Zusammenfassende Darstellung der Schlacht vor Verdun 

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 
26. und 27. Oktober 1916

I.

Die Vorbereitungen für eine so gewaltige Unternehmung wie die Schlacht vor Verdun nahmen naturgemäß einen längeren Zeitraum in Anspruch. Sie wurden dadurch wesentlich erschwert, daß sie während der ungünstigsten Zeit des Jahres, in den strengsten Wintermonaten, zu bewirken waren, und daß für ihre Durchführung nur drei größere Anmarschstraßen zu Gebote standen, die natürlich bei der starken Inanspruchnahme und der Ungunst der Witterung alsbald in den denkbar schlechtesten Zustand gerieten und ständiger, hingebender Ausbesserungsarbeiten bedurften. Nach Abschluß der Vorarbeiten war der Beginn des Angriffs auf den 12. Februar 1916 in Aussicht genommen. Die Witterung war indessen in dieser Zeit derart ungünstig, daß der Angriff von Tag zu Tag hinausgeschoben wurden bis am 21. Februar endlich die Witterungslage, obwohl noch immer recht fragwürdig, den Beginn der Kampfhandlungen gestattete. Diese wurden durch eine lebhafte Feuertätigkeit auf der ganzen Westfront eingeleitet. Während die Franzosen alle ihre Offensiven durch ein mehrtägiges Trommelfeuer zu eröffnen pflegten, das an der Somme sogar sieben Tage lang die deutsche Stellung mit einem Eisenorkan überschüttete, begnügten sich die Deutschen mit einer 24stündigen Beschießung, die sich nur in den letzten Stunden zum Trommelfeuer steigerte. Am Nachmittag des 21. Februar erfolgte auf der ganzen in Aussicht genommenen Offensivfront von der Maas nördlich Consenvoye bis in die Gegend von Azannes der Angriff, der die deutschen Truppen noch am selben Abend in den Besitz der gesamten feindlichen Stellungen erster Linie brachte.
So konnte der eigentliche Angriff am folgenden Tage schon von der vorderen französischen Linie aus erfolgen. Der 22. Februar brachte die Deutschen in den Besitz des stark ausgebauten Dorfes Haumont, des größten Teiles des Caureswaldes und des Herbebois. Am 23. Februar erreichte der deutsche Angriff, der sich durch ein mit allen modernen Hilfsmitteln der Feldbefestigungstechnik ausgebautes System von Gräben und Stützpunkten, zudem durch die von der deutschen Artillerie wüst zerschossenen Wälder hindurcharbeiten mußte, bereits die Linie Samogneux-Beaumont-Grémilly. Am 24. Februar stieß der Angriff weit über die befohlenen Endziele vor und brachte wiederum namhaften Geländegewinn. Der 25. Februar wurde von entscheidender Bedeutung. Die allgemeine Linie, welche die Deutschen erreichten, wird durch die Dörfer Louvemont und Bezonvaux gekennzeichnet.
Über die Linie hinaus stieß der Angriff in der Mitte bis zur Panzerfeste Douaumont durch, welche von zwei Kompanien des Infanterieregiments 24 genommen wurde, während der deutsche Anlauf vor dem aufs stärkste befestigten und mit betonierten Unterständen und Zugangsstollen unterbauten Dorfe Douaumont zum Stehen kam. Nach mehrtägigen heftigen Kämpfen wurde am 2. März auch Dorf Douaumont genommen. Auf dem linken Flügel erreichte der Angriff der nördlichen Gruppe am 8. März das Dorf Vaux und die südlich gelegene Panzerfeste: dieser Gewinn konnte allerdings nicht dauernd gehalten werden.

 

II.

Während die oben besprochene Gruppe von Angriffshandlungen von der Linie Consenvoye-Azannes aus die Linie Champ-Douaumont gewann, richtete sich eine weitere selbständige Angriffshandlung von Etain, also von Nordosten her, auf die Höhe der Côtes Lorraines in allgemeiner Richtung auf die nordöstliche Kante des Fortgürtels. Der aus der Woëvre-Ebene andringdenden Nordostgruppe schlug von den Höhen der Côtes Lorraines herab ein heftiges Artilleriefeuer entgegen und suchte ihr Vordringen zu hemmen. Trotzdem gelang es ihr, am 7. März die Franzosen aus Fresnes hinauszuwerfen und am 9. März den Feuilla-Wald und die Weinbergshöhe 251 nördlich Damloup zu nehmen.
Seitdem hält sie den Fuß der Côtes Lorraines bis Eparges fest in Händen und hat ihren Besitz ein Vierteljahr später noch durch die Eroberung von Damloup erweitern können.

