Die
Eroberung Rigas
Berlin,
5. September.
Der deutsche Vorstoß gegen Riga war von den Russen seit
längerer Zeit erwartet. Sie fühlten sich jedoch durch die weiten
Sümpfe, die die Stadt im Westen schützen, und den weiten, von Sand
durchsetzten Sumpfufern eingefaßten Dünastrom vor jeder deutschen
Überraschung vollkommen sicher. Überdies waren starke russische
Kräfte an dieser Front zusammengezogen. Allein in dem Brückenkopf
auf dem westlichen Dünaufer und den östlich anschließenden
Stellungen standen etwa 15 Infanteriedivisionen und eine
Kavalleriedivision. Noch am 31. August war man in Riga bis in die
späten Abendstunden vollkommen ruhig. Das Theater spielte wie
gewöhnlich. Unter der Zuschauermenge befanden sich zahlreiche
Offiziere, wahrscheinlich sogar der Oberkommandierende selbst.
Bereits am 25. August hatte der Spezialkorrespondent der "Daily
News" aus Petrograd einen ausführlichen Bericht über die
bevorstehende deutsche Offensive an der Riga-Front gedrahtet, in dem
er schrieb, daß bisher keinerlei Anzeichen vorlägen, daß die
Deutschen auch nur den geringsten Erfolg erreichen würden. War man
auch so auf eine deutsche Aktion vorbereitet, so wurde man dennoch
durch Ort, Stunde und die Wucht, mit der sie einsetzte, vollkommen
überrascht.
Am Morgen des 1. September machte heftiges Artillerie- und
Minenwerferfeuer die russischen Stellungen sturmreif; unter seinem
Schutze setzte die deutsche Infanterie zwischen Borkowitz und
Dünhof über den Strom. Noch im feindlichen Feuer wurde mit dem
Brückenbau begonnen. Nach kurzer Zeit waren drei Brücken über die
dreihundert Meter breite Düna fertiggestellt, über die unverweilt
starke Truppenkörper auf das Nordufer des Flusses drangen, bis an
den Kleinen Jägel vorstießen und sich hier festsetzten. Die Russen
gingen sofort von Riga aus zum Gegenangriff über. Verzweifelte
Angriffe rücksichtslos eingesetzter Regimenter folgten einander.
Allein trotz aller Blutopfer gelang es nicht, die deutschen Truppen,
die sich zähe an den gewonnenen Boden klammerten, wieder zu werfen.
Weiteres Vordringen ließ die Deutschen schon am 2. September den
Großen Jägel erreichen, und am 3. September konnte die große von
Riga nach Wenden führende Straße unter wirksames Feuer genommen
werden. In wilder Hast drängten hier die russischen Massen nach
Nordosten, während ihre todesmutigen Nachhuten zwischen den Seen-
und Sumpfengen verzweifelten Widerstand leisteten.
Allein das Schicksal Rigas war besiegelt. Am 3. September, 11 Uhr
vormittags, drangen die Deutschen von Südosten und Westen in die
Stadt ein. Zwar waren die eisernen Brücken über die Düna
gesprengt und die Holzbrücken sämtlich verbrannt, zwar brannten
die Bahnhöfe und die Fabriken an beiden Dünaufern, allein die
Russen hatten infolge des über alle Angriffe raschen und
entschlossenen deutschen Vordringens keine Zeit gehabt, die Stadt
planmäßig zu plündern und zu zerstören.
Die in die Hände der Deutschen gefallene Beute läßt sich zurzeit
noch nicht ziffernmäßig erfassen. Deutsche Truppen aller Stämme
sind an dem glänzenden Unternehmen beteiligt; auch die Artillerie
ist dabei der Eigenart ihrer Waffe entsprechend verwendet worden.
Die Truppen sind noch überall im Vorgehen. Von der See her griff
die deutsche Marine wirkungsvoll in den Kampf ein. Auf dem
westlichen Dünaufer erfolgte noch am 3. September die Annäherung
an Dünamünde, dessen westlicher Teil alsbald besetzt wurde. Alle
Versuche der Russen, durch wiederholte Gegenangriffe die Kampfeslust
und den Schneid der deutschen Truppen zu lähmen, scheiterten. Der
deutsche Angriffsplan wurde ohne Abweichung durchgeführt. 1) |