Der Aufruhr in Irland
London, 29. April. (Priv.-Tel.)
Reuter meldet über die Ereignisse in Dublin:
Nach den letzten nicht offiziellen Berichten ist am Donnerstag Liberty Hall, das Hauptquartier der Sinnfeiner, durch das Kanonenboot "Lissey" in Trümmer geschossen worden. Die Truppen haben die Rebellen mit Bomben und Maschinengewehren, die aus dem Dach eines Hotels aufgestellt waren, aus ihrer Verschanzung in Stephensgreen vertrieben. Die Rebellen halten noch die große Keksfabrik von Jacobs besetzt, die durch die Truppen mit Kanonen beschossen wird, ferner noch das Postbureau, das Gerichtsgebäude und den Bahnhof. Es geht jedoch das Gerücht, daß die Truppen Rauchgranaten gebraucht und auf diese Weise das Postgebäude erobert hätten. Der Abschaum der Bevölkerung, der durch diesen Kampf hervorgekommen ist, hat am Montag die besseren Läden geplündert.
Ein Augenzeuge, der in England ankam, erzählt: Am Montag Punkt 12 Uhr rasten die Rebellen, die sich durch Zeichen verständigten, nach einem Laden, der voll Gewehre lag. Inzwischen fuhr ein Automobil heran und verteilte Munition. Frauen in Uniform marschierten neben jedem Mann und trugen Bänder voll Patronen. die den Männern während des Kampfes gereicht wurden. Der erste Zusammenstoß fand mit einer Abteilung Reiterei statt, die die Rebellen unter Gewehrfeuer genommen hatten. Sie töteten eine Anzahl Pferde und verwundeten mehrere Bürger. Die Rebellen besetzten beinahe sofort das Postbureau, wo sie ihre Flagge hißten und die meisten Beamten mit dem Bajonett und dem Revolver in der Hand vertrieben. Das Feuer lockte eine große Menge auf die Straße, die den Rebellen feindselig gegenüber stand, aber von den Rebellen in Schach gehalten wurde. Die Rebellen feuerten auf jeden Soldaten und Polizisten in der Menge. Eine Anzahl von Bürgern wurde auf diese Weise getötet oder verwundet. Nachdem die Telegraphen- und Telephondrähte abgeschnitten waren. errichteten die Rebellen Barrikaden aus Tischen und Pulten innerhalb des Postbureaus und setzten Schildwachen auf das Dach, von wo aus die Soldaten und die Polizei fortdauernd beschossen wurden. Gleichzeitig mit der Besetzung des Postbureaus stürmten auch die Rebellen eine Anzahl öffentliche Gebäude, darunter die Gerichtsgebäude, das Gebäude für ärztliche Wissenschaft, das Gebäude der Mathematik, der naturwissenschaftlichen Fakultät, zwei Bahnhöfe, zwei Redaktionsbureaus und eine Anzahl Häuser. Sie feuerten aus den Fenstern. Sie hielten die Züge an auf den Bahnhöfen, rissen die Schienen auf und warfen die Beamten aus dem Bahnhof. Der Versuch, das Schloß von Dublin zu erobern, wurde durch die Wache vereitelt, nachdem ein Polizist und eine Schildwache am Eingang getötet worden waren. Die Rebellen besetzten auch die Bank Steffens Green auf dem wichtigsten Platze der Stadt, wo vornehme Häuser stehen. Sie begannen dort Barrikaden aufzustellen und Laufgräben zu graben. Die Gäste in dem großen Hotel, das an diesem Platze steht, waren während des Mittwochs tatsächlich gefangen. Automobile wurden angehalten und als Barrikaden quer über die Straßen gelegt. Die Rebellen beschossen alle öffentlichen Gebäude in dieser Gegend. Verschiedene Burger wurden dabei verwundet.
Die Truppen waren am Dienstag morgen angekommen. Sie wurden eilig nach den verschiedenen Stellen gebracht, um die Rebellen zu umzingeln. Darauf wurde das Feuer auf die Sinn-Feiner eröffnet, die die Sackvillestraße und die Damestraße besetzten. Die Soldaten wurden auf das Dach eines Schulgebäudes in der Nähe aufgestellt, wo sie hinter den Schornsteinen Deckung nahmen. Sie schossen auf die Rebellen, die sich der Schule zu nähern versuchten. Man beschloß, sie aus einem Laden zu vertreiben, aus dem sie fortwährend schossen. Mit einem Maschinengewehr wurde die Fassade niedergelegt. Die Besatzung des Ladens wurde gefangen genommen. Am Mittwoch morgen war die Behörde hier Herr der Lage. Niemand durfte auf der Straße stille stehen, und es wurden wohlüberlegte Operationen gegen das Hauptquartier der Rebellen unternommen, die dort die grüne Flagge gehißt hatten. Zwei Feldgeschütze wurden gegen das Hauptquartier aufgestellt. In fünf Minuten wurden 40 Granaten abgeschossen und vom Gebäude blieb nur wenig übrig. Die Mehrheit der Rebellen konnte sich zurückziehen. Die Soldaten stürmten darauf die Ruine. Dies geschah am Mittwoch morgen um 8 Uhr. Die Soldaten schlossen alle öffentlichen Gebäude. Der Augenzeuge verließ die Stadt am Mittwoch nachmittag um 5 Uhr.
London, 29. April. (W. B.)
In dem Bericht des Lords French vom Samstag wird gesagt: Die Lage in Dublin war heute früh wesentlich verbessert. Die Aufständischen boten aber noch ernstlichen Widerstand in der Gegend von Sackville Street. Der Truppenring schließt diesen Bezirk immer enger ein, aber infolge der Kämpfe von Haus zu Haus geht die Einschließung nur langsam von statten. Das Postamt und ein Gebäudeblock östlich von Sackville Street sind durch Feuer zerstört. Ein Trupp Aufständischer wurde durch Kanonen, die auf Automobilen angebracht waren, aus den Bolands-Spinnereien am Kingsend vertrieben. Ein Rebellenführer namens Pearse wurde in dieser Gegend am Bein verwundet. In einem Bericht, der heute abend einlief, wird gesagt, daß sich Pearse bedingungslos ergab. James Connoll soll getötet worden sein. Auch der Bezirk, in dem sich das Gerichtsgebäude befindet, und der noch immer von den Rebellen besetzt ist, wurde von einem Truppenring umgeben, der sich langsam schließt. Alle Nachrichten gestatten den Schluß, daß die Revolution in Dublin im Begriff ist, zu erlöschen. Eine beträchtliche Anzahl Rebellen befindet sich in militärischer Gefangenschaft. - Die
Berichte von heute abend aus dem übrigen Irland sind im allgemeinen befriedigend. Die Verhältnisse in Belfast und Ulster sind normal, und die Lage in Londonderry wird als ganz befriedigend dargestellt. Auch das Gebiet bis 15 Meilen um Galway soll ganz geregelte Verhältnisse aufweisen, aber eine Bande von Rebellen wurde zwischen Attenby und
Craughwell festgestellt. 19 gefangene Rebellen sind nach Queenstown geschickt worden. Eine andere Bande von Regellen soll in Enniscourth verschanzt sein, aber die Polizei kann sich noch immer behaupten und die Straßen und Eisenbahnen sind bis auf vier Meilen von der Stadt frei. Der Schaden, der der Barrow-Brücke auf der Dubliner
Südostbahn zugefügt wurde, ist nicht groß.
2) |