 

III.

Der erste große Vorstoß der Deutschen war sonach bis unmittelbar an den inneren Fortgürtel der Festung durchgedrungen und hatte die allgemeine Linie Champ-Douaumont-Feuilla-Wald-Blanzée-Combres erreicht. Dieser große Erfolg rief eine seiner Bedeutung entsprechend sehr erhebliche Gegenanstrengung der Franzosen hervor. Etwa seit dem 26. Februar begann diese sich geltend zu machen. Während aber unser Angriff sich bis dahin auf das Ostufer der Maas beschränkt hatte, nahm die feindliche Gegenwirkung von vornherein ihren Ausgangspunkt von beiden Maasufern und machte sich ganz besonders in Gestalt einer Artillerieflankierung von dem bisher nicht in Mitleidenschaft gezogenen linken Maasufer aus geltend. Wollte die deutsche Heeresleitung die Errungenschaften auf dem rechten Maasufer behaupten, so ergab sich die Notwendigkeit ihren Angriff auch auf das westliche Maasuser hinüberzutragen. Demnach beschränkte sie sich östlich der Maas für die nächste Zeit auf die Festhaltung und den Ausbau der gewonnenen Linie, und so nahm hier der Kampf zunächst wieder die alte Form des Stellungskrieges an. Auf dem linken Maasufer dagegen haben die Deutschen während der nächsten Monate bis gegen Ende Mai 1916 ihren Angriff in zähem Vorwärtsdringen Schrittweise, doch ununterbrochen vorwärtsgetragen. Im nachfolgenden sollen zunächst die Kämpfe des linken Maasufers im Zusammenhang betrachtet werden.
Das Gelände stellt hier eine von den Argonnen her sich langsam zum Maastale absenkende Hochsläche dar, deren Erhebungen zum Teil von weiten Wäldern bedeckt, zum Teil völlig kahl und wasserlos sind. In den flachen Senkungen ist eine Anzahl Dörfer mit im wesentlichen soliden Steinhäusern eingebettet. Die Wälder, die Höhen, die Dörfer boten der Verteidigung Stützpunkte, die mit allen Mitteln verstärkt worden waren und immer noch weiter verstärkt wurden. Der Kampf um diese Punkte bildet den eigentlichen Inhalt des mörderischen Ringens, das sich hier fast ohne Unterbrechung in den Monaten März, April und Mai 1916 abspielte. Ihre Wegnahme durch die Angreifer bringt indessen in die Kampfhandlung zwar gewisse Abschnitte, aber doch keine sehr deutlich sich abgebende Gliederung, da jeder Geländegewinn die Franzosen zu sofortigen wütenden Gegenangriffen veranlaßte, so daß Erfolg und Verlust hin und her schwankten. Mit diesem Vorbehalt seien im nachfolgenden die Hauptmomente des deutschen Fortschreitens hervorgehoben.
Zunächst gelang am 6. März der Maasübergang und die Einnahme der Dörfer Forges und Regneville. Dann warfen sich die deutschen Truppen mit einer Rechtsschwenkung in die zusammenhängenden, hartnäckig verteidigten Dickichte des Cumières- und Rabenwaldes hinein. Beide wurden bis zum 10. März gesäubert und gegen stürmisch anrennende Gegenangriffe gehalten. Schon vier Tage später wurde die ganze, den Wäldern westlich vorgelagerte "Mort Homme-Stellung" genommen und trotz wütender Rückeroberungsversuche behauptet.
