unsere Geschütze den zu nehmenden Raum 2 Tage aufs kräftigste bearbeitet hatten, erfolgte das Vorbrechen der Infanterie frontal gleichzeitig gegen die Ortschaft und die anschließenden Linien. Der Sturm führte zu erbitterten Nahkämpfen in Ort und Umgebung, bei denen sich die Überlegenheit unserer Infanterie über die Engländer besonders im selbständigen Handeln kleiner Gruppen in hellstem Lichte zeigte.
Das Angriffsziel, Dorf und Anschlußlinien, wurde in vollem Umfange von 2 km Breite erreicht und gegen alle Wiedereroberungsversuche, die auch am 9. Mai noch andauerten, gehalten. Neun Offiziere, 400 Mann Gefangene und viele Maschinengewehre waren neben dem taktisch wertvollen Geländegewinn das Ergebnis des sorgfältig vorbereiteten und mit entsprechendem Schwung und Glück durchgeführten Angriffs.
Abgesehen von einem kleinen mißlungenen Teilangriffsversuche der Engländer bei Roeux am 9. Mai. spielte sich in der Zeit vom 8. bis 11. des Monats die Hauptkampftätigkeit im Raume Bullecourt - Riencourt ab. Sie äußerte sich in stets wiederholten Angriffen, hin und her wogenden Handgranatenkämpfen und zähen Aufrollungsversuchen an der Einbruchsstelle.
Am 11. Mai abends 9 Uhr 30 Minuten setzten nach planmäßigem Einstießen und Trommelfeuer starke feindliche Angriffe in dichten Massen gegen die Räume Gavrelle - Roeux und Monchy - Cherisy ein. Sie brachen im Raume Monchy - Cherisy meist schon in unserem Sperrfeuer zusammen. Dagegen gelang es dem Gegner, in Roeux Dorf und Bahnhof einzudringen. Das Dorf wurde im Gegenstoß wieder genommen, der Bahnhof verblieb den Engländern. In den Morgenstunden des 12. Mai erneuerte der Feind sein Trommelfeuer auf der ganzen Front von Acheville bis Ouéant. Infanterieangriffe folgten jedoch nur zwischen Gavrelle und Roeux. Sie wurden nördlich Roeux abgewiesen, dagegen führten sie von dem höher gelegenen Bahnhof Roeux aus zur erneuten Wegnahme des Dorfes. Am Abend des 12. Mai griffen die Engländer nach stärkster Feuervorbereitung zwischen der Scarpe und der Straße Arras-Cambrai zweimal an, wurden aber teils im Nahkampf, teils in unserem Feuer blutig abgeschlagen. Ein weiterer Nachstoß südlich der Scarpe bis Monchy scheiterte abermals. Unsere Stellungen blieben unverändert, das Nachlassen der feindlichen Stoßkraft war hier nicht zu verkennen.
Dagegen war inzwischen die Erbitterung der Kämpfe bei Bullecourt aufs höchste gestiegen. Der Gegner trug sich offenbar mit der Absicht, von diesem Ort aus den Knick unserer Stellung südwestlich von Fontaine abzudrücken und so unsere Stellung von Süden her zu zerschlagen. Er setzte alles dran. diesen Plan zu verwirklichen. Nicht weniger als 12 Angriffe führte er am 11. und 12. Mai gegen das Dorf durch. Von Osten, Westen und Süden gleichzeitig bedrängt, vermochte die an Kräften weit unterlegene Besatzung, die mit bewundernswerter Ausdauer focht, gegen Abend des 12. Mai nur noch den Nordostteil des Dorfes zu halten. Gleichwohl gelang es am späten Abend einem preußischen Garde-Füsilierbataillon in einem mit größter Bravour durchgeführten Gegenstoße, dem Feinde alle erreichten Vorteile im Nahkampf wieder abzutrotzen. Was der Gegner somit in seinen Angriffen vom 11. und 12. Mai, die sich mehr durch Erbitterung als planmäßiges Handeln kennzeichneten, erreicht hatte, war lediglich der Besitz von Dorf und Bahnhof Roeux. Die Woche vom 13. bis 20. Mai brachte bei allgemein lebhafter Artillerietätigkeit keine größeren Infanterieangriffe über die Breite der ganzen Front.
Am 15. Mai eroberten Thüringer Regimenter in schneidigem Anlaufe von Norden, Osten und Süden her Dorf und Bahnhof Roeux zurück. Leider ließ sich dieser Erfolg gegen einen am 16. Mai früh 9 Uhr einsetzenden, sehr starken feindlichen Gegenangriff nicht halten. Der Bahnhof Roeux ging ganz, das Dorf zum größten Teile wieder verloren. Dagegen wurde ein gleichzeitig südlich der Straße Arras - Douai vorgeführter feindlicher Vorstoß abgeschlagen.
Bei Bullecourt kamen die Kämpfe nicht zur Ruhe. Die von den Engländern immer wieder aufs neue mit und ohne Artillerievorbereitung durchgeführten Angriffe scheiterten restlos an der zähen Ausdauer der Gardefüsiliere und verzehrten sich schließlich in ihrem eigenen Ungestüm.
Wir benutzten diesen Zeitpunkt der Ermattung beim Gegner, um in der Nacht vom 16. auf 17. Mai die als Kampfplatz völlig verbrauchte, ganz eingeebnete Trümmerstätte des Dorfes Bullecourt zu räumen und unsere Linie auf den Nordrand des Dorfes zurückzunehmen. Patrouillen wurden im Orte zurückgelassen, einige am 15. Mai im Engländernest südwestlich Riencourt von uns erworbene örtliche Vorteile wurden gewahrt; unsere Maßnahmen blieben vom Feinde zunächst völlig unbemerkt.
Am 20. Mai schien es noch einmal, als wolle der Gegner sich zu einem Angriff in großem Stil ermannen. Um 6 Uhr morgens setzte gegen fast die ganze Linie, besonders aber südlich der Scarpe, schlagfertig stärkstes Trommelfeuer ein. Der Infanterieangriff kam jedoch nur südlich von Monchy bis nordwestlich Bullecourt in Gang. Er wurde im allgemeinen schon in unserem Feuer abgeschlagen. Nur bei Fontaine gelang es dem Gegner, einen kleinen, taktisch unwesentlichen örtlichen Vorteil zu erringen.
Anschließend an diese Kämpfe folgten am 21. Mai in den frühen Morgenstunden beginnend schwere Angriffe an der Straße Bullecourt - Hendecourt und die Stellungen östlich und westlich davon. In erbitterten Gegenangriffen und durch unser Abwehrfeuer wurde hier der Stoß aufgefangen. Die Stellung blieb restlos in unserer Hand. Die Verluste des Feindes waren stark.
Bei Lens nahm die Kampftätigkeit die Form kräftig geführter Teilvorstöße an. Am 24. Mai war es einer feindlichen Abteilung in Bataillonsstärke nach mächtiger Feuervorbereitung geglückt, südöstlich Loos vorübergehend in unsere Gräben einzudringen. Am Tage darauf war unsere Stellung wieder völlig gesäubert.
Wies der feindliche Munitionsverbrauch schon in der vorletzten Woche des Mai eine gewisse Abnahme auf, so flaute die feindliche Tätigkeit im allgemeinen bis zu Ende des Monats merklich ab. Die Infanteriekämpfe liefen in rege Patrouillentätigkeit mit rein örtlichem Charakter, das planmäßige Feuer der Kampfartillerie in lebhaftes Störungsfeuer und gelegentlich sehr heftiges Vernichtungsfeuer aus. Dann und wann flackerte die feindliche Offensive noch in kräftigen Teilvorstößen auf. Es waren die letzten Zuckungen eines im Sterben liegenden starken Willens.
So schritten die Engländer am 27. Mai südlich der Scarpe nach kurzer, aber kräftiger Feuervorbereitung zwischen Cherisy und Bullecourt zum Angriffe gegen unsere Stellungen südlich Fontaine. Er dauerte bis 28. Mai früh, verschaffte dem Gegner nur blutige Verluste und keinen Gewinn. Ebenso scheiterten in der Nacht vom 30. auf 31. Mai zwischen Monchy und Guémappe und dicht südlich der Scarpe Vorstöße des Feindes zum Teil im Kampfe von Mann gegen Mann.
Seit Ende Mai 1917 war lebhafte feindliche Tätigkeit im Wytschaete-Bogen gemeldet worden. Es schien, als ob der Gegner dort zu einem neuen Vorstoße gegen unsere Linien ansetzen wollte. War das seine Absicht, so enthielt ihre Verwirklichung das ausdrückliche Eingeständnis des Mißerfolges der Offensive vor Arras, mußte aber gleichzeitig ein Aufleben der Gefechtshandlung auf diesen Kriegsschauplätzen mit sich bringen, und zwar zu dem naheliegenden Zwecke, dort Kräfte festzuhalten, die ihm am Wytschaete-Bogen hinderlich sein konnten. So gewann das Kampfbild in der ersten Juniwoche vor Arras ein wesentlich bewegteres Aussehen: Beiderseits rege Erkundungstätigkeit, allgemeine Zunahme des Störung- und Vernichtungsfeuers, die beim Gegner zum Aufwand von viel Gas- und Rauchmunition führte, dazwischen einzelne größere Unternehmungen seitens der Engländer.
Erkundungsstöße umfangreicherer feindlicher Abteilungen wurden in der Zeit vom 31. Mai bis 4. Juni bei Loos, Lens, am Souche-Bach, bei Monchy, Cherisy und Fontaine unter zum Teil bedeutenden Verlusten für den Gegner abgewehrt.
Der 5. Juni brachte uns noch einmal schwere Kämpfe. Abends 9 Uhr 15 Minuten griff der Gegner nach mächtigem Trommelfeuer die Front von Gavrelle bis Roeux mit mindestens 2 Divisionen in tiefer Staffelung an. Zwischen Gavrelle und Fampoux wurden die feindlichen Angriffswellen von bayerischen Regimentern mit blutigen Köpfen heimgeschickt. Nur beim Bahnhof Roeux drangen sie in kleine Grabenstücke ein. Der Zweck dieses auffallend starken Unternehmens, das in den folgenden Tagen in einer für uns günstigen Weise erledigt wurde, lag auf der Hand. Es sollte unsere Reserven auf dem Schlachtfelde vor Arras binden, indes in Flandern die Vorbereitungen für den neuen Ansturm heranreiften.
Am 7. Juni 1917 ließ der Feind im Wytschaete-Bogen seine Minen springen, ein neuer großer Angriff hatte begonnen, die Frühlingsschlacht von Arras war beendet.
Ihr Ziel war für den Gegner die Einleitung der Rückeroberung von Belgien und Nordfrankreich, ihr Erfolg äußerlich gemessen ein Geländegewinn von etlichen zerschossenen Dorfstätten, im Vergleich zu ihrem Endzweck ein Fehlschlug, im Hinblick auf die erlittenen Verluste eine schwere Niederlage. Uns aber verblieben in erneuter Frische die helle Zuversicht auf den Sieg, das ungeschwächte Vertrauen auf unsere unvergleichlichen Truppen und ihre Führer.

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

HAUPTSEITE

 

© 2005 stahlgewitter.com