Und nun griff das deutsche Vordringen noch weiter westlich um jene zusammenhängende Gruppe fester Stellungen herum, welche die Dörfer Béthincourt, Malancourt und Haucourt zu Stützpunkten und hinter ihrer Mitte die Höhe 304 zum Rückhalt hatten. Aus dem Gehölz von Malancourt, das schon seit Herbst 1914 in deutscher Hand war, drangen deutsche Truppen in den südlich vorgelagerten Wald von Avocourt ein und brachten ihn am 20. März fest in ihre Hand. Durch die Erstürmung dieses Waldes war die vielberufene "Sackstellung" entstanden, indem zwischen dessen Ostspitze und dem Nordwestzipfel der Toten Mann-Stellung noch ein weit in die deutschen Stellungen vorspringendes Geländestück in den Händen der Franzosen geblieben war. Von diesem wurde ihnen nun während des April in rastlosem Vordringen ein Fetzen nach dem andern entrissen. Am 30. März fiel der westliche Stützpunkt, das Dorf Malancourt in deutsche Hände. Am 5. April nahmen die Deutschen das einen südöstlichen Ausläufer von Malancourt bildende Dorf Haucourt und am 9. auch den rechten Flügelstützpunkt, das Dorf Béthincourt. Am gleichen Tage brachte ein Angriff bei der "Mort-Homme-Stellung" auch die südöstliche Kuppe des auf der französischen Karte als "Mort Homme" bezeichneten Höhenrückens in deutsche Hände und bereitete damit dem französischen Pressegezänk über die Frage, ob die Deutschen oder die Franzosen den Mort Homme besäßen, ein Ende.
Alle gewonnenen Geländestücke mußten gegen heftige Gegenangriffe gehalten und im stärksten feindlichen Feuer ausgebaut werden.
Auch während des ganzen Monats Mai nahm das wechselvolle Ringen auf dem linken Maasufer ohne Ermatten seinen Fortgang. Die Ausräumung der "Sackstellung" wurde in schrittweisem, durch kleinere Rückschläge nur vorübergehend unterbrochenem Vordringen zu Ende geführt. Den Mittelpunkt des furchtbaren Ringens in diesem Monat bildete die berühmte Höhe 304. Abschnittsweise wurden zunächst ihre nördlichen, dann ihre westlichen, zuletzt am 21. Mai ihre östlichen Ausläufer erstürmt. Östlich des "Toten Mannes" ist am 23. Mai die Trümmerstätte, die einstmals das Dorf Cumières war, erstürmt worden. Die an diesem Tage noch gescheiterte Eroberung der Caurettes-Höhe und des ganzen Geländes von der Südkuppe des "Toten Mannes" bis zur Süd-spitze von Cumières konnte bis Ende Mai erzwungen werden.
Mit der Eroberung der Linie Wald von Avocourt - 304 - Toter Mann - Cumières hatte das deutsche Fortschreiten auf dem linken Maasufer zunächst sein Ende erreicht. Häufige Gegenstöße der Franzosen, um hier Teile des verlorenen Geländes wiederzugewinnen, sind fruchtlos geblieben. Das strategische Ziel der Kämpfe des linken Maasufers war erreicht. Die Flankierung der deutschen, auf dem rechten Ufer erkämpften Stellungen war beseitigt und der deutsche Angriff auch hier in einer einheitlichen Linie mit dem Vorwärtsdringen rechts des Flusses bis an den unmittelbaren Bereich der permanenten Befestigungen vorwärtsgetragen worden.

 

IV.

Aus dem Ostufer waren nach Erreichung der allgemeinen Linie Vacherauville-Douaumont die Operationen zu einem längeren Stillstande gekommen. Der starke französische Gegendruck und die Flankierung vom linken Maasuser her ließen ein weiteres Vordringen der östlichen Angriffsgruppe vorläufig nicht angezeigt erscheinen. Dabei mußte sich die deutsche Heeresleitung gleichwohl darüber klar sein, daß sie den Besitz von Douaumont dauernd nur würde behaupten können, wenn es ihr gelänge: erstens das Fort Vaux, das nach dem ersten Anlaufe wieder hatte aufgegeben werden müssen, fest in ihre Hand zu bekommen, und zweitens auch darüber hinaus die gesamte deutsche Linie noch weiter gegen Südwesten und Süden vorzutragen. Gegen Ende März gingen die Deutschen also auch hier wieder zum Angriff über, der ihnen am 27. das Werk Hardaumont und in den nächsten Wochen bis Mitte April kleinere Geländegewinne brachte. Am 17. April führte dieser Gefechtsabschnitt zur Einnahme einer Bergnase, welche südlich des Forts Douaumont sich hinzieht und durch ihre überhöhende Lage den deutschen Stellungen westlich und nordwestlich des Forts sehr unbequem gewesen war.
Nun trat rechts des Flusses wiederum eine Ruhepause von einem Monat ein. Die Geschützkämpfe gegen die schwer zu fassenden Werke und Unterstände sowie gegen die erheblich vermehrte feindliche Artillerie dauerten aber auch hier mit unverminderter Heftigkeit fort und stellten an die deutsche Angriffsartillerie große Anforderungen.
Das energische und erfolgreiche Fortschreiten der deutschen Angriffe auf dem westlichen Ufer bewog die Franzosen zu einem verzweifelten Versuche, den Schwerpunkt der Kämpf wiederum auf das rechte (östliche) Maasufer hinüberzureißen. Vom 17. Mai ab setzte schweres Artilleriefeuer auf das Fort Douaumont ein, an dessen Wiedergewinnung die Franzosen in vollkommen richtiger Würdigung seiner hervorragenden Bedeutung für die Verteidigung ihre beste Kraft setzten. Es folgte in den nächsten Tagen ein schwerer und erfolgreicher Angriff auf das Fort, der am 23. Mai zur völligen Vergasung des Forts führte und bis in die westlichen Fortgraben und auf die Nordwestspitze des Forts gelangte.
Aber schon setzte der deutsche Gegenangriff ein. Am 24. und 25. Mai erlitten die Franzosen eine schwere Niederlage. Die Deutschen gewannen die ganze verlorengegangene Linie zurück und stießen sogar noch weit über sie hinaus nach Süden vor. Am 1. Juni wurde der Caillette-Wald erstürmt, am 2. Juni fiel das Fort Vaux in deutsche Hand. Nur in den Hohlräumen konnte sich der Feind noch bis zum 7. Juni halten.
Eine weitere große Gruppe von Angriffskämpfen setzte bereits am 8. Juni ein. Sie brachte den Deutschen einen erheblichen Bodengewinn südlich des Forts Douaumont. Die Hauptpunkte, welche dabei in deutsche Hand fielen, sind das Thiaumont-Werk und das für die Gesamtlage allerdings nicht bedeutungsvolle Dorf Fleury, das samt den zwischenliegenden Befestigungsanlagen auf dem Bergrücken "Kalte Erde" am 23. Juni genommen wurde. Gegen diesen Geländegewinn auf dem Ostufer richteten die Franzosen seitdem eine große Reihe heftigster Gegenangriffe bei Tag und Nacht, die den Beginn der Sommeoffensive überdauerten und mit wechselndem Erfolge auch noch Ende Oktober 1916 im Gange waren. Im Verlaufe dieser Kämpfe ist das Dorf Fleury wieder aufgegeben worden.

 

V.

So hat die deutsche Frühjahrsoffensive bei Verdun der deutschen Obersten Heeresleitung einen namhaften Geländegewinn eingetragen und die deutsche Angriffsfront in einer zusammenhängenden Linie bis tief in das System der permanenten Befestigungen des Eckpfeilers der französischen Landesverteidigungslinie hineinverlegt.
Die Franzosen sind bemüht, die Verteidigung Verduns, soweit von einer solchen bei dem verlorenen Nordost-Sektor der Festung die Rede sein kann, als eine kriegerische Leistung allerersten Ranges hinzustellen und sie rühmen dabei die Energie der Führung und die Tapferkeit ihrer Truppen. Gerade dadurch unterstreichen sie aber die volle Größe der deutschen Angriffsleistungen. Der Sieg wurde von den deutschen Truppen erkämpft gegen einen Feind, der alle Vorteile der systematisch ausgebauten Dauerbefestigung für sich geltend machen konnte, während sich für den Angreifer der Zwang ergab, jeden Fußbreit Bodens nicht nur zu erobern, sondern auch ihn als Grundlage weiterer Angriffstätigkeit auszubauen und insbesondere für das schwere Geschütz die nötigen Anmarschwege und Stützpunkte im feindlichen Feuer zu schaffen.
Was die deutschen Truppen dabei an frischem Draufgängertum, an zähem Festhalten des Errungenen, an freudigem Ertragen unerhörter Strapazen und Schrecknisse aller Art und an nie versagender Angriffsfreudigkeit geboten haben, steht auf der höchsten Stufe des Heldentums. Der Gewinn, den sie dadurch erkämpften, ist beträchtlich: Die deutsche Oberste Heeresleitung erhielt Einblick in das Becken von Verdun, in die Stadt, auf die Maasbrücken und die Bahnlinien und konnte alle diese Punkte unter wirksamstes Feuer nehmen. Damit war Verduns Wert als Eckpfeiler der französischen Landesbefestigung zwar noch nicht völlig beseitigt, aber stark vermindert, seine Bedeutung als Brückenkopf und Aufmarschgelände für einen Angriff aber schon völlig ausgeschaltet.

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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